Neonazismus, verführerisch und sanft auf CDs gebrannt

Mittelland Zeitung

Region Mit Rock-Balladen und rechtsradikalen Texten werden Schüler zum Einsatz für eine bessere Zukunft aufgefordert: zuerst in Deutschland, jetzt auch auf Pausenplätzen im Westaargau.

Vier Bezirksschulen sind ungewollt mit dem rechtsradikalen Projekt «Schulhof» aus nationalistischen Kreisen in Deutschland in Kontakt gekommen. Auf ihren Pausenplätzen wurden einschlägige CDs an die Jugendlichen verteilt. Die Schulleitungen haben reagiert und Anzeige erstattet.

Mehrere Exemplare der deutschen «Schulhof-CD» sind am Freitag, 16. September, in Unterkulm und Oberentfelden an den Bezirksschulen verteilt worden. Zwei kahl geschorene junge Männer hätten in Unterkulm CDs an Schüler verteilt, sagt der Unterkulmer Schulleiter Alois Zwyssig. «In Entfelden haben Unbekannte im Schulhaus schachtelweise CDs verteilt», äussert Schulleiterin Eva Kuhn, «verbunden mit der Aufforderung, sich zu bedienen; etwa 60 konnten sichergestellt werden.» Fünf Tage später habe in Fahrwangen ein junger Mann am Rand des Schulareals beim Veloständer CDs verteilt, sagt Yvonne Häfner, Konrektorin. In Reinach kam es nicht zum martialischen Auftritt von Männern in Bomberjacken, wie die Sonntagspresse berichtete. Ein Schüler hat schlicht ein paar Exemplare mitgebracht und an Schulkollegen weitergereicht. Das Cover der Gratis-CD verrät deren Inhalt: «Anpassung ist Feigheit; Lieder aus dem Untergrund». Produziert wurde dieses nationalistische Propandawerk in Deutschland im Jahr 2004.

Der Kanton schaltet sich ein

Das Departement für Bildung, Kultur und Sport (BKS) hat die Schulleitungen am 23. September auf die Verteilaktion hingewiesen und zur Wachsamkeit aufgerufen. Sollten schulfremde Personen mit CDs auf dem Schulgelände auftauchen, sollen sie weggewiesen werden. «Verbieten Sie unerwünschten Personen unter Androhung einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs das Betreten des Schulareals», schreibt das BKS an die Schulen.

Das BKS geht davon aus, dass eine der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands nahestehende Organisation hinter der Aktion steht. Gegenwärtig überprüft die Bundespolizei die CDs auf illegale Texte und Bilder. «Wenn dieser Bericht eingegangen ist», sagt Rudolf Woodtli, Pressesprecher der Kantonspolizei Aargau, «wenn allenfalls ein Straftatbestand vorliegt, können wir mit der Untersuchung weiterfahren.»

Rasche Reaktion an den schulen

Als Walter Mächler, Schulleiter der Kreisschule Homberg, von den CDs an der Reinacher Bez erfahren hatte, reagierte er umgehend. «Ich habe die vier Schulstandorte informiert und sofort bei der Polizei Anzeige erstattet.» Mächler hat die Angelegenheit zur Chefsache erklärt und sichergestellt, dass Informationen nach aussen über seinen Tisch gehen. «Unser Schulleitungsteam nimmt die Sache sehr ernst, wir wollen aber nicht durch eine Überreaktion den rechtsradikalen Kreisen eine zusätzliche Plattform bieten.»Mächler hat vor, nach den Herbstferien massvolle Aufklärungsarbeit für Lehrpersonen und Schüler zu leisten. Er gedenke dazu externe Fachleute einzuladen. «Das Thema darf nicht allein der Schule aufgeladen werden», sagt Mächler, «auch die Eltern müssen mit ihren Kindern darüber reden.» Die Reaktionen der Schulleitungen in Fahrwangen, Entfelden und Unterkulm gleichen denjenigen von Reinach. Übereinstimmend erklären Eva Kuhn (Entfelden), Alois Zwyssig (Kulm) und Yvonne Häfner (Fahrwangen), sie hätten die CDs einsammeln lassen und der Polizei übergeben. Für Zwyssig ist klar, dass die CDs mit einzelnen Klassen zu besprechen seien, allerdings nicht «flächendeckend». Er hat den Eindruck, dass die fremdenfeindlichen Lieder bei den Bezlern eher weniger Thema seien, aber bei den Sek- und Realschülern im gleichen Haus wohl andere Reaktionen auslösten.

Aufklärung ist unabdingbar

Die Fahrwanger haben in den Klassenlehrerstunden Aufklärungsarbeit geleistet. Ebenso biete der Geschichtsunterricht die Möglichkeit, die geistigen Hintergründe des Nationalismus zu erläutern. Im Übrigen seien die Eltern dafür verantwortlich und müssten wissen, welche Musik ihre Kinder hörten, äussert die Konrektorin. Die Schulleitungen sind sich einig, dass Aufklärung der Schüler nottut. Die Lehrpersonen müssten ihren Schülerinnen und Schüler extreme Strömungen von links bis rechts erklären und aufzeigen, welche Gefahren davon ausgingen.

Die CDs können heute zwar eingesammelt werden, aber im Internet ist es möglich, die gleichen Inhalte herunterzuladen. Wer weiss schon mit Sicherheit, was die Schüler alles auf ihre MP3-Player geladen haben und auf dem Schulweg hören?