Exportschlager SVP

Neue Zürcher Zeitung vom 28.01.2011

Die Erfolge der SVP an der Urne lassen im Ausland aufhorchen. Was bedeutet das für eine Partei, die internationalen Kontakten gegenüber skeptisch ist? Von Luzi Bernet

Luzi Bernet

Seit den Abstimmungen über das Minarettverbot und die Ausschaffung krimineller Ausländer findet die SVP international immer mehr Beachtung und Respekt. Besonders lobend hat sich kürzlich die neue Chefin des französischen Front National (FN), Marine Le Pen, über die Politik der SVP ausgesprochen. «Wir führen unbestreitbar den gleichen Kampf gegen Globalisierung und Islamisierung, die beiden neuen Totalitarismen unseres Jahrhunderts», hielt die Tochter des früheren FN-Chefs in der «Tribune de Genève» fest und ergänzte: «Wir waren die einzige politische Bewegung in Frankreich, welche die SVP in der Minarett-Angelegenheit unterstützt hat. Ebenso sehr haben wir uns gefreut über den Erdrutschsieg der SVP bei der Ausschaffungsinitiative.» Bewunderer und Nachahmer findet die Volkspartei auch an anderen Orten. In Österreich etwa haben sich im letzten Jahr die steirischen Rechtspopulisten die Dienste Alexander Segerts gesichert, des für seine harte Politik-Ikonographie bekannten SVP-Werbers. Und das Bündnis Zukunft Österreich fordert nach dem Vorbild der Ausschaffungsinitiative ein Gesetz zur Ausweisung straffällig gewordener Zuwanderer.

Zurückhaltender Blocher

Die SVP und ihre Politik als neuer Exportschlager der Schweiz? Bisher hat die Partei von internationalen Kontakten wenig wissen wollen. Christoph Blocher jedenfalls hat sich in der Vergangenheit nie von rechtspopulistischen Parteien in Europa vereinnahmen lassen, obschon es an Gelegenheiten kaum gemangelt hätte. Politiker vom Schlage eines Jörg Haider hat er ziemlich konsequent von sich ferngehalten; wenn schon, liess er sich politisch lieber in die Nähe von Franz Josef Strauss, Ronald Reagan oder Margaret Thatcher rücken. Das entsprach neben innerer Überzeugung auch innenpolitischem Kalkül. Wer Blocher wählte, musste sich nicht in die rechtsextreme Le-Pen- oder Haider-Ecke gedrängt fühlen. Die Minarett-Initiative kam notabene auch nicht aus seiner Küche.

Blochers Zöglinge freilich haben weniger Berührungsängste oder können den Verlockungen weniger gut widerstehen. Der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger betont unverhohlen die politische Nähe seiner Partei zu Marine Le Pens Bewegung. Freysinger war es auch, der kürzlich an einem umstrittenen Anti-Islam-Treffen in Paris die «Religion des Multikulturalismus» brandmarkte.

Diese neue Art der Kontaktnahme über die Landesgrenzen hinweg hat auch damit zu tun, dass sich die rechtspopulistischen Parteien in Europa heutzutage ein etwas freundlicheres Antlitz geben. Der neue Front National von Marine Le Pen kommt weit weniger grimmig daher als derjenige ihres Vaters.

Auf den ersten Blick könnte ein Schulterschluss für beide Seiten nützlich sein. Wer heutzutage SVP wählt, kann auf ähnliche Strömungen und Stimmungen im benachbarten Ausland verweisen. Der Aufstand «des Volkes» gegen ein oft ungeschickt agierendes Establishment ist derzeit überall populär. Die SVP profitiert vom zeitgeistigen Konservativismus in Europa, den sie mit ihrem elektoralen Erfolg selber befeuert. Und die rechten Parteien im Ausland wiederum können auf die bodenständige Schweizerische Volkspartei verweisen und auf diese Weise ihre Salonfähigkeit beweisen. So schliesst sich der Kreis.

Gegenmodell zur EU

Der Sympathiebonus für die Schweiz geht indessen weit über das rechte Spektrum hinaus. In Deutschland entdeckt man, inspiriert zuletzt durch das kontroverse Stuttgarter Bahnhofprojekt, die Vorzüge der direkten Demokratie à la Suisse. Als «wertvolles politisches und kulturelles Gegenmodell» zum EU-Zentralismus wiederum lobte in der jüngsten «NZZ am Sonntag» die bekannte deutsche Wirtschaftspublizistin Karen Horn die Schweiz.

Die Schweiz als Widerstandsnest? Als gallisches Dorf in Europa? Soll man darob glücklich sein? Die Antwort fällt zwiespältig aus. Wenn das ausländische Lob zum besseren Verständnis für Schweizer Positionen in internationalen Verhandlungen beiträgt, kann man dagegen nichts einwenden. Wenn man daraus hierzulande aber eine Mission ableitet oder eine politische Strategie, ist Vorsicht angebracht. Denn oft liegen dem Lob völlig falsche Vorstellungen zugrunde. Wenn die direkte Demokratie als vorbildliches Modell gerühmt wird, dann oft nur aus dem einfachen Grund, weil es irgendwo ein missliebiges Projekt zu verhindern gilt. Und wenn vom «kulturellen Gegenmodell» die Rede ist, dann sind solche Einschätzungen jeweils mit einer guten Portion politischer Romantik oder mangelnder Kenntnis der Sachlage verbunden.

Der zeitgeistige Wind kann sehr rasch wieder drehen. Und aus der lobenswerten, bürgernahen Demokratie mit unverbrüchlichen christlich-abendländischen Grundwerten wird wieder ein Hort von Bremsern, Verhinderern und Egoisten, welche ausserdem Steuerflüchtlinge verhätscheln. Beides sind letztlich Zerrbilder, die wenig hilfreich sind.