Schläger wollen nicht hinter Gitter

Landbote

Von den Rechtsextremen, die in Frauenfeld grundlos zwei Jugendliche überfielen, will keiner brutal zugeschlagen haben.

Ohne sofortige medizinische Versorgung wäre der damals 15-jährige D. B. an den Hirnverletzungen gestorben, die ihm eine Gruppe nur ein paar Jahre älterer Männer aus der rechtsradikalen Szene am 26. April 2003 nach einem Konzert beim Bahnhof Frauenfeld zugefügt hatte. Die Ärzte konnten das junge Leben zwar retten ? D. B. ist seit dem Überfall aber geistig und körperlich behindert und wird immer auf Betreuung angewiesen sein («Landbote» vom Dienstag). Seinem Kollegen, den die in den Kantonen Zürich, Aargau und St.Gallen wohnhaften Skins ebenfalls verprügelten, macht der Vorfall nach wie vor psychisch zu schaffen. Seit Montag haben sich sechs Täter ? ein siebter hatte sich in der Untersuchungshaft das Leben genommen ? vor dem Bezirksgericht Frauenfeld zu verantworten. Nachdem der Staatsanwalt für sie am ersten Prozesstag Freiheitsstrafen von zwischen fünf und sechs Jahren unter anderem wegen vollendeten Tötungsversuchs beantragt hatte, hielten am Dienstag und gestern die Verteidiger ihre Plädoyers. Alle vertraten die Meinung, es gelte keinen Tötungsversuch zu beurteilen. Wer D. B. so schwer verletzt habe, dass er beinahe gestorben wäre, lasse sich nämlich nicht rekonstruieren. Möglicherweise seien die schweren Kopfverletzungen die Folge eines brutalen Exzesses eines Einzeltäters, war gestern in der Verhandlung zu hören. Alle Angeklagten wegen eventualvorsätzlicher Tötung zu verurteilen, würde gegen die Unschuldsvermutung verstossen.

Bedingte Strafen und Freispruch

Wegen einfacher Körperverletzung und weiterer Delikte dürfen fünf der Angeschuldigten ? ein 25-jähriger Maurerlehrling, ein 23-jähriger Arbeitsloser, ein 22-jähriger Baumaschinenmechaniker, ein 20-jähriger Logistiker und ein 20-jähriger Lastwagenmechaniker ? nach Ansicht ihrer Anwälte mit höchstens 12 bis 18 Monaten Gefängnis bestraft werden. Der bedingte Strafvollzug sei ihnen zu gewähren. Gar einen Freispruch verlangte der Anwalt eines 22-jährigen Automonteurs. Dieser sei in Frauenfeld zwar dabei gewesen, habe aber nicht mitgemacht beim Angriff. Auch bei einem Überfall auf ein Pfadilager bei Rorbas im Jahr 2002 sei er ohne zuzuschlagen präsent gewesen. Deshalb sei er einzig wegen zu schnellen Fahrens mit 1000 Franken Busse, eventuell mit zehn Tagen Gefängnis, zu bestrafen. Das «tragische Ereignis» in Frauenfeld habe in der Öffentlichkeit hohe Wellen geworfen, sagte ein Verteidiger. Der Staatsanwalt stehe unter Druck und verlange deshalb drakonische Strafen. Das Gericht müsse jedoch objektiv bleiben und dürfe sich nicht dazu verleiten lassen, einen Schauprozess gegen Rechtsextreme zu führen.

Staatsanwalt vermisst Reue

Laut Anklageschrift haben alle Angeklagten beim Überfall auf die beiden Jugendlichen den Tod des 15-Jährigen in Kauf genommen. Das Verschulden der Angeklagten sei ausserordentlich schwer, hatte der Staatsanwalt am Montag gesagt. Die Angeklagten, die teilweise wegen Körperverletzung vorbestraft sind, zeigten weder Reue noch Einsicht für die «scheussliche Tat». Mehrere Beschuldigte gaben vor Gericht an, sie hätten nach wie vor Kontakt zu Kollegen aus der rechtsradikalen Szene. Gestern führte der Staatsanwalt aus, die brutale Attacke habe das Leben des 15-jährigen Jugendlichen zerstört. Er fordert als Genugtuung für das schwerstbehinderte Opfer 100000 bis 120000 Franken und dessen Mutter, die ihren Sohn pflegt, 30000 Franken. Dem älteren Opfer, das eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, sollen die Angeklagten 10000 Franken als Genugtuung und rund 3700 Franken Schadenersatz bezahlen. Diese Summen sollen die sieben Angeklagten solidarisch bezahlen müssen. Sie seien gegenüber den Opfern zudem voll schadenersatzpflichtig. Laut Staatsanwalt soll die Höhe dieser Forderungen das zivile Gericht feststellen. Das Urteil wird am 14. September eröffnet. (sda/ldb)