Das St. Galler Bezirksgericht verurteilte den Rechtsextremen Pascal Lobsiger zu sechs Monaten Gefängnis. Wird ihm das eine Lehre sein?

Der Bund

Jürg Bühler: Es wird sich zeigen, wie strafempfindlich Pascal Lobsiger ist. Zumindest vor dem Prozess bewies er einen gewissen Respekt und hielt sich von der Szene fern. Wir werden ihn jedenfalls weiterhin im Auge behalten. Es ist nicht das erste Mal, dass er behauptet, nichts mehr mit der Szene zu tun zu haben.

Kann man Rechtsextreme therapieren?

Bühler: Das müssen sie einen Psychiater fragen.

Einen Rechtsextremisten könne man nicht therapieren, einen Menschen schon, sagt Lobsigers Psychiater.

Bühler: Dann besteht ja Hoffnung. Ich denke, dass es möglich ist, extreme Einstellungen und Verhaltensweisen zu durchbrechen, wenn es dem Betroffenen ernst ist und ihn sein Umfeld unterstützt.

Was braucht es, dass jemand aus der Szene aussteigt?

Bühler: Am häufigsten kommt es vor, dass Jugendliche die Szene ganz einfach nicht mehr frequentieren, weil sie die Lehre abschliessen, eine neue Arbeit aufnehmen, eine Freundin finden, der dieser Umgang nicht passt, oder sie durch die Rekrutenschule vorübergehend abgelenkt werden. Es gibt aber auch diejenigen, die sich lösen, weil sie strafrechtlich verfolgt werden und dadurch den Druck der sozialen und staatlichen Kontrolle spüren.

Was bringen Ausstiegsprogramme?

Bühler: Patentrezepte gibt es nicht. Man muss den Einzelfall betrachten und je nach Situation und Person eine Lösung finden. Wichtig ist, dass es Anlaufstellen gibt und dass die Betreffenden aussteigen wollen. Ohne ihren Willen funktioniert es nicht – wie bei Drogensüchtigen.

Kann ein Rechtsextremer mit einem Junkie verglichen werden?

Bühler: Nicht im klassischen Sinne, weil es keine körperlichen Symptome gibt. Es tauchen aber ähnliche Probleme auf, wenn es darum geht, Verhaltensweisen oder das persönliche Umfeld zu ändern.

Der Verteidiger betonte vor Gericht, dass Lobsiger jetzt eine slowakische Freundin habe.

Bühler: Dass er eine Ausländerin zur Freundin hat, heisst noch nicht, dass er sich gebessert hat. Es gibt auch Frauen in der Rechtsextremenszene, die den Männern in nichts nachstehen. Ein bekannter Aktivist aus der Westschweiz zum Beispiel hatte eine polnische Freundin. Sie kam ebenfalls aus der rechtsextremen Szene.

Was hat Lobsiger zu befürchten, wenn er tatsächlich aussteigt?

Bühler: Die Kollegen aus der Szene werden enttäuscht sein, ich glaube aber nicht, dass sie sich rächen werden. Wenn jemand aussteigt und die Szene meidet, passiert in der Regel nichts.

Wie wichtig sind für die Szene Führerfiguren wie Lobsiger?

Bühler: Das Führerprinzip ist eines der zentralen Prinzipien des rechtsextremen und faschistischen Gedankenguts. Zum Glück gab es in der Schweizer Szene bis jetzt noch keinen, der von allen akzeptiert worden wäre.

Als Lobsiger im Sommer vor einem Jahr auf dem Rütli auftrat, machte es jedoch den Anschein, er habe die Szene im Griff.

Bühler: Nach diesem Auftritt wurde Lobsiger von vielen als möglicher Leader angesehen, und er versuchte auch, dieses Ansehen auszunutzen. Als aber nach der Schlägerei in St. Gallen die Strafverfolgung einsetzte, zog er sich von der Szene zurück.

Pascal Lobsiger, 28, ist einer der dienstältesten Aktivisten der Schweizer Skinheadszene. Bereits als 16-Jähriger schloss sich der gebürtige Thurgauer den Skinheads an. 1995 wurde er an einer Blocher-Demo fotografiert, wie er Gegendemonstranten mit Steinen bewarf. Der gelernte Heizungsmonteur war Rädelsführer des Raubüberfalls auf das Festival für Völkerfreundschaft in Hochdorf LU. 60 vermummte Skinheads stürmten den Konzertraum, prügelten mit Baseballschlägern auf die Anwesenden ein und verletzten zehn Personen. Für diesen Gewaltexzess wurde der mehrfach vorbestrafte Lobsiger zu einer unbedingten einjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung war er eine Zeit lang Führer der so genannten Aufbau-Organisation. An vorderster Front war Lobsiger auch am 1. August 2000 auf dem Rütli, als eine Gruppe von Skinheads die Rede von Bundesrat Kaspar Villiger störte.