Die Rechte macht sich Frust und Widerstand zunutze

Der Bund. Freiheitstrychler, Reichsbürger, junge Tat: Im Umfeld der aufgebrachten Niederbipper und Wolfisbergerinnen tummeln sich problematische Gruppierungen.

Der Herr, der aus lauter Protest mit dem Schweizer Verfassungsbüchlein wedelt, ist wieder da. Die Freiheitstrychler lärmen wieder, was das Zeug hält. Das Publikum strömt wieder herbei. Auch der zweite Infoabend zur Asylunterkunft in Wolfisberg mobilisiert.

Bis zu 120 Flüchtlinge sollen ab August im 180-Seelen-Dorf am Jurahang ob Niederbipp unterkommen, das plant der Kanton auch gegen den ausdrücklichen Willen der Gemeindebehörden. Die Vertreter aus Bern haben sich schon bei der ersten Auflage am Abend zuvor harsche Kritik anhören müssen. Mehr als einmal ging ungläubiges Raunen, brandeten Buhrufe durch den Saal, als sie sich im Schulhaus Wolfisberg den Fragen der Anwohnerschaft stellten.

Wütende Statements

Doch wer glaubt, die Gemüter hätten sich einen Tag später bereits ein Stück weit beruhigt, irrt gewaltig. Auch wenn die Wiederholung in Niederbipp stattfindet, dem sich Wolfisberg vor drei Jahren angeschlossen hat. Und auch wenn die Leute am Fuss des Jurahangs von den Plänen des Kantons nicht so direkt betroffen sind wie jene oben am Berg – die Stimmung im Räberhus Niederbipp ist viel gehässiger.

Regelmässig fallen erzürnte Votantinnen und Votanten den Kantonsvertretern ins Wort, teils kommen diese gar nicht mehr dazu, ihre Argumente vorzubringen. Es werden auch viel weniger Fragen gestellt als am Abend zuvor, viele nutzen die Bühne vor versammelter Menge, um mit ein paar wütenden Statements Dampf abzulassen. Von Asylanten ist in der Diskussion die Rede, einer nimmt gar das Wort Asylindustrie in den Mund und peilt damit jene an, die die Bewohnerinnen und Bewohner der künftigen Unterkunft betreuen werden.

Rot-weisses Transparent

Es sind Ausdrücke, die zum rechtsbürgerlichen Wortschatz gehören, sie passen zu den jungen Rechten, die an diesem Abend Präsenz markieren. Zu den extremen Rechten, wie linke Aktivisten sagen würden – antifaschistische Kreise haben die Männer, die sich in Niederbipp unauffällig unters Publikum gemischt haben, schon glattweg als Nazis bezeichnet. 

Nach der Veranstaltung geben sie sich als Mitglieder der Jungen Tat zu erkennen. Vor dem Räberhus rollen sie ein rotes Transparent aus, auf dem über ihrem Namenszug in weisser Schrift «Nein zum Asylheim» zu lesen ist. Gleich nebenan verteilen sie Flugblätter, unter dem Titel «Setz dich zur Wehr» ermuntern sie die Leute, «in die Bewegung» einzutreten.

Traditionelle Werte

Rot auf Weiss. Die Farben weisen darauf hin, und der Wortführer des Trupps vor Ort bestätigt es: Die Junge Tat verstehe sich als patriotische Vereinigung. Den Verdacht, rechtsextrem zu sein, weist er aber weit von sich. Das seien Vorwürfe der Linken, die ihrerseits nicht vor Gewalt zurückschreckten. Sie dagegen seien friedlich unterwegs  – ob das im letzten Herbst auch bei der Störaktion auf eine Dragqueen-Vorlesestunde für Kinder so war? Alles falsch, so der Wortführer, die Fakten seien von der Linken verdreht worden.

Doch so einfach ist es nicht. Europol jedenfalls berichtet im jüngsten Terrorismusbericht von einer Meldung der Schweizer Behörden über «die neue rechtsextreme Gruppe Junge Tat» und deren Kommunikation via soziale Medien. Die professionell gedrehten Videoclips, so der Report, betonten althergebrachte Werte wie Bildung, Sport, Tradition, Gemeinschaft oder Verteidigung von Heimat und Natur.

Petition an Schnegg

Im Saal hat Gemeindepräsidentin Sibylle Schönmann (SVP) den Anwesenden nochmals versichert, dass die Gemeinde alle – politischen – Hebel in Bewegung gesetzt habe, um die Asylunterkunft doch noch verhindern zu können. Mithelfen soll eine Petition an den zuständigen Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg (SVP), für die neben dem Gemeinderat auch die beiden einheimischen Grossräte Beat Bösiger (SVP) und Peter Haudenschild (FDP) verantwortlich zeichnen. Sie liegt am Ausgang auf und wird eifrig unterschrieben.

Noch eine Frage, Sibylle Schönmann: Müsste die Gemeinde als Hausherrin nicht einschreiten, wenn problematische Gruppierungen Anlässe in öffentlichen Liegenschaften zu vereinnahmen versuchen? Immerhin hat sich tags zuvor in Wolfisberg auch die Reichsbürgerszene gezeigt, die sich ähnlich staatsfeindlich gesinnt zeigt wie die Freiheitstrychler. Doch die Gemeindepräsidentin schüttelt den Kopf. Solange sich alle an die Regeln hielten, gelte die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, sagt sie.