«Arische Ritter» morden im Berner Oberland

Der Bund vom 25.05.2012

Im Innern eines Neonazi-Ordens: Der Krimi «Weissenau» basiert auf einem wahren Fall, der 2001 schweizweit für Entsetzen sorgte.

Alexander Sury

Von einem deutschen Gesinnungsgenossen erhält der junge Adolf Imobstgarten, Sohn von Freikirchlern und Waffennarr, ein Büchlein mit dem Titel «Grosse europäische Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts». Im Kapitel über die Schweiz wird James Schwarzenbach lobend erwähnt und Traugott Frank als Lichtgestalt der helvetischen Politik gerühmt. Die Lektüre des rechtsextremen Traktats bringt Imobstgarten auf eine Idee: Er gründet zwecks Verteidigung der bedrohten Heimat mit einer Handvoll Verschworenen den Geheimbund «Ritter Morgenstern». Die «Ordensbrüder» feuern mit Sturmgewehren auf eine Asylunterkunft, überfallen einen dunkelhäutigen Käser und exekutieren schliesslich auf der Burgruine Weissenau einen «Verräter» aus den eigenen Reihen; den Leichnam werfen sie über eine 80 Meter hohe Felswand in den Thunersee. Der aufrechte Polizist Beat Lauber kann die ins Ausland geflüchteten Täter aufstöbern, muss sich auf dem Weg zur Lösung des Falls aber auch mit dumpf-rassistischen Berufskollegen herumschlagen, die seine Ermittlungen zu sabotieren versuchen und unverhohlen Sympathien mit den Neonazis bekunden.

Der 70-jährige Peter Beutler aus Leissigen, ein pensionierter Gymnasiallehrer, hat in seinem dichten und von grossem Engagement zeugenden belletristischen Erstling den seinerzeit die Schweiz schockierenden Fall «Marcel A.» aus dem Jahr 2001 verarbeitet. Mitglieder des Geheimbundes «Orden der arischen Ritter» ermordeten ein 19-jähriges Mitglied, das aussteigen wollte. Beutler versteht seinen Kriminalroman auch als Denkanstoss, um über den ideologischen Nährboden für eine solche Gewalttat nachzudenken. Die geistigen Brandstifter will der Autor nicht auf rechtsextreme Zirkel beschränkt sehen, vielmehr zielt er auf die staatstragende «Rütlipartei» mit ihrem charismatischen Führer Traugott Frank alias Christoph Blocher. Mit der systematisch betriebenen fremdenfeindlichen Propaganda, so ist Beutler überzeugt, habe eine verhängnisvolle Radikalisierung in der Schweizer Politik eingesetzt. Und so konstatiert Fahnder Lauber nach der Verurteilung der Täter zerknirscht, dass die eigentlich Schuldigen unbehelligt bleiben und «ihre Hände in Unschuld waschen».

 

Peter Beutler: Weissenau. Emons-Verlag, 272 Seiten, 16.50 Fr.