«Kündigung ist sachlich begründet»

Aargauer Zeitung

Interview Departementssekretär Hans Peter Fricker über Freistellung eines Pnos-Mitgliedes

Wie begründet der Kanton die Kündigung für das Pnos-Mitglied X.Y. (Name der Redaktion bekannt), das diese Woche im Aargauer Strassenverkehrsamt per sofort freigestellt worden ist? Ein Gespräch mit Hans Peter Fricker, Generalsekretär des Departementes Volkswirtschaft und Inneres.

Balz Bruder Herr Fricker, der Regierungsrat hat einem Mitarbeiter des Strassenverkehrsamtes, der aktives Mitglied der Pnos ist, gekündigt. Aus welchen Gründen und auf welcher rechtlichen Grundlage?

Hans Peter Fricker: Die aktive Mitgliedschaft in einer extremistischen Organisation, welche durch ihr Programm und ihre Aktionen den demokratischen Rechtsstaat infrage stellt, ist mit einer Tätigkeit beim Kanton nicht vereinbar. Die Kündigung ist gestützt auf Paragraf 10 des Personalgesetzes erfolgt, wonach der Kanton bei sachlich zureichenden Gründen das Arbeitsverhältnis auflösen kann.

Der Druck auf die Politik und den Kanton als Arbeitgeber scheint in den letzten Tagen und Wochen gross gewesen zu sein. Blieb dem Kanton gar nichts anderes übrig, als dem Pnos-Aktivisten zu kündigen?

Fricker: Die Kündigung ist nach einer gründlichen Beurteilung aus sachlichen Überlegungen erfolgt und nicht unter Druck von Politik oder Medien.

Aber es stimmt, dass der Kanton von dritter Seite auf die politischen Aktivitäten des Mitarbeiters aufmerksam gemacht wurde und selber keinen Handlungsbedarf sah.

Fricker: Wir haben die Informationen erhalten, bevor die Medien aktiv wurden. Wir haben umgehend die notwendigen Abklärungen in die Wege geleitet. Wir haben die Kündigung nicht früher ausgesprochen, weil wir dem Mitarbeiter Gelegenheit gegeben haben, sich von der Organisation zu distanzieren.

Ganz grundsätzlich: Wo liegen die Grenzen des Tolerierbaren bei politischen Aktivitäten von Staatsangestellten? Die Pnos ist zwar eine rechtsextreme Gruppierung, aber keine verbotene Partei. Und einige ihrer Mitglieder sitzen gar als gewählte Behördenvertreter in Gemeindegremien.

Fricker: Die Pnos ist eine rechtsextreme Gruppierung, die wichtige Grundwerte des demokratischen Rechtsstaats ablehnt. Ihre Exponenten gehen bei ihren Auftritten vielfach noch über das hinaus, was im offiziellen Programm steht, namentlich im rassis-tischen Bereich und bezüglich Gewaltanwendung. Sie geraten dadurch in Konflikt mit der Justiz. Ein Verbot der Organisation wurde schon diskutiert, aber bisher nicht vorgenommen. Die Mitgliedschaft in einer solchen extremen Organisation ist mit einer Anstellung beim Kanton, dessen Grundwerte sie bekämpft, nicht vereinbar.

Der betreffende Mitarbeiter ist offenbar nicht am Arbeitsplatz als Pnos-Aktivist in Erscheinung getreten, sondern in seiner Freizeit. Spielt das eine Rolle?

Fricker: Wenn er auch am Arbeitsplatz nachweislich aktiv gewesen wäre, wäre der Entscheid, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, noch klarer und eindeutiger gewesen.

Der gekündigte Mitarbeiter will die Kündigung offenbar anfechten. Wie zuversichtlich sind Sie, dass der Kanton auf der sicheren Seite ist? Die Pnos behauptet, es müsse auch dann möglich sein, sich politisch zu engagieren, wenn der Arbeitgeber nicht dieselbe Weltanschauung vertrete. Eine Kündigung wegen einer Parteimitgliedschaft sei nach schweizerischem Gesetz demnach miss bräuchlich.

Fricker: Wir sind der Auffassung, dass die Kündigung im Sinne des Personalgesetzes sachlich begründet ist. Selbstverständlich dürfen die Mitarbeitenden des Kantons unterschiedliche politische Auffassungen vertreten und sich auch entsprechend politisch engagieren. Im vorliegenden Fall einer aktiven Mitgliedschaft in der rechtsextremen Pnos sind nach unserer Beurteilung jedoch die Grenzen überschritten, weil die von der Organisation vertretenen Positionen und die angewandten Mittel mindestens teilweise in diametralem Widerspruch zum Kanton als Arbeitgeber stehen.

