Eine unliebsame Tradition: Skinheads auf dem Rütli

NZZ/se. Rund 1400 Personen feierten dieses Jahr den Nationalfeiertag auf dem Rütli. Unter ihnen marschierten gemäss Polizeiangaben auch rund 450 Rechtsextremisten unter Fahnen auf und skandierten aus der alten Nationalhymne «Heil dir, Helvetia». Die Polizei führte Personenkontrollen durch, dies gar unter den wachsamen Augen von Bundesanwalt Valentin Roschacher, dem Chef der Bundeskriminalpolizei Kurt Blöchlinger und Staatsanwalt Thomas Hotz. Der Aufmarsch rechtsextremistischer, zumeist jugendlicher Skinheads auf dem Rütli scheint sich als unliebsame Tradition zu etablieren. Am 1. August 2000 hatten sich erstmals rund 100 Rechtsextremisten auf dem Rütli versammelt. Sie versuchten damals, mit gestrecktem Arm, Pfiffen und Kampfparolen die Festrede von Bundesrat Kaspar Villiger zu stören. Villiger zeigte sich wenig beeindruckt, wohl aber sein Amtskollege Adolf Ogi, der wenige Tage später im «Blick» alle «Demokraten» aufrief, gegen Rechtsextreme entschlossen Stellung zu beziehen.

Rechtsextreme Gruppierungen erfuhren in der Folge – nicht zuletzt dank eindrücklichem Fotomaterial vom Rütli – sehr viel Medienaufmerksamkeit. Das EJPD setzte eine Arbeitsgruppe ein, und im Oktober wurde der Rechtsextremismus dank Anträgen seitens der Sozialdemokraten, der CVP und der Grünen gar im Bundesparlament debattiert. Die Diskussion verlief sich indes in wenig konstruktivem, verbalem Hickhack zwischen SVP und SP. Am 1. August 2001 dann waren es bereits rund 300 Rechtsextremisten, die auf der Rütliwiese aufmarschierten. Sie wurden von einem grossen Polizeiaufgebot erwartet und kontrolliert. Das Medienecho fiel trotz dem zahlreicheren Auftreten der Skinheads im Vergleich zum Vorjahr bescheiden aus. Gleiches gilt auch für die letztjährige Bundesfeier, als wiederum rund 300 Rechtsradikale das Rütli aufsuchten.

Mit 450 Personen hat die Zahl der Rechtsgerichteten auf dem Rütli am gestrigen 1. August erneut zugenommen. Allein daraus zu schliessen, die rechtsextreme Szene sei entsprechend angewachsen, wäre indes verfehlt. Im Bericht «Innere Sicherheit der Schweiz 2002» stellt das Bundesamt für Polizei eine stabile Zahl rechtsradikal motivierter Vorfälle und Mitgliedschaften in rechtsextremen Gruppierungen fest. Zugenommen hätten indes Konfrontationen zwischen rechts- und linksextremen Gruppierungen. So war denn auch im Vorfeld der diesjährigen Bundesfeier von allfälligen Gegenaktionen linker «Antifaschisten» die Rede. Solches hatte jedenfalls das Bundesamt für Polizei verlauten lassen, was der Mobilisierung der Rechten möglicherweise zuträglich war.

Die Bundesbehörden gehen insgesamt davon aus, dass durch rechtsradikale Aktivitäten die innere Sicherheit der Schweiz nicht namhaft gefährdet werde. Allerdings gelte das Land trotz verstärkter Polizeipräsenz als besonders attraktiver Standort für rechtsextremistisch motivierte Konzerte und Festivitäten. Auf politischer Ebene ist derzeit ein Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda in Vorbereitung. Ein entsprechender Vorentwurf, der im Februar dieses Jahres in die Vernehmlassung geschickt wurde, stiess indes auf Kritik von links und rechts. Der Vorentwurf sieht Ergänzungen des Bundesgesetzes zur Wahrung der inneren Sicherheit, des Strafgesetzbuches und des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs vor. Zur Diskussion steht ein Verbot rassendiskriminierender Vereinigungen sowie der öffentlichen Zurschaustellung von Kennzeichen mit rassendiskriminierender Bedeutung. Geplant ist schliesslich auch, die Rechtsgrundlage für eine nationale Hooligan-Datenbank zu schaffen.