mehrfacher Brandstiftung und Rassendiskriminierung zu einer Zuchthausstrafe von zweieinhalb Jahren

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verurteilt. Das Strafmass der Vorinstanz betrug drei Jahre. Der Student hatte zugegeben, zwischen 1995 und1997 in Brugg und Nussbaumen im Kanton Aargau aus politischen Gründen drei Brandanschläge aufAsylbewerber-Unterkünfte verübt zu haben. Der Unteroffizier der Schweizer Armee war nach eigenenAngaben während der Kantonsschulzeit in Baden in die rechtsextreme Szene gerutscht und hatte sich anAktionen der Nationalistischen Front Baden beteiligt.


Tagesanzeiger 09.06.2000

„Menschenverachtend“

Das Aargauer Obergericht verurteilte einen Studenten zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus wegen rassistisch motivierter Anschläge.

Von Remigius Bütler, Aarau

Der 26-Jährige aus der Region Baden wirkt wie der strebsame Student. Als künftiger Jurist versteht der Mann einiges von Recht. Aber die Fassade des gehemmt und scheu wirkenden Sohnes aus „geordneten Verhältnissen“ täuscht: F. H. wurde zum Rechtsbrecher aus rassistischen Motiven. Zwischen 1995 und 1997 verübte er als Einzeltäter Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte in Nussbaumen und Brugg. Wegen mehrfacher Brandstiftung, Rassendiskriminierung und Nötigung verurteilte ihn das Badener Bezirksgericht im November 1998 zu drei Jahren Zuchthaus. F. H. zog das Verdikt ans Obergericht weiter, gestern war Verhandlungstermin in Aarau.

Schleppende Behandlung
Zweieinhalb Jahre Zuchthaus lautete das Urteil in zweiter Instanz. Damit reagiert „Aarau“ auf eine unrühmliche Vorgeschichte. Die Strafbehörden im Ostaargau hatten F. H. geschlagene 15 Monate auf die schriftliche Begründung warten lassen. Das Bezirksgericht rechtfertigte sich mit „Arbeitsüberlastung und chronischem Personalmangel“. Die schleppende Behandlung des politisch brisanten Falls bescherte den Badenern nicht nur negative Schlagzeilen, sondern auch ein Disziplinarverfahren.

„Baden“ habe gegen das Beschleunigungsgebot verstossen, erklärte Ernst Roduner, Präsident des Obergerichts, zulässig sei höchstens ein Monat Wartefrist. Das Verschulden seines Berufsstandes blieb der einzige strafmildernde Faktor. Inhaltlich stützte das Obergericht den Kurs der Vorinstanz und attestierte F. H. eine „menschenverachtende Gesinnung“. Der Angeklagte habe Leute an Leib und Leben gefährdet, so Roduner. Auch ein Gutachten, das H. „eine unreife Persönlichkeit“ attestierte, liess der Vorsitzende nicht gelten. Gegen H. spreche, dass er auf hetzerischen Flugblättern Menschen schwarzer Hautfarbe herabgewürdigt und andere bedroht habe.

Positiv wirke sich dafür sein umfassendes Geständnis und ein Leben ohne Vorstrafen aus. Aufrichtige Reue könne ihm aber nicht zugebilligt werden, sagte Roduner. Der Staatsanwalt, der das ursprüngliche Strafmass beibehalten wollte, hielt dem Delinquenten „kriminelle Energie“ vor.

Ob er den Fall ans Bundesgericht weiterziehen will, liess Pflichtverteidiger Martin Ramisberger offen. Er hatte auf 18 Monate Gefängnis bedingt plädiert. Sein Mandant, der in psychotherapeutischer Behandlung steht, zeige Reue und Einsicht und habe sein Leben gewandelt.

Noch offen ist, ob F. H. seine akademische Laufbahn fortsetzen kann. „Wir werden das begründete Urteil anfordern“, erklärt Sven Akeret, Leiter des Rechtsdienstes der Universität Zürich. Die juristische Fakultät müsse prüfen, ob die Taten disziplinarische Konsequenzen haben. Der Student im achten Semester hatte in Strafrecht mit der Bestnote brilliert. Im schlimmsten Fall droht ihm die Wegweisung von der Uni.

Bomberjacken-Partys
Schon früher war der Offiziersaspirant und SVP-Sympathisant aufgefallen. Dem Aussenseiter, der noch bei seinen Eltern wohnt, war das Wettinger Gymnasium „zu links“, als Einziger in der Klasse sei er „rechts“ gewesen. In Baden fand er Anschluss an die Nationalistische Front. Am 22. Juli 1995 nahm er an einer Party der Rechtsfront Olten teil. Das gemeinsame Feindbild lautete: „Linke, Punks und Asylanten“. Speziell über Ausländer habe man nicht diskutiert, sondern lustige Abende am Lagerfeuer erlebt, gab er zu Protokoll. „In Bomberjacke und mit Stahlkappenschuhen“, zitiert der Gerichtspräsident aus den Akten.

Anfang 1995 fabrizierte F. H. an einem Computer der Kantonsschule Baden Flugblätter übelster Sorte. Solche Pamphlete hängte er in der Stadt auf und platzierte einige am 17. Februar 1995 bei der Schulanlage und der Asylbewerberunterkunft Nussbaumen.

Dreimal um drei Uhr morgens
Den Worten folgten erschreckende Taten. Am 3. Juli 1995 um 3 Uhr griff H. mit zwei Molotowcocktails das Asylbewerberheim in Nussbaumen an. Im Wohncontainer schliefen 32 Personen. Eine Frau hörte einen Knall und alarmierte einen Mitbewohner, dem es gelang, die Flammen zu ersticken.

Am 23. Februar 1996, um dieselbe Nachtzeit, versuchte der ausgebildete Feuerwehrmann das Durchgangsheim für Asylbewerber in Brugg anzuzünden. Die Benzinflasche zerschellte, ohne Sachschaden anzurichten. Am 26. August 1997, wieder kurz nach 3 Uhr, schlug der Rechtsextremist ein zweites Mal in Nussbaumen zu. Diesmal überraschte er 19 Männer und Frauen im Schlaf. Ein Bewohner konnte das Feuer löschen.

Damals habe er gedacht, „das sei das Richtige“, sagt F. H., „um den linken Sachen etwas entgegenzusetzen“. Die Regierung habe er zum Umdenken bewegen wollen und zeigen, dass das Volk mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden sei. Heute tue es ihm Leid, er entschuldige sich bei den Asylbewerbern, die seinetwegen Todesängste ausstehen mussten. Ein „Seich“ sei das gewesen, er habe seine Lektion gelernt. Es war die Schlusserklärung. In der Hand hielt F. H. einen Spickzettel. Die schönen Worte vermochten das Obergericht nicht zu überzeugen.