Hinter der Kündigung des Pnos-Mitarbeiters stecke Departementsvorsteher Kurt Wernli, der offensichtlich den ideologischen Keim seiner Partei noch nicht vergessen habe und sich nicht zu schade sei, «kommunistische Repressionsmethoden aus der Vergangenheit auch in der Gegenwart anzuwenden». Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Fricker: Dieser Vorwurf ist völlig haltlos.

Regierungsrat Wernli hat Ende Januar an der Jahrespressekonferenz der Kantonspolizei öffentlich angekündigt, der Aargau wolle verstärkt gegen den Rechtsextremismus vorgehen. Ist die Kündigung letztlich auch unter diesem Aspekt zu sehen? Oder reden wir da von einem isolierten Einzelfall?

Fricker: Es handelt sich um einen Einzelfall. Der zeitliche Zusammenhang mit den im Januar bekannt gemachten Beschlüssen des Regierungsrats ist zufällig. Vor einem Jahr hätten wir gleich entschieden. Die Beschlüsse des Regierungsrats betreffen zudem alle Formen des Extremismus.

Gab oder gibt es weitere Fälle, in denen der Kanton aufgrund von politischen Aktivitäten seiner Mitarbeitenden eingegriffen hat?

Fricker: Wir hatten in unserem Departement vor drei Jahren einen anderen Mitarbeiter, der ebenfalls in einer extremistischen Organisation tätig war. Er hat sich jedoch schriftlich verpflichtet, die entsprechenden Aktivitäten aufzugeben, was er auch getan hat. Es bestand deshalb kein Anlass, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu prüfen. Weitere Fälle sind mir nicht bekannt.

Sehen Sie nach der jüngsten Kündigung weiteren Handlungsbedarf in der Sensibilisierung der Mitarbeitenden für das, was politisch möglich ist bzw. nicht drinliegt?

Fricker: Es handelt sich um Einzelfälle. Ein weitergehender, genereller Handlungsbedarf ist deshalb nicht gegeben.

«Aktive Mitgliedschaft ist mit einer Tätigkeit beim Kanton nicht vereinbar»

«Beschlüsse des Regierungsrates betreffen alle Formen von Extremismus»

«Mitarbeitende dürfen unterschiedliche politische Auffassungen vertreten»

das personalgesetz

Laut dem Gesetz über die Grundzüge des Personalrechts kann eine Kündigung durch den Kanton nur ausgesprochen werden, «wenn sachlich zureichende Gründe vorliegen». Dabei geht es um organisatorische oder wirtschaftliche Gründe, um mangelnde Eignung für die im Anstellungsvertrag vereinbarte Arbeit, um Mängel in der Leistung oder im Verhalten, um mangelnde Bereitschaft während oder nach der Bewährungszeit, die im Anstellungsvertrag vereinbarte Arbeit oder eine zumutbare andere Arbeit zu verrichten. Vorbehalten bleiben zudem die verfassungsrechtlichen Grundsätze, namentlich das Verbot der Willkür, das Gebot von Treu und Glauben und der Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung.

Kommentar

Stochern im dichten Nebel

Bei allem Respekt davor, dass es der Staat nicht tolerieren kann, wenn sich in den Reihen seiner Mitarbeitenden Mitglieder rechtsextremer Organisationen tummeln: Dass der Aargau einem aktiven Pnos-Mitglied den blauen Brief geschickt hat, lässt aufhorchen. Es ist nämlich nicht so, dass der betreffende Mitarbeiter des Strassenverkehrsamtes seinen Job nicht erfüllt hätte, weil er politisch Ansichten vertritt, die sich mit dem freiheitlichen Rechtsstaat nicht vertragen. Und es ist auch nicht so, dass der Angestellte an seinem Arbeitsplatz als rechtsextremer Agitator aufgefallen wäre. So nachvollziehbar die Kündigung a prima vista gleichwohl erscheinen mag: Rechtlich wird sie einen schweren Stand haben. Denn gut gemeinte Gesinnungsethik und modernes Personalrecht vertragen sich schlecht im grundrechtlich konditionierten Rechtsstaat. Es kann und darf nicht sein, dass Mitarbeitende des Kantons, die einen guten Job machen, vor die Tür gesetzt werden, weil sie Gedanken im Kopf haben, die möglicherweise ausserhalb von demokratischen oder rechtsstaatlichen Mehrheitsüberzeugungen liegen. Wenn der Staat Aargau trotzdem richtig gehandelt hat, indem er dem Pnos-Mitglied die Rote Karte gezeigt hat, dann deshalb, weil es sich beim rechtsextremen Politaktivisten nicht um einen harmlosen Mitläufer, sondern um einen führenden Kopf handelt, der in die üble Kategorie geistiger Brunnenvergifter gehört, die beim Staat als Arbeitnehmer nichts verloren haben. Warum der Kanton nicht schon bei der Einstellung hellhörig geworden ist, gibt deshalb schon etwas zu denken.