Friedlicher Anfang, trauriges Ende

BernerZeitung

Die Botschaft des antifaschistischen Spaziergangs ging in Sachbeschädigungen, Tränengas und Gummischrothagel unter. Von den rund 2000 Demonstranten wurden 33 von der Polizei abgeführt.

Pascal Schwendener

«Laut, kraftvoll und selbstdiszipliniert» sollte der Antifaschistische Abendspaziergang werden, zu dem das Bündnis gegen rechts aufgerufen hatte. Und so begann er auch, als sich am Samstag Abend zwischen 1600 und 3000 vorwiegend jugendliche Personen vor der Heiliggeistkirche versammelten, um gegen Faschismus, Sexismus und Kapitalismus zu demonstrieren. Doch schon Minuten, nachdem sich der Zug durch die Spitalgasse Richtung untere Altstadt bewegte, hatte Polizeisprecher Beat Gross «ein ungutes Gefühl». Was die Demo-Organisatoren als friedliche und farbige Kundgebung bezeichneten, war seiner Ansicht nach zu farbig, um toleriert zu werden. Im Schutz der Menge verschmierte nämlich ein regelrechter Sprayertrupp in der Spital-, Markt- und Kramgasse Fassaden, Busse, Trams und private Autos. Geschätzter Sachschaden: 100 000 Franken.

Kontrollen gescheitert

Aus diesem Grund habe sich die Polizei entschieden, «den Saubannerzug» zu stoppen, wie Gemeinderat Kurt Wasserfallen gestern auf Anfrage erklärte. «Ich ordnete an, die Teilnehmer der unbewilligten Demonstration anzuhalten, zu kontrollieren und auf Landfriedensbruch zu verzeigen.» In der Gerechtigkeitsgasse kesselten seine Leute den Zug daraufhin ein. Nur der Weg über die Nydeggbrücke blieb – nach erfolgter Personenkontrolle – offen. Doch die Demonstrierenden beharrten auf ihrer Route durch die Junkerngasse und setzten sich auf die Strasse.Die Spannung stieg. Beide Seiten warfen sich Provokationen vor. Schwarz Vermummte standen blau Uniformierten gegenüber. Pflastersteine wurden ausgegraben. Pfiffe gellten, Petarden knallten, und Fäuste flogen, bis plötzlich eine kleine Gruppe von Autonomen die Polizeisperre überrannte und in die Junkerngasse stürmte. Wohl zehn Mal feuerten die Polizeigrenadiere mit Gummischrot gegen die Angreifer und drängten sie mit dem Wasserwerfer und mit Einsatz von Tränengas zurück. Vierzehn Personen wurden festgenommen. Und noch während sie abgeführt wurden, stürmten erneut Vermummte gegen die Junkerngasse. Einer von ihnen geriet dabei unter den heranfahrenden Wasserwerfer. Wie durch ein Wunder blieb er unverletzt.

Polizeisperren überrannt

Während sich wenige Militante diese Scharmützel mit der Polizei lieferten, blieb das Gros der Kundgebungsteilnehmer friedlich. Die Jugendlichen sassen auf der Strasse oder an den Tischen von Gartenwirtschaften und warteten, während polizeiintern offenbar heftig über das weitere Vorgehen diskutiert wurde. Die Entscheidung wurde ihnen abgenommen. Als sich die Kundgebung um elf Uhr aufzulösen begann, riefen die Organisatoren nämlich dazu auf, gemeinsam den Rückweg Richtung Bahnhof anzutreten. Und so durchbrach die Menge unbeeindruckt von Gummischrot und Reizgas die Polizeisperre bei der Kreuzgasse und bewegte sich – spazierend – zur Heiliggeistkirche, wo sie sich auflöste. Trotzdem kam es im Anschluss noch zu einer letzten Auseinandersetzung. Rund hundert Personen, die Richtung Reitschule gingen, wurden von der Polizei im Bollwerk erneut eingekesselt, beschossen und eingenebelt. Dabei wurde eine Frau über dem Auge von einem Gummigeschoss getroffen und musste in Spitalpflege gebracht werden. 19 Personen wurden in die Polizeikaserne am Waisenhaus abgeführt.

«Eine traurige Bilanz»

Erst nach Entlassung der 33 Verhafteten im Verlauf der Nacht beruhigte sich die Lage in der Stadt allmählich.Polizeidirektor Kurt Waserfallen zog nach der bewegten Nacht «eine traurige Bilanz»: Trotz Beteuerungen um eine selbstdisziplinierte Demonstration habe «die Brut aus der Reitschule» einmal mehr «die Stadt terrorisiert». Die Polizei habe versucht, diese Leute ohne Sach- und Personenschäden zur Rechenschaft zu ziehen. Offenbar mit mässigem Erfolg.