Blocher und das Hakenkreuz

Neue Zürcher Zeitung vom 02.07.2009

Justizminister Christoph Blocher muss festlegen, welche rassistischen Symbole und Embleme in der Schweiz verboten werden sollen Seit dem Jahr 2000, als Neonazis zum ersten Mal die Feier auf dem Rütli störten, will der Bundesrat das Tragen von rechtsextremen Symbolen verbieten. Die Vorlage wird auf die lange Bank geschoben.

In ihrer Hausordnung legt die Rütlikommission fest, dass bei der Bundesfeier nur Schweizer Fahnen und Kantonsfahnen geduldet werden. Doch fast häufiger als die offizielle Schweizer Fahne war am 1. August unter den rund 700 Rechtsextremen die Fahne mit dem langschenkligen Schweizerkreuz zu sehen, wie sie schon die Frontisten herumtrugen. Doch selbst wenn die Neonazis mit Hakenkreuzfahnen oder SS-Runen aufmarschiert wären, hätten sie dafür nicht belangt werden können. Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich ist das Tragen von Nazi-Symbolen in der Schweiz nicht verboten. Bemühungen dafür gibt es seit fünf Jahren.

Nicht zuletzt die Vorfälle vom 1. August 2000, als gegen 100 Rechtsextreme auf dem Rütli die Rede von Bundesrat Kaspar Villiger störten, liessen die Regierung aktiv werden. Anfang 2003 schickte die damalige Justizministerin Ruth Metzler das «Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda» in die Vernehmlassung. In diesem umfangreichen Paket wird die Anti-Rassismus-Strafnorm um den Straftatbestand «Kennzeichen mit rassendiskriminierender Bedeutung» ergänzt.

Polizei will klare Regelung

Obwohl dieses Verbot in der Vernehmlassung eindeutig positiv aufgenommen wurde, hat es der Bundesrat nicht eilig: Im Dezember 2004 beschloss er, die Vorlage zweizuteilen. Die Rechtsgrundlagen zur Hooliganismus-Bekämpfung sollen wegen der Euro 2008 forciert behandelt werden. Mehr Zeit will sich Justizminister Christoph Blocher dagegen bei den Massnahmen gegen den Rassismus lassen. Gemäss Guido Balmer, Sprecher des Bundesamts für Polizei (Fedpol), besteht noch kein verbindlicher Fahrplan, es sei jedoch möglich, dass der Bundesrat noch dieses Jahr eine entsprechende Vorlage verabschiede.

Der Freiburger Strafrechtler Marcel Niggli, der an der Ausarbeitung der Massnahmen gegen rassistische Symbole mitgewirkt hat, bedauert die Verzögerung: «Die Polizei und die Zollbehörden haben sich vehement für die Schaffung einer Strafnorm ausgesprochen. Sie würden dadurch Rechtssicherheit erhalten, und am Zoll könnte entsprechendes Material konfisziert werden, das bisher in die Schweiz gelangen konnte.» Niggli ist sich bewusst, dass es nicht einfach sein wird, zu definieren, welche Symbole unter das Verbot fallen sollen.

Dies wurde im Nationalrat deutlich, der in der letzten Märzsession eine Petition der Jugendsession 2003 beriet, die die Durchsetzung des Verbots jeglicher nationalsozialistischer Symbole verlangt. Justizminister Blocher machte klar, dass es eindeutige Fälle gebe: «Wo das Hakenkreuz getragen wird, weil es eben Ausdruck einer Organisation ist, deren Vertreter die Demokratie, die Menschenrechte und den Rechtsstaat ablehnen und zur Erreichung der Ziele Gewalttaten verübt und befürwortet werden, ist es relativ einfach zu verbieten.» Blocher konterte damit einen Einwand seines Parteikollegen Nationalrat Jean Henri Dunant (Baselland), der kein Verbot wollte, weil es sich beim Hakenkreuz um ein 4000 Jahre altes Sonnensymbol handle, «das von Verbrechern usurpiert worden sei». Eine Argumentation, die Niggli als «irrwitzig» bezeichnet. Allerdings liegt Dunant voll auf der Linie der SVP, die wie Schweizer Demokraten und Grüne nichts von einer Strafnorm gegen Nazi-Embleme wissen will. Was insofern konsequent ist, als die SVP die Anti-Rassismus- Strafnorm überhaupt abschaffen will.

Abgrenzungsprobleme

Blocher ist gewillt, ein Verbot auszuarbeiten, obwohl «wir uns daran noch etwas die Zähne ausbeissen werden», wie er im Ständerat sagte. So könnten extremistische Kreise ein Kennzeichen leicht durch ein anderes ersetzen, wenn man die Verwendung eines Symbols unter Strafe stelle. Gewisse Gruppen würden zudem fordern, dass auch die Verwendung von Hammer und Sichel verboten werden soll. Gemäss Fedpol-Sprecher Balmer arbeitet der Inlandnachrichtendienst, welcher die rechtsextreme Szene beobachtet, nicht einen abschliessenden Katalog aus, sondern will die verbotenen Symbole möglichst genau umschreiben. Dass dies schwierig sein wird, erläutert Niggli, der den Kommentar zur Anti- Rassismus-Strafnorm verfasst hat, am Beispiel der Vorgänge auf dem Rütli. So kann seiner Ansicht nach die Frontisten-Fahne nicht als problematisches Symbol bezeichnet werden. Auch der Kühnengruss, bei dem ähnlich wie beim Hitlergruss der Arm ausgestreckt wird, aber statt der flachen Hand drei Finger ausgestreckt werden, könne im Gegensatz zum Hitlergruss kaum verboten werden. «Diese Geste, die auf dem Rütli häufig zu sehen war, lehnt sich eng an die Schwurhand der Eidgenossen an. Statt mit angewinkeltem wird einfach mit gestrecktem Arm geschworen», sagt Niggli. Trotz diesen Abgrenzungsproblemen fordert der Strafrechtsexperte, dass der Bundesrat nun rasch eine Vorlage präsentiert: «In dieser Frage besteht eine gewisse Divergenz zwischen Blocher und seiner Partei. Dies darf den Gesetzgebungsprozess nicht stören.»