Oskar Freysinger bedient antisemitische Rollenbilder

Infosperber.

Der ehemalige Walliser Staatsrat Oskar Freysinger wettert gegen US-Investor Soros und macht ihn für seine Abwahl mitverantwortlich.

Das Online-Magazin «Republik» besuchte im Rahmen einer «Homestory»-Serie Oskar Freysinger. Der abgewählte Walliser Staatsrat, ehemalige SVP-Nationalrat und ehemalige SVP-Vizepräsident, ist seit einiger Zeit SVP-Wahlkampfleiter der Region Westschweiz – und passt deshalb bestens in die Wahljahr-Serie der «Republik».

Freysinger lieferte den Journalisten problematische Statements en masse, bediente antisemitische Rollenbilder und machte US-Investor George Soros unter anderem für seine Abwahl aus dem Walliser Staatsrat verantwortlich. Damit erhielten die Journalisten, was sie suchten. Gemäss dem Beschrieb der «Republik»-Serie wollen sie vor allem, «dass die Politiker sie nicht mit Floskeln langweilen». Freysinger hat diesen Auftrag erfüllt. Auf erschreckend entlarvende Art und Weise.

Freysinger: schlechter Verlierer
Dass Oskar Freysinger provozieren kann, wissen die Walliserinnen und Walliser. Der ehemalige Vorsteher des Departements für Bildung und Sicherheit hatte unter anderem eine Reichkriegsflagge in seinem Keller hängen und stellte den Genozid-Leugner Slobodan Despot als externen Kommunikationsverantwortlichen ein. Weiter holte er den umstrittenen Piero San Giorgio als Experten in eine Arbeitsgruppe und reiste wiederholt ins Ausland, wo er vor Protagonisten der äussersten Rechten sprach, sich für seine Rolle bei der «Minarett-Initiative» bauchpinseln liess und an einem Netzwerk aus rechtskonservativen und rechtsnationalen Kreisen spann.

Das Walliser Stimmvolk hatte schliesslich genug und lieferte Freysinger bei den Staatsratswahlen 2017 die Quittung: Er wurde nicht wiedergewählt, was ihn zum ersten abgewählten Walliser Staatsrat seit 80 Jahren machte. In der Folge präsentierte sich der sonst so streitbare Pferdeschwanz als schlechter Verlierer, sah sich als Opfer einer Hetzkampagne und verschwand schliesslich in der Versenkung, wo er seine Opferrolle literarisch zementierte.

«Polit-Comeback des Jahres»
Zwei Jahre später holte ihn die Parteileitung der SVP aus der Versenkung und setzte ihn als Wahlkampfleiter der Region Westschweiz ein. Weil das niemand besser könne als er, sagte SVP-Präsident Albert Rösti. Die «NZZ» schrieb von einem der «grösseren Polit-Comebacks der jüngeren Vergangenheit», und Freysinger tat schon bald, was er immer schon am besten konnte: Er begann zu provozieren.

In seiner neuen Rolle verdrehte Freysinger im Mai an einem Kongress der SVP Waadt die Fakten. Er erklärte, Rot-Grün habe seine Motion zugunsten eines «Tags der Biene» abgelehnt, was nachweislich falsch ist. Aber Freysinger verdrehte die Wahrheit, um die Pointe anzubringen: «Die Rot-Grünen haben mich nicht unterstützt. Sie mögen keine Bienen, wahrscheinlich weil Bienen arbeiten.»

Das ehemalige «Opfer einer Hetzkampagne», der Mann, der über die psychischen und körperlichen Schäden schrieb, die er während seiner Amtszeit davongetragen habe, und davon, wie seine Arbeitstage von «kleinlichen, hinterlistigen Machenschaften durchzogen» gewesen seien, hat es noch immer nicht begriffen: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus.

