«Harus»-Rufe an «Friedens»-Demo: Warum das problematisch ist

Watson. Samstag, 11. März 2023, auf dem Bundesplatz in Bern. Unter dem Label «Friedensdemonstration» versammeln sich 2000 bis 3000 Menschen. Gefordert werden die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, eine Rückkehr zur absoluten Neutralität der Schweiz und «Verhandlungen statt Panzern und Diplomatie statt Sanktionen».

Zur Demonstration aufgerufen hatte die Vereinigung «Massvoll». Gekommen waren unter anderem auch die sogenannten Freiheitstrychler. Eine kurze Videoaufnahme zeigt ihren Einmarsch auf den Bundesplatz und auch, wie Mitglieder der Truppe im Chor Parolen skandieren. Beendet wird das Ganze – allerdings deutlich weniger polyfon – mit dem Ruf «Harus!». Wer ihn einstimmt, wird aus den Videoaufnahmen nicht ersichtlich.

Mit «Harus!» grüssten die hiesigen faschistischen, antisemitischen und nationalsozialistischen Organisationen in der Schweiz während der 20er-, 30er- und 40er-Jahre.

Die sogenannten Frontisten hatten damals in der Schweiz nicht wenige Anhänger. In verschiedenen Kantonen wurden sie gar in die Kantonsregierung gewählt. Unrühmlicher Höhepunkt war die Ständeratsersatzwahl 1933 im Kanton Schaffhausen, als der Kandidat der Nationalen Front, Parteigründer Rolf Henne, 27 Prozent der Stimmen erhielt. Der damalige «Führer» der Nationalen Front, der Zürcher Rechtsanwalt Robert Tobler, schaffte es von 1935 bis 1939 gar in den Nationalrat.

Ähnlich wie beim deutschen Vorbild, der NSDAP, verfügte auch die Nationale Front in der Schweiz über paramilitärische Zellen, sogenannte «Harste». Diese verübten Sprengstoffanschläge und planten 1934 einen Staatsstreich inklusive des «Abtransports und der Unschädlichmachung» politischer Gegner.

Nach einem Verbot des Bundesrates 1940 verschwanden die zersplitterten Schweizer Front-Gruppierungen, die aus Nazi-Deutschland wenig Unterstützung erhielten, wieder in der Versenkung. Damit verhallte auch der Ausruf «Harus!» – bis die rechtsextreme PNOS (Partei National Orientierter Schweizer) ihn wieder aus der Mottenkiste hervorholte und ihre Parteizeitung danach benannte. Seither geistert er wieder durch die Schweizer Neonaziszene.

Für patriot.ch ist das kein Grund, den Ausdruck zu stigmatisieren. Die Webseite, die das Ziel verfolgt, «das linke Medienmonopol und [sic] Propaganda zu brechen», erklärt in einem Beitrag aus dem Jahr 2018: «In Zeiten, in welchen in ganz Europa – und so auch in der Schweiz – das Bewusstsein zur eigenen Nation erwuchs (18. – 19. Jahrhundert), bedienten sich insbesondere Schweizer Dichter und Schriftsteller dem Ausdruck ‹Harus›.»

Verwiesen wird dabei unter anderem auf ein Gedicht des Schweizer Journalisten Jakob Schaffner. Dass Schaffner ein Nazi-Verehrer war und für die NS-Zeitung «Das Reich» schrieb, verschweigt patriot.ch – so richtig verschleiern will die Webseite die Verbindung des Ausdrucks mit Schweizer Nazis aber nicht: «Alles in allem entwickelte sich Harus zur unverkenntlich schweizerischen Begrifflichkeit, so dass Harus damals von der nationalen Front als offizieller Gruss übernommen wurde.» Und im Einstieg des Beitrags heisst es nicht ohne Stolz: «Von unseren Urvätern übernommen, erlebt in jüngster Zeit der eidgenössische Schlachtruf eine regelrechte Wiedergeburt. Überall dort, wo sich Heimattreue versammeln, kann man seinen kraftvollen Hall vernehmen.»

patriot.ch sowie auch freiheitstrychler.ch sind laut Recherchen des Blick im Besitz des IT-Unternehmers Markus Hilfiker. Hilfiker gilt als enger Vertrauter und rechte Hand von Freiheitstrychler-Gründer Andy Benz.