Ehrenrettung für Anne Frank

Der Bund vom 22.07.2010

Das Basler Strafgericht verurteilt einen ehemaligen Pnos-Vorsitzenden wegen Rassendiskriminierung – er hatte Anne Franks Tagebücher als «Lügengebilde» bezeichnet.

Thomas Knellwolf, Basel

Drinnen im Saal 1 des Basler Strafgerichts zeigt der Schauspieler Buddy Elias Pressevertretern und anderen Prozessbesuchern ein Faksimile der in unzählige Sprachen übersetzten Aufzeichnungen Anne Franks. Der 85-jährige Buddy Elias, der in der Nähe seiner Cousine in Frankfurt am Main aufwuchs, entkam der Ermordung, weil sein Familienzweig in die sichere Schweiz zog. Annes Eltern wollten sich in Amsterdam in Sicherheit bringen. Doch die Nationalsozialisten fielen bald in Holland ein.

«Holocaust-Indoktrination»

«Leider wird es immer Leute geben, welche primitive Lügen verbreiten», sagt Buddy Elias, während draussen einer auf dem heissen Pflaster Basels davoneilt, der die Nazis bewundert, in deren Konzentrationslager viele Verwandte Elias’ starben: Philippe Eglin, ein 22-Jähriger, bedauert en passant noch, dass es in der Schweiz «keine Meinungsäusserungsfreiheit» gebe.

Er hat eben von der Richterin erfahren, dass er nicht ungestraft behaupten darf, was wissenschaftlich widerlegt ist: dass das Tagebuch des jüdischen Mädchens auf einem «Lügengebilde» basiere und der «Holocaust-Indoktrination junger, unbedarfter Kinder» diene. Vor Gericht hat der Lagerist, vom Chemiemulti Novartis wegen seines Rassismus entlassen, gestern die Behauptung wiederholt, die Publikation beruhe auf Unwahrheiten.

Aussage verweigert

Die Basler Justiz machte mit dem jungen Mann im weissen Kurzarmhemd, das ein breites «Eidgenoss»-Tattoo verdeckt, kurzen Prozess. Dies auch, weil Eglin die Aussage in den meisten Punkten verweigerte. Nach knapp einer Stunde Verhandlung sprach das Gericht den Ex-Vorsitzenden der Basler Sektion der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos) der Rassendiskriminierung schuldig. Es schloss sich der Meinung der Anklägerin an, Eglin habe auf der Website seiner Partei «pseudowissenschaftliche Scheinargumente» verbreitet.

Der gern gesehene Gastredner deutscher Neonazis muss eine Geldstrafe von mehr als 10 000 Franken plus rund 1000 Franken Verfahrenskosten zahlen. Das Urteil des Gerichts fiel mit 90 Tagessätzen à 120 Franken ein Stück härter aus als der Antrag der Staatsanwaltschaft auf 60 Tagessätze. Eglin als «Gründer einer rechtsextremen Gruppierung» und «Autor von Hetzartikeln» verdiene keine günstige Prognose, führte die Gerichtspräsidentin aus. Vielmehr habe er eine «beängstigende Weiterentwicklung» durchgemacht, seit er 2007 wegen einfacher Körperverletzung verurteilt worden war. Bereits im damaligen Verfahren nach einem Angriff hatte Eglin verkündet, er sei «dem Dritten Reich zugeneigt» und finde «die Grundidee des Nationalsozialismus gut».

Eglin behauptete in der Verhandlung gestern, dass er den rassistischen Text auf der Pnos-Website selber verfasst habe. In Tat und Wahrheit handelt es sich in weiten Stellen um eine Kopie aus einem im Internet verbreiteten Machwerk internationaler Revisionisten und Holocaust-Leugner.

Das Gericht hat nun verlangt, dass das Plagiat von der Pnos-Website entfernt wird. Eglin kündigte im Sauseschritt vor dem Gericht noch an, dass er sich das überlegen werde. Das Urteil werde er sicher anfechten. Gestern bei Redaktionsschluss waren die rassistischen Zeilen nicht gelöscht.

Anne Franks Cousin Buddy Elias hofft, dass dies bald geschieht, zeigte sich aber wenig optimistisch, dass das «begrüssenswerte Urteil» die Holocaust-Leugner zum Schweigen bringen werde.

Anne Frank hat von 1942 bis zu ihrer Verhaftung und Deportation im August 1944 Tagebuch geführt.