Gemeinden sehen keine Gefahr durch Nazis

TagesAnzeiger

Bisher sei der Bezirk Horgen von Neonazis und Rassisten verschont geblieben, sagen Gemeindeschreiber und Sicherheitsverantwortliche. Das stimmt nur teilweise.

Von Florian Leu

Bezirk. – Walter Tessarolo meint zu wissen, wer die Horgner Hakenkreuze gesprüht hat. Der Hüttner Sicherheitsvorstand sagt: «Das war ein Trottel mit einer Bildungslücke.» Hütten sei noch nie mit Rechtsextremisten in Berührung gekommen. Sollte es dazu kommen und sollten die Täter gefasst werden, wisse er, was zu tun sei: «Diese Leute müsste man auf eine Reise mitnehmen, ein Konzentrationslager besichtigen und ihnen eine Lektion in Geschichte erteilen.»

Auch in den anderen Gemeinden des Bezirks hätten sich bisher keine nennenswerten Zwischenfälle mit Rechtsextremen oder anderen Rassisten ereignet, sagen Gemeinde- und Stadtschreiber, Sicherheitsverantwortliche und Schulverwalter. «Wir kennen dieses Problem nicht», sagt Rüschlikons stellvertretender Gemeindeschreiber Reto Gabriel, «vielleicht muss man sagen: Wir kennen es noch nicht.»

Werner Habegger ist Ressortleiter für Sicherheit der Stadt Adliswil und sagt, dass es hier noch nie zu Vorfällen mit Rechtsextremen gekommen sei, abgesehen von der diesjährigen 1.-August-Feier, als eine Gruppe von 40 Neonazis durch die Stadt marschierte. Anwohner beobachteten um 22 Uhr einen Fackelumzug, der friedlich verlief – die Polizei griff nicht ein.

Rassismus? Null!

«Hier in Thalwil ist alles ruhig», sagt Heidi Egli, Pressesprecherin der Gemeinde. Oberriedens Gemeindeschreiber Thomas Dischl sagt: «Ich kann keine Keime ausmachen, die man ausrotten müsste.» Dennoch dürfe das Thema nicht ignoriert werden, auch wenn man bisher Glück gehabt habe.

Susi Fröhlich von der Oberriedner Schulverwaltung sagt, man habe im Zusammenhang mit Rechtsextremismus oder Rassismus an den Schulen der Gemeinde nie Schwierigkeiten gehabt. Dies erklärt sie mit dem geringen Ausländeranteil, mit der Beschaulichkeit des Schullebens. «Das sind andere Verhältnisse als jene, die man etwa an der Schule Waldegg in Horgen hat, wo der Ausländeranteil bedeutend höher ist.»

Salvatore Marrocu arbeitet dort als Schulwart. Naziparolen wegzuputzen, sagt er, gehöre nicht zu seinem Alltag. Dennoch habe er schon Hakenkreuze entfernen müssen, doch das sei zehn Jahre her. Mittlerweile sei die Waldegg ein Vorzeigeort geworden, was gelebten Multikulturalismus betreffe. «Rassismus an unserer Schule? Null!», sagt auch Schulleiter Bruno Daneffel.

André Dommann, Leiter der Schulverwaltung Wädenswils, glaubt hingegen, dass sich die Polarisierung zwischen Schweizern und Kindern ausländischer Herkunft akzentuiert habe. Diese Tendenz erscheine ihm hier stärker als etwa am rechten Seeufer oder in Zug, wo Dommann herkommt. Die Grenze zwischen stolzen Bürgern und Nationalisten sei oft fliessend, sagt Dommann. Zahlreiche eher nationalistisch gesinnte Jugendliche seien jedoch leicht erkennbar, weil sie oft Embleme wie die Keltenfahne, den Halbmond oder den Albaner Adler trügen. «Solche Jugendliche bringen wir an einen Tisch», sagt er, «führen Mediationen durch. Das haben wir auch vor der Chilbi gemacht, um Tätlichkeiten so unwahrscheinlich wie möglich zu machen. Mit Erfolg – es ist nichts geschehen.»

Horgens Gemeindeschreiber Jules Busslinger sagt, es habe in Horgen immer wieder Schmierereien gegeben. Der Gemeinderat, sagt Busslinger, wolle jedoch keine Liste veröffentlichen. Dies, so der Gemeinderat, würde die Lage nur zusätzlich anheizen.

Fremdenfeindlichkeit im Bezirk

Gemäss der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) ereigneten sich in den letzten Monaten folgende Zwischenfälle mit Rechtsextremen und Personen, die in der Öffentlichkeit fremdenfeindliche Äusserungen machten:

Im Juli fand in Horgen ein «Grill- und Musikabend» statt, veranstaltet von Rechtsextremen . Die Polizei kontrollierte zwar die Ankommenden, überwachte das Konzert der Bands Sturmpropheten und Eins jedoch nicht auf Widerhandlungen gegen die Rassismusstrafnorm.

Im Dezember letzten Jahres stellte an der Thalwiler Gemeindeversammlung Felix Wäger den Antrag, allen Einbürgerungswilligen aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo den Schweizer Pass zu verweigern. Der Antrag wurde abgelehnt. In einem Leserbrief im «Thalwiler Anzeiger» schrieb er, der Überzeugung zu sein, dass sein Antrag an der Urne durchgekommen wäre. Diejenigen Leute, die zu Hause die Faust im Sack machten, statt an die GV zu gehen, schrieb er, hätten seinem Vorschlag zugestimmt.

Mitte Juli letzten Jahres verurteilte das Bezirksgericht Horgen einen 20-jährigen Schweizer, der aus 50 Meter Entfernung mit seinem Sturmgewehr auf ein Wohnwagencamp von Fahrenden gefeuert hatte. Er erhielt eine Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren.

Ebenfalls im Juli letzten Jahres sagte der Clown Marco Morelli einen Auftritt in Horgen ab und begründete dies so: «Diese Jugokinder, die hier herumlungern – das geht nicht. Ich brauche Schweizer Kinder, die meine Arbeit schätzen.»