Minarettfall landet vor Obergericht

Berner Zeitung 20.11.2012

Eineinhalb Wochen nach dem Freispruch von Pnos-Chef Dominic Lüthard und Autopartei-Präsident Willi Frommenwiler legt die Islamische Gemeinschaft Langenthal Berufung ein. Die Staatsanwaltschaft ebenso – sie hofft auf einen Präzedenzentscheid.

Die Islamische Gemeinschaft Langenthal (IGGL) und ihr Rechtsvertreter, der Berner Rechtsanwalt Daniel Kettiger, akzeptieren das Urteil im Papierminarettfall wie erwartet nicht. Sie haben Berufung eingelegt und ziehen das Urteil des Regionalgerichts vor das Obergericht. Zwar teilte Kettiger diesen Entscheid gestern mit; zu den Gründen könne er aber nichts sagen. Er verwies stattdessen auf das Anwaltsgeheimnis und auf prozesstaktische Erwägungen. Unmittelbar nach dem Freispruch der Organisatoren der Anti-Minarett-Demo vom 10. Oktober 2010 in Langenthal hatte sich der Anwalt deutlich geäussert. «Dieses Urteil ist über weite Strecken unhaltbar», hatte er nach der Urteilseröffnung gesagt. Auch die Staatsanwaltschaft hat Berufung angemeldet. «Der Entscheid über Schuld- oder Freispruch ist beim Tatbestand der Rassendiskriminierung besonders stark von richterlichen Bewertungen abhängig», sagt Hansjürg Brodbeck, stv. Leitender Staatsanwalt. «Ein oberinstanzliches Präjudiz könnte nicht nur für den vorliegenden, sondern auch für künftige Fälle etwas mehr Klarheit schaffen.»

Jaisli: Gegen den Bau gerichtet

Zwei Jahre nach der Kundgebung, während der Dominic Lüthard symbolträchtig mit einem Besen Papierminarette von einer Schweizer Fahne gewischt und ein offener Brief an die IGGL die Runde gemacht hatte, beurteilte Einzelrichter Adrian Jaisli den Fall. Er bezeichnete das Vorgehen der Organisatoren während der Verhandlung in Burgdorf vor eineinhalb Wochen als grenzwertig, aber nicht strafrechtlich relevant. Die Aktion habe sich nicht gegen die Islamische Gemeinschaft, sondern gegen den Bau des Minaretts gerichtet. Er sprach Pnos-Chef Dominic Lüthard vom Vorwurf der Rassendiskriminierung und der üblen Nachrede sowie Willi Frommenwiler vom Vorwurf der üblen Nachrede frei. Für Lüthard war es der dritte Freispruch in ähnlich gelagerten Fällen. cd