«Jürg Scherrer, ça suffit!»

BernerZeitung

Volle Tribünen im Bieler Stadtrat: Gut 200 Jugendliche forderten nach einer Demonstration Scherrers Rücktritt.

Rémy Kappeler

Der neue Stadtratspräsident Martin Wiederkehr (SP) hatte an seiner ersten Sitzung gestern Abend keine Schonfrist: Nach der einstündigen Pause, in welcher auf dem Zentralplatz für ein «weltoffenes und tolerantes Biel» demonstriert wurde, drängten sich rund 200 linke Jugendliche lautstark auf die Zuschauertribünen. Mit Plakaten und Sprechreimen forderten sie Polizeidirektor Jürg Scherrer (Freiheits-Partei) zum Rücktritt aus dem Gemeinderat auf. Dieser hatte die Gaskammern der Nazis als «Detail der Geschichte» bezeichnet.Nur mit Mühe konnte Wiederkehr die Zuschauer und auch die Rechtsaussenpolitiker beruhigen. Samuel Grünenwald (Union démocratique fédéral) stellte nämlich den Antrag, die Sitzung abzubrechen, was aber abgelehnt wurde. Stadtpräsident Hans Stöckli (SP) beantragte dann, nur die Geschäfte des Polizeidirektors zu verschieben. Der Vorschlag fand schliesslich die Mehrheit und der Ratsbetrieb seine gewohnte Ruhe zurück. Sogar die bürgerlichen Politiker nahmen die immer seltener werdenden Zwischenrufe etwas gelassener. Und nach gut einer halben Stunde verliessen die meisten Jugendlichen lautstark die Tribünen.

Scherrer zog sich zurück

Jürg Scherrer gab sich durch die Proteste gegen seine Person unberührt. «Seit ich im Gemeinderat bin, gelte ich in Biel als Persona non grata. Aber ich kann damit umgehen», so Scherrer. Während der Demonstration zog er sich mit seiner Fraktion in eine Beiz zurück. Dem zweiten Teil der Stadtratssitzung blieb er nach den Protesten fern.An der Demonstration wurde von den meisten Rednern die Demission Scherrers gefordert. Nach Schätzungen der Organisatoren und der Polizei beteiligten sich rund 400 Personen.

«Das Wort missbraucht»

«Um in der Stadtregierung zu sitzen, braucht es etwas mehr, als mündig zu sein und unterschreiben zu können», sagte etwa der freisinnige Nationalrat Marc Suter. Und der Schriftsteller Jörg Steiner forderte Scherrer auf, «die Macht zurückzugeben, die er gebraucht hat, um seine persönliche Gesinnung durchzusetzen». Mit Léon Reich kam auch ein Holocaustüberlebender zu Wort: «Das Wort ist die schrecklichste Waffe der Welt. Und Jürg Scherrer hat sie missbraucht.»