Danke, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten!

Basler Zeitung.

Jansen pur. Warum ein Abstecher nach Zürich nachdenklich stimmte, schockierte und den Anstoss zu dieser Kolumne gab.

Letzten Samstag bin ich am Bahnhof in Zürich gestanden, mit einem mulmigen Gefühl, doch mit unerschütterlicher Überzeugung. Neonazis hatten ihr Kommen angekündigt und wollten mit ihren gefährlichen Parolen durch die Stadt marschieren.

Wenn ich Neonazis schreibe, ist das kein deplatzierter Kampfbegriff für Menschen, die mir nicht in den Kram passen, sondern eine Beschreibung einer gewalttätigen Gruppe, die sich offen zu den Gräueltaten des NS-Regimes bekennt und in den radikalen Gegnerinnen der Corona-Massnahmen ein neues Rekrutierungsfeld gefunden hat.

Diese Neonazis pilgerten am Samstag also nach Zürich und wegen ihnen etwa 2000 Antifaschisten, die sich ihnen in den Weg stellten und ihren Aufmarsch verhinderten. Ich war eine von jenen Antifaschistinnen, denn jeder Meter Platz für Neonazis ist ein Schritt zur Normalisierung ihres gefährlichen Gedankengutes. Dass gewalttätige Faschisten in unserem Land wieder das Selbstbewusstsein haben, um offen auf unseren Strassen zu marschieren und Menschen zu attackieren, beunruhigt mich. Richtig Angst machte mir, als sie am Samstag fünf Minuten nach Demobeginn in die Menge der Gegendemonstranten rannten und begannen auf Menschen einzuprügeln.

Doch was mich nachhaltig schockierte und seit Samstag nicht mehr loslässt, ist das, was danach folgte. Die öffentliche Einordnung der Ereignisse: ohrenbetäubendes Schweigen gegen Nazis und Entrüstung gegen jene, die sich ihnen in den Weg stellen. Der Aufmarsch der Faschistinnen scheint bürgerliche Politiker und Medien kaum zu beunruhigen. Die Welle der Empörung richtet sich stattdessen auf die vereinzelte Sachbeschädigung und Auseinandersetzungen mit der Polizei am Rande der Gegendemonstration. Die grösstenteils friedlichen Antifaschisten werden zu den Bösewichten gemacht und die Neonazis verharmlost. Das ist hochgefährlich.

Auch ich lehne die Ausschreitungen vom Samstag entschieden ab. Doch wer sie zum Hauptproblem hochschreibt, verharmlost die massive Gefahr durch den Faschismus. Wer gewaltbereite Neonazis und Menschen, die sich ihnen entgegenstellen, als zwei gleichermassen extreme Gruppen darstellt, stärkt damit Erstere und hilft bewusst oder unbewusst mit, den Faschismus wieder salonfähig zu machen. Dabei ist klar: Es gibt keine goldene Mitte zwischen Faschismus und seiner Bekämpfung. Wer sie sucht, setzt unsere Gesellschaft Gefahr aus, in den braunen Sumpf gezogen zu werden.

Man muss sich entscheiden, nicht für Linksextremismus oder Rechtsextremismus, sondern zwischen Faschismus und Demokratie. Bei der Entscheidung für Letzteres gehört Antifaschismus zwingend dazu.

Antifaschismus ist die Grundlage jeder funktionierenden Demokratie und die Pflicht aller, die sie verteidigen wollen. In den meisten Ländern ist das Teil des demokratischen Selbstverständnisses. Wenn es darum geht, Neonazi-Aufmärsche zu verhindern, sind alle von links bis Mitte-rechts an Bord. Nicht so in der Schweiz. Hier betonen heuchlerische bürgerliche Politiker gern ihre Ablehnung gegen Nazis, nur um dann sofort auf die falschen einzudreschen, wenn es ernst gilt. Hier skandalisieren die Medien lieber verschmierte Trams statt marschierende Faschos. Während antifaschistischer Widerstand immer mehr kriminalisiert und diskreditiert wird, ist die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat nicht mal bereit, menschenverachtende Nazisymbole endlich zu verbieten. Das muss sich schleunigst ändern.

Deswegen mein Aufruf an alle bürgerlichen Politiker und Politikerinnen: Statt gegen jene zu schiessen, die sich gegen den aufkeimenden Faschismus wehren, nehmt eure eigene demokratische Verantwortung wahr. Kommt an Demonstrationen und macht sie breiter oder organisiert eure eigenen Proteste. Wenn ihr Antifaschismus nicht linken Gruppierungen überlassen wollt, dann werdet selber aktiv und holt ihn in die Mitte der Gesellschaft.

Seid froh und dankbar, gibt es schon heute mutige Antifaschistinnen, die über Nazi-Gruppen recherchieren, Demonstrationen organisieren und trotz massiver Repression die Verantwortung wahrnehmen, die eigentlich bei uns allen – und damit auch bei euch – liegt.

Ronja Jansen Präsidentin der Juso Schweiz und BaZ-Kolumnistin