Liechtenstein bekämpft Rechtsradikale

St. Galler Tagblatt vom 04.03.2011

Liechtenstein hat eine rund 40köpfige, aber aktive rechtsextreme Szene. Sie wird im Sinne eines Monitorings beobachtet, um eine Gesamtschau des Rechtsextremismus zu erhalten.

Günther Meier

Kurz bevor in Nendeln die türkische Imbissbude «Abra Kebabra» eröffnet werden sollte, schlugen Unbekannte am 26. Februar 2010 die Fensterscheiben ein und warfen Molotowcocktails in das Gebäude. Dies war bereits der dritte Brandanschlag in der Umgebung von Nendeln. Innenminister Hugo Quaderer erarbeitete einen Massnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus, der die Dokumentation der rechtsextremen Szene, die Sensibilisierung der Bevölkerung gegen Gewalt und Rechtsextremismus sowie polizeiliches Einschreiten und Prävention in Schulen, Jugendzentren und Jugendorganisationen umfasste.

Ein Jugendlicher, drei Anschläge

Zumindest den repressiven Massnahmen war innerhalb eines Jahres bereits Erfolg beschieden. Ein Jugendlicher aus der rechtsextremen Szene wurde kurze Zeit nach dem Brandanschlag auf die Kebab-Bude verhaftet. Ihm konnten auch die zwei anderen Anschläge nachgewiesen werden, worauf ihn das Gericht zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilte. Auch die Urteile gegen gewalttätige Schweizer sind im vergangenen Herbst rechtskräftig geworden (siehe Kasten). «Wir beobachten extremistische Entwicklungen in Liechtenstein sehr genau und reagieren auf rechtsextremistische Erscheinungen sehr sensibel», sagt Innenminister Hugo Quaderer.

Neben der Sensibilisierungskampagne der Bevölkerung hat der Innenminister die Erarbeitung eines jährlichen «Monitoringsberichts» veranlasst, der in den nächsten fünf Jahren erscheinen soll. Das unabhängige Liechtenstein-Institut wurde von der Regierung beauftragt, eine kontinuierliche Beobachtung und Dokumentation der rechten Szene sowie rechtsextremer Ereignisse, Vorkommnisse und Tendenzen in Liechtenstein vorzunehmen.

Internationale Aufmerksamkeit

Hakenkreuze an öffentlichen Sitzplätzen, auf Briefkästen ausländischer Bewohner, Flugblätter mit Aufrufen, die eine rechtsradikale Gesinnung offenbaren. Der erste Monitoring-Bericht für die Jahre 2009/2010 zeige, dass es in Liechtenstein eine aktive rechte Szene gebe, die auch international Aufmerksamkeit errege, erklärte Autor Wilfried Marxer am Mittwoch.

Die Landespolizei geht von einem «harten Kern» der rechtsextremen Szene von 30 bis 40 Mitgliedern aus, die den Behörden namentlich bekannt sind. Der Kreis der Sympathisanten ist nach Angaben der Polizei schwer einzuschätzen, dürfte aber ein Mehrfaches der Kerngruppe betragen.

Rechtsextreme vor Gericht

Die liechtensteinische Regierung geht konsequent gegen Rechtsextreme und die rechtsradikale Szene vor. Die Gerichte hatten sich 2010 mehrfach mit Rechtsextremismus zu befassen, wie der Monitoringbericht dokumentiert.

Im Februar 2010 wurde vor dem Schöffengericht der Fall des rechtsradikalen Club-Lokals «Amalek-Liechtenstein» verhandelt, das schon 2007 verboten worden war. Alle Angeklagten wurden zu Haftstrafen verurteilt, der Anführer mit einer unbedingten Haft von sieben Monaten.

Am 17. Februar 2010 wurden die Urteile gegen zwei Täter im Oktoberfest-Prozess verkündet. Zwei Schweizer, die in die Massenschlägerei 2008 verwickelt waren, wurden zu bedingten Freiheitsstrafen und unbedingten Geldstrafen verurteilt.

Am 11. Juni 2010 fand ein Prozess gegen einen angeklagten Schweizer statt, der auf einer öffentlich zugänglichen Internet-Seite zu Hass und Diskriminierung gegen Personen mit schwarzer Hautfarbe, geistig Behinderte und Angehörige der slawischen Ethnie aufgehetzt hatte. Der Angeklagte wurde zu einer bedingten einjährigen Haftstrafe verurteilt.

Zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft wurde ein 22jähriger Liechtensteiner am 5. Oktober 2010 verurteilt, der Brandanschläge auf eine Kebab-Bude und zwei weitere Häuser verübt hatte.