«Rufschädigung» wegen eines Kriegsromans

Neue Luzerner Zeitung: Deutschland · Ein umstrittenes Heft über den Zweiten Weltkrieg sorgt in Deutschland für Aufsehen. Die Spuren führen nach Sarnen. Doch dort zeigt man sich erstaunt.

«Weltkrieg» nennt sich das Heft, es erinnert in seiner Erscheinung an die Groschen- und Arztromane, die es an jedem Kiosk zu kaufen gibt. Was das Heft inhaltlich bietet, ist allerdings politisch höchst fragwürdige Kost: Da werden Wehrmachtssoldaten aus dem Zweiten Weltkrieg zu Helden hochgejubelt, auf Seite 2 jeder Ausgabe finden sich «Ritterkreuz»-Porträts über ehemalige SS-Angehörige und Wehrmachtssoldaten, die nach dem Krieg wegen Kriegsverbrechen teilweise zum Tode verurteilt worden sind. Aus Sicht der Autoren selbstverständlich zu Unrecht.

Das Heft gibt es erst seit Ende des letzten Jahres. Es ist ein Nachfolgeprodukt des auf Druck im Herbst 2013 eingestellten soldatischen Groschenromans «Landser». Der Verlag stoppte die Produktion, nachdem es internationale Kritik wegen der Verherrlichung des Nationalsozialismus und der Verharmlosung der Waffen-SS gegeben hatte. Laut dem Impressum auf der Homepage des «Weltkriegs» wird die Nachfolgepublikation vom Mediavari-Verlag in Sarnen herausgegeben. Doch an der mit einem leicht verfremdeten Strassennamen angegebenen Adresse findet sich kein Verlag, sondern der Obwaldner Treuhänder Karl Gasser.

Büros in Stans und Sarnen?

Auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt Gasser Recherchen des NDR-Medienmagazins «Zapp»: Der angebliche Verlag existiert gar nicht. Weder in Sarnen und auch nicht in Stans. Denn dort sollen sich am Breitenweg 10 die Büroräumlichkeiten der Mediavari AG befinden, wie der dubiose Verlagsgründer aus Deutschland in den Unterlagen schriftlich festgehalten hat. Treuhänder Gasser bereitete für den Rostocker Anwalt Volker Beecken die Gründung der Mediavari AG Ende des letzten Jahres vor. Gasser und Beecken kannten sich über eine frühere Kundenbeziehung flüchtig. «Ende Jahr kam Beecken plötzlich auf mich zu, wir würden uns doch kennen, und nun wolle er eine AG für einen Verlag gründen, ich solle ihm helfen. Kurz vor Weihnachten hatte er es plötzlich eilig. Die AG sollte noch vor Ende Jahr stehen. Doch das nötige Aktienkapital von 100 000 Franken hat Beecken bis heute nie einbezahlt», erzählt Gasser.

Laut dem Magazin «Zapp» handelt es sich bei Volker Beecken um einen Anwalt, der zumindest mit dem rechtsextremen Milieu kokettiert. Beecken gab sich bei unserer telefonischen Nachfrage am Montag zugeknöpft. Er habe im Auftrag eines Mandanten gehandelt und sei an die Schweigepflicht gebunden. Trotz Vereinbarung hat sich ­Beecken bis heute nicht wieder bei unserer Zeitung gemeldet. Das Magazin «Zapp» vermutet, dass Beecken im Auftrag des Verlags Lesen & Schenken des norddeutschen Rechtsextremisten Dietmar Munier gehandelt hat. Diese Theorie liess sich bis heute indes nicht bestätigen. Klar ist nur, dass das Heft «Weltkrieg», das mehrmals jährlich erscheint, in Bremen gedruckt und in Deutschland, der Schweiz und Österreich vertrieben wird – stets mit der im Impressum angeführten Adresse in Sarnen. Laut dem Berliner «Tagesspiegel» zeichnen ehemalige NS-Grössen als Autoren der Ausgaben verantwortlich.

Gasser nimmt sich Anwalt

Treuhänder Gasser ist verärgert. Den Vorwurf, er habe leichtsinnig einen Auftrag für eine AG-Gründung angenommen, ohne die Hintergründe genau zu prüfen, weist er von sich: «Ich bin meiner Sorgfaltspflicht als Treuhänder nachgekommen. Ich konnte nicht davon ausgehen, dass ein Anwalt mit Adresse in Rostock ein falsches Spiel treiben will.» Beecken habe schriftlich ein Firmengründungs-Datenblatt ausgefüllt mit allen relevanten Angaben sowie der Kopie seines Personalausweises. Gasser will nun mit einem Anwalt gegen die Nennung seiner Adresse in Sarnen vorgehen. «Dass meine Adresse im Zusammenhang mit einem weltkriegsverherrlichenden Heft genannt wird, ist rufschädigend.»

Der Berner Medienrechtsexperte Carlo Govoni sieht gute Chancen für den Sarner Treuhänder. Govoni vermutet, dass hier eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes vorliegen dürfte.

christoph.reichmuth@luzernerzeitung.ch