Mehrfache Rassendiskriminierung: Deutscher Künstler in St.Gallen für herabwürdigende Onlineposts verurteilt

St. Galler Tagblatt. Er war bis vor eineinhalb Jahren in einem von der Stadt St.Gallen vermieteten Atelier tätig und verbreitete im Internet hasserfülltes, antisemitisches und fremdenfeindliches Gedankengut. Nach einem Proteststurm warf die Stadt den 71-Jährigen aus dem Atelier. Jetzt hat die Justiz den Mann per Strafbefehl verurteilt.

Er setze sich für schöne und erhabene Kunst ein, sagte der Maler und Bildhauer vor mehr als eineinhalb Jahren gegenüber dem «Tagblatt». Auch seien seine Aussagen im Internet aus dem Zusammenhang gerissen worden. Auf Facebook schrieb der heute 71-Jährige daraufhin, man wolle aus ihm einen «Rechten» machen und ihn wegen seiner vermeintlich «arischen Kunst» aus der Stadt St.Gallen verbannen.

Im März 2021 hatte das «Tagblatt» über den Deutschen berichtet. Zu dieser Zeit ist der Mann in einem von der Stadt vermieteten Atelier im Palace-Gebäude tätig. Nach aussen hin sei der 2002 in die Schweiz eingewanderte Deutsche freundlich, zuvorkommend, womöglich etwas verschroben, berichten andere Mieterinnen und Mieter des Hauses am Blumenbergplatz. Doch der Mann habe auch eine dunkle Seite.

Diese haben sie zufällig im Internet entdeckt. Der Künstler äusserte sich dort in der Vergangenheit wiederholt rassistisch, antisemitisch und fremdenfeindlich – in mehreren öffentlich einsehbaren, mittlerweile gelöschten Beiträgen. Beispielsweise auf Facebook, wo die hasserfüllten Botschaften zwischen Bildern von Vernissagen und Blumenfotos erscheinen. Auch auf Telegram lässt der Mann seinem braunen Gedankengut freien Lauf. Er produziere «wahre arische Kunst», schrieb er im März 2016.

Stadtrat reagierte erst zögerlich

Die Mieterinnen und Mieter im Palace-Gebäude sind erschrocken – und reagieren. Elf Mietparteien, insgesamt 17 Personen, unterzeichnen vor zwei Jahren einen Brief, in dem sie die Stadt auffordern, den Mietvertrag mit dem Künstler sofort aufzulösen und rechtliche Schritte zu prüfen.

Doch der zuständige Stadtrat Markus Buschor zögert daraufhin. Nach einer Unterredung mit dem beschuldigten Künstler belässt er es bei einer Ermahnung. Das Mieterkollektiv ist empört und macht den Fall im März 2021 publik. Erst drei Monate und weitere ausfällige Kommentare später kündigt die Stadt das Mietverhältnis mit dem 71-Jährigen. Ausschlaggebend seien aber nicht die Äusserungen, sondern verletzte Mietersorgfaltspflichten gewesen, so der Stadtrat.

Von einer Strafanzeige will Baudirektor Buschor damals jedoch nichts wissen. «Ich sehe keinen Anlass dazu.» Eine juristische Beurteilung sei nicht Aufgabe des Stadtrats, sondern der Staatsanwaltschaft. Diese reagiert denn auch. «Aufgrund der Berichte wurde von Amtes wegen ein Verfahren eröffnet», sagt Beatrice Giger, Mediensprecherin der Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen, im Juni 2021. Denn Verstösse gegen die Rassismusstrafnorm sind ein Offizialdelikt und werden in jedem Fall verfolgt. Auch das Mieterkollektiv geht zur Polizei und zeigt den Mann an.

Rassistische Äusserungen über einen Zeitraum von fünf Jahren dokumentiert

Eineinhalb Jahre nach dem Start des Verfahrens liegt nun das juristische Verdikt vor. Im Strafbefehl, den der deutsche Maler und Bildhauer Mitte Dezember per Post erhalten hat, listet die Staatsanwaltschaft auf zehn Seiten seine verbalen Entgleisungen auf. Es sind unappetitliche Sätze, die in keiner Weise «künstlerischer Schönheit» entsprechen.

Der 71-Jährige schreibt im Juni 2016 abschätzig über das Konterfei einer schwarzen Frau an der Fassade der Offenen Kirche am Unteren Graben, über «herumlungernde» Migranten und Geflüchtete. Der Beschuldigte habe gewisse Personengruppen «mehrfach bewusst und willentlich herabgesetzt» und die «Überlegenheit der weissen Rasse» betont und behauptet, schreibt die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl.

Auch leugnet und verharmlost der Deutsche den Holocaust mehrfach, beispielsweise als «durch und durch kitschigen, vierteiligen Hollywood-Spielfilm, gedreht von einem drittklassigen, miesen Regisseur». Dazu kommen zahlreiche antisemitische Bemerkungen und krude Gedanken zu «vergifteten Äpfeln», Illuminaten, Freimaurern und «satanischen Tricks der Regierenden». Er fabuliert über «Rotkäppchen und den bösen Wolf», neidige Königinnen, dunkle Mächte, den Vatikan und das «übermächtige» deutsche Volk. «Wir sind die einzigen, die nach dem Vorbild der Götter geschaffen wurden, ein Menschenexperiment unter vielen, die ‹in die Hose gegangen sind›.»

Online schreibt der Mann nicht mit seinem richtigen Namen, sondern jeweils mit Pseudonymen. Auch in einem Blog äussert er sich wiederholt und unverhohlen rassistisch – für jedermann einsehbar. Mittlerweile ist die Website auf privat gestellt worden. Die St.Galler Staatsanwaltschaft hat rassistische Äusserungen dokumentiert, die der Mann über einen Zeitraum von fünf Jahren gemacht hat.

Schlusspunkt sind zwei Beiträge im März 2021: Im einen bezeichnet er die Berichterstattung als «Pogrom» an ihm, weil er ein intellektueller Deutscher sei. Im zweiten Post leitet der 71-Jährige eine Nachricht des rechtsextremen Kochbuchautors Attila Hildmann in einem Telegram-Chat weiter. Der Berliner Hildmann wird wegen der Volksverhetzung per internationalem Haftbefehl von den deutschen Behörden gesucht – lebt aber aktuell unbehelligt in der Türkei.

Zu bedingter Geldstrafe verurteilt

Artikel 261 im Schweizer Strafgesetzbuch, der öffentliche Aufrufe zu rassistischem Hass und Diskriminierung seit 1995 in der Schweiz verbietet, sieht Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor. Der 71-jährige Künstler wird denn auch der mehrfachen Rassendiskriminierung schuldig gesprochen. Die Staatsanwaltschaft verurteilt den Künstler zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 40 Franken. Der Vollzug der Geldstrafe wird allerdings aufgeschoben. Lässt sich der Mann innerhalb der Probezeit von zwei Jahren keine neuen Verfehlungen zuschulden, muss er die Geldstrafe nicht bezahlen.

Berappen muss der nicht vorbestrafte deutsche Staatsbürger jedoch die Verfahrenskosten. Die Gebühren und Polizeikosten belaufen sich auf insgesamt 846.80 Franken. Der Strafbefehl ist noch nicht rechtskräftig. Es gilt die Unschuldsvermutung.