Die Bundesräte Calmy-Rey und Blocher dominierten den Nationalfeiertag

Bund

Wettstreit der Symbole

Nach langem Gerangel um die Rütli-Feier hat die Schweiz den Nationalfeiertag weitgehend störungsfrei gefeiert. Ein indirektes Wortgefecht trugen die Regierungsmitglieder Calmy-Rey und Blocher aus.

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey war der viel umjubelte Star der Rütli-Feier, die dank Sponsoren aus der Wirtschaft doch noch zustande kam. Zusammen mit Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi sprach sie den Frauen Mut zu. SP-Frau Calmy-Rey nahm bei ihrem Mehrfach-Auftritt am 1. August aber auch den politischen Gegner ins Visier. Ohne die SVP beim Namen zu nennen, kritisierte sie deren Ausschaffungsinitiative als Versuch, die Ängste und Sorgen der Menschen auszunützen. Und an die Adresse Christoph Blochers richtete sich der Spruch, dessen Aussage von der Einschränkung der Volksrechte durch das Völkerrecht sei etwa so wahr, wie wenn das Ungeheuer von Loch Ness im Urnersee gesichtet würde.

Christoph Blocher hatte seinen Redemarathon bereits am Vorabend des 1. August gestartet und die Sorge um die Eingriffe in die Volksrechte ins Zentrum gestellt. Die heutige Tendenz, die Volksrechte leichtfertig durch so genanntes Völkerrecht zu ersetzen, nehme beängstigend zu, sagte der SVP-Bundesrat und bezeichnete den Kampf gegen «Vögte» als Daueraufgabe.

Blochers Partei- und Regierungskollege Samuel Schmid mokierte sich deshalb, dass nun auch der Nationalfeiertag zum Fernduell einzelner Exponenten hochgeschaukelt werde.

Kaum Störaktionen

Der Nationalfeiertag wurde allenthalben mit Höhenfeuern, Feuerwerk und Volksfesten begangen, begünstigt von Geburtstagswetter, wie man es sich schöner nicht wünschen konnte. Eine versuchte Störaktion von Rechtsextremen, die mit Schlauchbooten zum Rütli fahren wollten, wurde unterbunden. Auch Konfrontationen zwischen Links- und Rechtsextremen blieben aus.

Vorzeitig abgebrannt

In Basel und in Schalunen BE sind die 1.-August-Feuer zu früh abgebrannt. In der Nacht auf Dienstag stand das Höhenfeuer zur 1.-August-Feier auf dem Bruderholz in Vollbrand. Sicherheitskräfte gehen von einem üblen Streich aus. Ein Löschzug musste ausrücken. In Schalunen haben Unbekannte am Dienstagabend das 1.-August-Feuer kurz nach 21.00 Uhr in Brand gesetzt, das erst um 21.45 Uhr hätte angezündet werden sollen. Auch ein Stoppelfeld fing Feuer, konnte aber gelöscht werden. (ap/sda)

Personenkultam 1.?August

Im Wahljahr hat der 1. August mit Micheline Calmy-Rey und Christoph Blocher als Hauptdarsteller einen neuen Personalisierungsgrad erreicht: hier die SP-Bundespräsidentin, die sich im wochenlangen Showkampf ums Rütli als moderne Helvetia gibt, eine offene, solidarische, multikulturelle Schweiz propagiert und so den Rechten im Land indirekt unterstellt, Egoisten und Hinterwäldler zu sein. Dort das SVP-Schlachtross Blocher, der durch internationale Verträge den Volkswillen bedroht sieht ? obwohl nirgends so häufig über solche Verträge abgestimmt wird wie in der Schweiz ? und in seinem Redemarathon suggeriert, Linke und Mitte wollten die Schweizer Seele verkaufen.

Der Sommer war bisher arm an Ereignissen, die Stoff für das politische Theater geboten hätten. Dass die Parteistrategen und Bundesräte deshalb den 1. August für den Wahlkampf instrumentalisiert haben, spricht für den Nationalfeiertag: Dieser Tag weckt offenbar

Emotionen und ist also nach wie vor kein arbeitsfreier Tag wie jeder andere.

Der 1. August und das Rütli waren schon immer Projektionsflächen für unterschiedliche Vorstellungen, wie es mit unserem Land weitergehen soll. Dass Wahlkämpfer besonders gern mit Schablonen zeichnen und mit Emotionen hantieren, ist bekannt. Man muss darauf vertrauen, dass das Wahlvolk zu unterscheiden weiss zwischen Schwarz-Weiss-Malerei und Personenkult einerseits und konkreter Politik anderseits und dass es am Wahltag im Oktober genau hinschauen wird, welche Köpfe am besten in der Lage sind, die Schweiz und ihre Stärken fit zu halten für die Zukunft.

Ärgerlich bleibt die Bedeutung, welche die Rütli-Feier dieses Jahr bekommen hat. Auf keinen Fall darf jetzt der Bundesrat ? wie da und dort gefordert ? den Rütli-Anlass zur offiziellen Nationalfeier krönen. Wenn Calmy-Rey auf dem Rütli die vielfältige Schweiz beschwört, ist das gut und recht. Diese Vielfalt zeigt sich aber eben gerade am besten darin, wenn die Feier auf dem Rütli nicht wichtiger ist als die in Romanshorn, Genf oder Poschiavo. Es gibt auch eine Schweiz abseits der Scheinwerfer.