Hinrichtung auf dem «Hitlerplatz»

Zürcher Unterländer: Bachs Morgen vor genau 70 Jahren wurden in einem Waldstück bei Bachs zwei Schweizer wegen Landes­verrates erschossen. Auf dem «Hitlerplatz» erinnert heute ein Mahnmal an den Spionagefall aus dem Zweiten Weltkrieg.

Kaum etwas erinnert in dem beschaulichen Waldstück im Eggwald in der Nähe von Bachs mehr daran, wie gegenwärtig der Weltkrieg damals auch hierzulande war – wäre da nicht die kleine Gedenktafel an einem Stein befestigt. Das schaurige Mahnmal vergegenwärtigt, dass in der Waldlichtung am 7. Dezember 1944 aufgrund der militärgerichtlichen Urteile und der Ablehnung der Begnadigungsgesuche zwei Landesverräter erschossen worden sind. «Durch organisierte Spionage haben sie der militärischen Landesverteidigung hohen Schaden zugefügt und viele Menschen zusätzlich in Gefahr gebracht. Der Vollzug der Urteile bezeugt die Entschlossenheit von Volk und Armee im Zweiten Weltkrieg, die Unabhängigkeit unseres Landes gegen jede Bedrohung zu bewahren», hält die Tafel weiter fest. Aufgrund dieser Hinrichtung hiess die Waldlichtung, die sich rund 800 Meter südwestlich von Bachs befindet, im Volksmund fortan «Hitlerplatz».

Professor auf Spurensuche

Lange war das Ereignis fast vergessen, bis eines Tages der emeritierte Professor für allgemeine Geschichte und schweizerische Militärgeschichte an der ETH und Universität Zürich Walter Schaufelberger sich auf Spurensuche begab. Der erst kürzlich verstorbene Neeracher stiess einst per Zufall bei einem Spaziergang mit seinem Hund im Eggwald auf den Platz mit dem unheilvollen Namen. Dieser weckte gleich sein Interesse. Bei der Recherche in den Landesverräterakten im Berner Bundesarchiv wurde Schaufelberger nicht nur fündig, er musste auch feststellen, dass er selbst persönlich betroffen war. Denn Schaufelbergers Vater war damals als Auditor im Militärgericht tätig. Dessen Name erschien denn auch in den Akten unter den kommandierenden Offizieren der Militärjustiz. Seine Erkenntnisse hielt Schaufelberger in einem Artikel der NZZ fest.

Der grösste Spionagefall

Bei den Angeklagten handelte es sich um die Chefs eines in Zürich angesiedelten, mehrere Dutzend Personen umfassenden, von Stuttgart aus gelenkten Ringes – «der grössten nachrichtendienstlichen Organisation in der Spionagegeschichte der Schweiz», schrieb Schaufelberger im Artikel. Jahrelang hätten sie für Nazi-Deutschland die Schweiz ausspioniert und Informationen weitergeleitet über militärische Anlagen wie Panzersperren, Bunker, Munitions- und Sprengstofffabriken, die Entwicklung von Waffen und Ausrüstung, Truppenstandorte und Truppenstärken sowie Mobilmachungsplätze. Aber auch Informationen aus der Rüstungsindustrie seien über die Spione nach Stuttgart gelangt.

Schaufelberger ging auch den Biografien der Täter nach. Dabei fand der diverse Parallelen. Im Artikel heisst es: «Beide wurden 1897 in mittelständischen Verhältnissen geboren. Beide erhielten eine angemessene Schulbildung. Beide brachten es beruflich auf keinen grünen Zweig, kamen bald einmal wegen Betrügereien mit den Gesetzen in Konflikt und gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie erhofften sich, dass sie sich und ihre Familien dank deutscher materieller Unterstützung aus der Misere des Alltags befreien könnten.»

Gescheiterte Existenzen

Der eine Angeklagte, Walter L., ist als Sohn eines Posthalters, Landwirtes und Gemeindepräsidenten im Berner Seeland auf die Welt gekommen. Nachdem er sein Studium zum Notar an der Universität abgebrochen hatte, versuchte er sich erfolglos als Kaufmann und landete schliesslich beim Fürsorgehilfsdienst. Ursprünglich ein Mitglied der FDP, ist er zunehmend ins rechtsextreme Fahrwasser geraten. Der andere, Hermann G., kam in einer Auslandschweizerfamilie in Süddeutschland in einem Restaurationsbetrieb zur Welt und bildete sich zum Zahntechniker aus. Da er als Schweizer Bürger nicht zum Kriegsdienst in deutschen Regimentern zugelassen wurde, besuchte er in der Schweiz die Rekrutenschule, wo er aber bald Bekanntschaft mit der Strafjustiz machte.

Beruflich gescheitert, bezog auch er während mehrerer Jahre Fürsorgegelder. Nach Zugehörigkeit zur Nationalen Front trat er, angeblich aus Tarngründen, der SP bei. Er leistete bei mehreren Verbänden Militärdienst. Hermann G. erlernte in einem mehrwöchigen «Funkkurs» in Stuttgart das Spionagehandwerk und erhielt für seine Spionagetätigkeit ein monatliches Gehalt. Im Gegensatz zu ihm verzichtete Walter L. auf einen Anstellungsvertrag bei deutschen Auftraggebern, begnügte sich mit einem geringen Honorar und den Versprechen lukrativer Grossaufträge nach der Machtübernahme.

Beide Todesurteile wurden einstimmig gefällt. Die Begnadigungsgesuche wurden durch die Vereinigte Bundesversammlung am 7. Dezember 1944 abgelehnt. Am gleichen Abend wurden die beiden Angeklagten von einem 40-köpfigen Exekutionskommando im Eggwald hingerichtet.

Der Wille zur Freiheit

In seinem Artikel kommt Schaufelberger zum Schluss, dass das dramatische Ereignis im Eggwald zum einen beweise, wie akut damals die Bedrohung durch die deutsche Militärspionage war. Das Ereignis bezeuge aber auch «den festen Willen des Volkes und der Armee, die Freiheit und Unabhängigkeit der Schweiz mit allen Mitteln und bis zur letzten Konsequenz zu verteidigen».

Caroline Bossert