Jung, rechts, extrem

Studie Vier Prozent der Schweizer sind rechtsextrem – die meisten davon sind Jugendliche und junge Erwachsene.

Rechtsextremismus hat in der Schweiz ein Potenzial von vier Prozent der Bevölkerung. Zu diesem Schluss kommt ein Nationales Forschungsprogramm (NFP). Die Ergebnisse des 2003 mit 4 Millionen Franken gestarteten NFP «Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen» wurden gestern in Bern präsentiert. Eine sachliche Auseinandersetzung sei schwierig: Rechtsextremismus werde entweder ignoriert oder aufgebauscht, sagte der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli.

Rechtsextreme Jugendgewalt und rechtsradikale politische Strömungen stellten allerdings für die Existenz des demokratischen Rechtsstaates keine Bedrohung dar, sagte Niggli. Sie dienten zur individuellen Abgrenzung in einer Übergangsphase im Prozess der Sozialisation.

In den 13 Forschungsprojekten wird festgestellt, dass das Bedürfnis nach nationaler Identität und das Bedürfnis nach der Abwehr des Fremden «beunruhigend» auseinanderdriften. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung sei fremdenfeindlich und rassistisch eingestellt.

50 Prozent fremdenfeindlich

Eine Studie ergab, dass 20 Prozent der Bevölkerung antisemitisch sind, über 50 Prozent vor Fremden und 30 Prozent vor dem Islam Angst haben und dass rund 40 Prozent sexistisch denken. 10 Prozent befragter Schülerinnen und Schüler gaben an, mit rechtsextremer Gewalt in Berührung gekommen zu sein.

Die rechtsextreme Szene sei sehr heterogen, hält eine weitere Studie fest. Es gebe politisch ambitionierte Cliquen, patriotisch- nationalistische Gruppen und hochorganisierte Kameradschaften. Allen Formen gemeinsam sei die Pflicht zu Solidarität, Ehre und Loyalität.

Clubfans statt Hooligans

Eine Studie untersucht die Rekrutierung militanter Fussballfans. Seit 1990 sei die Präsenz von Jugendlichen mit rassistischen und rechtsextremen Haltungen zurückgegangen. Heute dominierten die «Ultras» von an sich sozial integrierten jugendlichen Clubfans die Szene und nicht mehr die gewaltbereiten Hooligans. Aufgrund einer repräsentativen Umfrage bei 3000 Personen bezifferte der Genfer Soziologieprofessor Sandro Cattacin das rechtsextremistische Potenzial auf rund 4 Prozent, das linksextreme auf 2 Prozent. Diese Werte entsprächen Umfrageergebnissen in Deutschland.

Das NFP hat auch die Entstehungsbedingungen des Rechtsextremismus untersucht. Dazu gehöre der Rechtspopulismus, der in der Schweiz eine lange Tradition habe und seit den 60er-Jahren im internationalen Vergleich eine «Pionierrolle» einnehme. Je grösser der Rechtspopulismus sei, desto mehr Aufmerksamkeit fänden rechtsextreme Akteure.

Extreme politische Positionen würden in einem Mediensystem, welches das Spektakuläre honoriere und beim Thema Rechtsextremismus zum Übertreiben und Moralisieren neige, besonders beachtet, schreiben die Forschenden. Dies erschwere die sachliche Diskussion und die Umsetzung möglicher Abhilfen.

Schwierige Prävention

Prävention sei schwierig, halten die Forschenden fest. Auf Gemeindeebene entfalte der Schulterschluss von Politik, Polizei, Schule, Jugendarbeit, Kirchen und Vereinen eine vorbeugende Wirkung. Der Bundesrat hat ein Monitoring zu Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus beschlossen, das Cattacin leiten wird.