Das Argumentationsmuster bleibt gleich
Auch über zwei Jahre nach seiner Abwahl aus dem Walliser Staatsrat und der literarischen Verarbeitung derselben scheint sich Oskar Freysinger nicht mit seiner Niederlage abgefunden zu haben. Nur denkt er heute im grösseren Stil. So erzählt er dem Online-Magazin «Republik», dass US-Investor und Philanthrop George Soros mit seiner Stiftung «Open Society Foundations» einer der Hauptsponsoren des «Forums Aussenpolitik» (Foraus) gewesen sei. Eine Gruppe, die sich im Walliser Wahlkampf klar gegen Freysinger ausgesprochen hatte.

Freysinger in der «Republik»: «Indirekt hat Soros die Flyer finanziert, die gegen mich im ganzen Kanton verteilt wurden.» Damit nicht genug: Freysinger spricht unter anderem vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, bezeichnet ihn als «leeren Typ» und spricht von den Medien, die Macron in wenigen Monaten aufgebauscht hätten. «Eine künstliche Figur, die jenen dienen muss, die ihn bezahlt haben». Die «Republik»-Journalisten fragen nach, wollen wissen, wer diese Sponsoren sind. «Rothschild, Soros, Patrick Drahi», sagt Freysinger. «Sie haben investiert. Jetzt wollen sie ein Return on Investment.» Alles jüdische Namen.

George Soros sei die emblematische Figur des Grosskapitals, die alles finanziere, was Nationalstaaten zerstören könne, sagt Freysinger. Soros schwebe wahrscheinlich ein sanfter Totalitarismus vor.

Die Verschwörung des jüdischen Grosskapitals, das im Hintergrund agiert, die Mächtigsten dieser Welt lenkt und nebenbei zur Abwahl von Freysinger beiträgt? Selbst für den Pferdeschwanz ist diese antisemitische Verschwörungstheorie starker Tobak.

Hetzen – und es danach «leugnen»
Natürlich lieferte Freysinger der «Republik» keine Beweise für seine merkwürdigen Theorien. Gegenüber der «Republik» dementiert «Foraus»-Gründer Nicola Forster eine finanzielle Beteiligung von Soros und seinen «Open Society Foundations»: «Nullkommanull. Wir haben nichts mit Soros zu tun.» Der «Beobachter» griff die Thematik auf und liess sich von «Foraus» die Geschäftszahlen offenlegen. Auch hier: keine Beweise für eine Finanzierung durch Soros oder eine seiner Stiftungen.

Gegenüber dem «Beobachter» bestreitet Freysinger, dass er antisemitische Theorien verbreite. Der Vorwurf sei völlig aus der Luft gegriffen. Dann doppelt er nach: «Gewisse Kräfte» wollten mit «globaler Hirnwäsche» eine «globale Verwaltung» errichten. Soros sei Teil dieser Gefahr.

Schuld sind alle anderen
In der SVP ist Freysinger mit seinen Theorien nicht alleine. Bereits im Herbst 2018 unterstellte SVP-Nationalrat Roger Köppel der «Operation Libero» finanzielle Verbindungen zu George Soros. Vorwürfe, die sich nicht bestätigen liessen. Aber sie passen ins Schema, immerhin ist Soros Feindbild von internationalen Rechts-Politikern, darunter zum Beispiel US-Präsident Donald Trump, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan oder der ungarische Präsident Viktor Orbán.

Sie alle dichten Soros an, Teil einer globalen und finanzstarken Machtstruktur zu sein, die aus dem Hintergrund agiert und damit für alles verantwortlich ist, was nicht ins national-völkische Denkmuster passt. Dass Soros der äussersten Rechten dabei nur als Aushängeschild einer Verschwörungstheorie dient, der sich Menschen jüdischen Glaubens seit dem Mittelalter ausgesetzt sehen, dürfte klar sein.

Von der SVP war bisher nicht zu hören, dass sie sich von Unterstützern dieser antisemitischen Verschwörungstheorie klar distanziert. Und Freysinger? Er hat genug Feindbilder. Scheitert er mit seiner Kampagne in der Westschweiz, wird wohl irgendwer daran schuld sein – nur nicht er.