«Wir erwarten keinen Applaus»

BernerRundschau

«Wir erwarten keinen Applaus»

Burgdorf Polizeichef Christof Kipfer äussert sich zu Auseinandersetzungen zwischen links und rechts

Die Polizei ist ins Schussfeld der Kritik geraten. Aber auch der Burgdorfer Anwalt Daniel Kettiger. «Wir wollen und können es nicht allen recht machen», sagt Christof Kipfer, Polizeichef Mittelland-Emmental-Oberaargau, und erklärt, warum die Kantonspolizei die Kritik des Anwalts zurückweist.

Beat Waldmeier

«Das Problem mit Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Exponenten beginnt regelmässig, wenn es wärmer wird. Zuerst eine Aktion, dann eine Revanche, eine Gegenrevanche, und dann schaukelt es sich hoch», erklärt Christof Kipfer, Chef Mittelland-Emmental-Oberaargau der Kantonspolizei Bern. Das Problem sei bekannt und schon gar nicht auf Burgdorf beschränkt. «Aber Burgdorf hat den Weg in die Schlagzeilen gefunden. Der Fokus entspricht jedoch nicht der Realität.» Das sei früher in Münchenbuchsee ähnlich gewesen, und es gebe gleiche Vorkommnisse auch in Langenthal, Wangen oder anderen Orten. Dass dabei die Wahrnehmung der Beteiligten unterschiedlich ist, daran habe sich die Polizei gewöhnt. «Alle probieren, nach einer Auseinandersetzung möglichst gut dazustehen und die Schuld dem anderen Lager zuzuweisen, das ist normal.» In Burgdorf habe aber das Dauerthema links-rechts eine neue Dimension erhalten, weil beide Seiten den Weg in die Medien suchten. Dies sei geschehen, bevor ein Überweisungsbeschluss oder gar ein Urteil erfolgt sei.

Verfahren gegen Kettiger

Für Kipfer ist klar, dass die Polizei keinen Einfluss auf die Medien nehmen könne. «Wir können das Geschehen nicht kommentieren und dürfen wegen dem Amtsgeheimnis auch nichts richtigstellen», erklärt er. Zudem liege die Informationshoheit in Straffällen bei der Justiz. Für die Öffentlichkeitsarbeit habe die Polizei kurze Spiesse, einen Positionsnachteil. Indes gibt es Grenzen, die Daniel Kettiger aus Sicht der Untersuchungsbehörden und der Kantonspolizei überschritten hat. Die Kantonspolizei habe einen Brief an die Anwaltskammer des Obergerichts gerichtet. «Wir wehren uns gegen Unterstellungen, die der Anwalt gemacht hat», bestätigt Kipfer einen Artikel des «Bundes». Der Vorwurf des Anwalts laute auf Unterschlagung von relevanten Fakten, das sei wie der Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Begünstigung. «Es geht uns nicht gegen Kritik, und wir wollen auch keine Zensur, aber wenn man uns strafbares Verhalten vorwirft, wird unser Ruf geschädigt und ist das Mass überschritten.»

Viele verschiedene Fälle

Der Fall zeigt das Problem der Polizei auf. «Wir stehen in der Mitte.» Wenn es zu Auseinandersetzungen komme, da gehe es in erster Linie für die zuerst eintreffenden Polizeikräfte darum, eine Eskalation zu verhindern. Dafür müssten kurzfristig die Besatzungen von ein bis zwei Streifenwagen genügen. «Kurzfristig ist gar nicht mehr möglich.» Die Lage sei vor Ort zum Teil völlig verworren. «In aller Regel haben unsere Leute grosse Erfahrung in solchen Sachen.» Häusliche Gewalt, ein Verkehrsunfall und eine Schlägerei am Dorffest, innert kürzester Zeit seien seine Leute mit neuen Ausgangslagen konfrontiert. «Unsere Leute sind sicher nicht völlig fehlerfrei, und es ist schwierig, in derart unübersichtlichen und stressgeladenen Situationen psychologisch immer hundertprozentig richtig zu reagieren», aber es sei vieles, was nachher erzählt werde, durch die Sichtweise der beteiligten Parteien gefärbt, findet der Polizeichef.

Den Lokalteil füllen

«Wir wollen und können es aber nicht beiden Seiten recht machen», sagt Kipfer zu den politischen Auseinandersetzungen. «Wir erwarten keinen Applaus.» Zudem sei manchmal nicht ganz zu trennen, ob es sich um ideologische oder persönliche Auseinandersetzungen handle. Und manchmal komme es auf der rechten Seite auch untereinander zu handfesten Auseinandersetzungen. «Wenn wir jede Schlägerei melden wollten, wäre der Lokalteil jeder Zeitung voll.» Viele Auseinandersetzungen seien durch Alkohol geprägt, was auch wieder die Ermittlungen erschwere. Die Unparteilichkeit nimmt Kipfer für seine Leute in Anspruch. «Wir sind nicht auf einem Auge blind, sonst hätten nicht fast alle rechten Exponenten Strafverfolgungen am Hals», erklärt Kipfer. Dass der Vater von zwei bekannten Burgdorfer Rechtsextremen bei der Kantonspolizei arbeite, sei für die Polizeiarbeit irrelevant. «Aber wir beauftragen ihn nicht mit den Ermittlungen in der linken oder rechten Szene, um nicht den Anschein von Befangenheit zu erwecken», stellt er klar.

Schnelle Mobilisation

Kipfer weist den Vorwurf zurück, dass die Polizei rechtsextreme Konzerte billige. «Konzerte sind an sich legal, und wenn die Band nicht verboten ist, besteht keine rechtliche Grundlage, das Konzert aufzulösen», stellt der Jurist klar. Präventiv zu handeln sei die beste Art. Das heisst, das Konzert gar nicht zu bewilligen, was Sache der Gemeinde sei, oder die Veranstalter anzusprechen, um nachher dabei sein zu können. Die rechte Szene werde sehr gut kontrolliert: Praktisch ohne Ausnahme würden bei Anlässen die Personalien der Männer und Frau aufgenommen. Sowohl die rechte als auch die linke Szene verändere sich ständig. Geändert habe sich, dass sich alle Gruppen sehr schnell mobilisieren können. «Unsere Angst ist, dass wir plötzlich mit zu wenigen Leuten zwischen den Fronten stehen.» Mit Folgen: «Auf den Respekt gegenüber Polizisten würde ich mich nicht mehr verlassen.»