Anwalt Kettigers Kritik an der Polizei hat Folgen

Bund

Anwalt Kettigers Kritik an der Polizei hat Folgen

Polizei und Untersuchungsrichter haben Daniel Kettiger bei der Anwaltskammer verzeigt, nachdem er ihre Arbeit in Burgdorf öffentlich kritisiert hatte

Im Zusammenhang mit dem Übergriff von Rechtsextremen auf eine Burgdorfer Familie warf deren Anwalt Daniel Kettiger der Kantonspolizei Einseitigkeit und Verfahrensfehler vor. Nun muss die Anwaltskammer klären, ob er Berufsregeln verletzt hat.

Stefan von Below

Die Affäre rund um den gewaltsamen Übergriff von Ende April auf die Burgdorfer Familie Brünisholz zieht immer weitere Kreise. Nun muss sich auch die Anwaltskammer des Obergerichts mit dem Fall befassen. Ihr obliegt die Disziplinaraufsicht über die bernischen Anwälte. «Bund»-Recherchen haben ergeben, dass sowohl die Kantonspolizei als auch Untersuchungsrichter Hans-Jürg Brodbeck den Anwalt der Familie Brünisholz, Daniel Kettiger, wegen angeblicher Verletzung der Berufsregeln angezeigt haben.

Noch kein Verfahren eröffnet

Die Anwaltskammer habe ihm die beiden Anzeigen zur Stellungnahme zugeschickt, bestätigt Kettiger auf Anfrage. Auf dieser Grundlage wird sie später entscheiden, ob überhaupt ein Disziplinarverfahren eröffnet wird. Rund zwei Drittel der 50 bis 60 Anzeigen pro Jahr würden ohne Disziplinarverfahren erledigt, sagt Frédéric Kohler, Sekretär der Anwaltskammer. Die übrigen Fälle endeten mehrheitlich mit einem Verweis. Zum vorliegenden Fall will Kohler nicht Stellung nehmen. Auch Untersuchungsrichter Brodbeck und die Kantonspolizei hüllen sich in Schweigen. «Wir tragen das nicht öffentlich aus», sagt Kapo-Sprecher Jürg Mosimann.

Im Zusammenhang mit der Medienorientierung der Untersuchungsbehörden zum Fall Brünisholz hatte Kettiger diesen Einseitigkeit und erhebliche Verfahrensfehler vorgeworfen («Bund» vom 21. Juni). Die Polizei habe in ihrer Anzeige ein Geständnis eines der Hauptverdächtigen nicht richtig gewürdigt. Zudem habe sie die beiden Hauptverdächtigen nicht in Gewahrsam genommen und damit Absprachen unter ihnen ermöglicht (Kollusionsgefahr). Unter dem Strich entstehe der Eindruck, die Polizei habe der Familie Brünisholz «eins auswischen» und den politischen Hintergrund des Vorfalls ausblenden wollen, schrieb Kettiger in seinem Communiqué.

Kapo: «Klar standeswidrig»

Das liess die Kapo nicht auf sich sitzen, sondern konterte ihrerseits mit einer schriftlichen Stellungnahme. Kettigers «Vorprellen mit selektiven Zitaten aus den Akten eines hängigen Verfahrens» sei «klar standeswidrig» und überdies «geeignet, den Ruf der Kantonspolizei zu schädigen», heisst es darin. Dieselben Vorwürfe habe der designierte Kapo-Kommandant Stefan Blättler gegenüber der Anwaltskammer summarisch wiederholt, sagt Kettiger. Untersuchungsrichter Hans-Jürg Brodbeck dagegen werfe ihm vor, nicht wahrheitsgemäss aus den Befragungsprotokollen zitiert zu haben.

Keiner Schuld bewusst

Die Vorwürfe bereiten Kettiger keinen Kummer – nur Ärger: «Für mich ist das bemühend», sagt er, «denn diese Sache macht mir Arbeit, die niemand bezahlt.» Er sei überzeugt, dass er sich nichts habe zuschulden kommen lassen, «sonst dürfte sich ein Anwalt nicht mehr an die Medien wenden». An ihrer Medienkonferenz hätten die Untersuchungsbehörden seine Mandanten in ein schiefes Licht gerückt, sagt Kettiger. «Da musste ich reagieren.»

Zur Erinnerung: An ihrer Medienorientierung waren die Behörden zum Schluss gekommen, dass es sich bei der Auseinandersetzung in der Burgdorfer Oberstadt um ein «spontanes, nicht geplantes Ereignis» ohne politischen Hintergrund gehandelt habe, das auf persönliche Differenzen zwischen den Beteiligten zurückzuführen sei. Der Fall ist gegenwärtig beim Burgdorfer Strafeinzelgericht hängig.

«Sorgfältig und gewissenhaft»

Kettiger ist zuversichtlich, dass die Anwaltskammer auf ein Disziplinarverfahren verzichten wird. Laut deren Sekretär Frédéric Kohler ist es Aufgabe der Kammer, über die Einhaltung der Berufsregeln zu wachen, die im Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte festgehalten sind. Dort steht unter anderem, Anwälte hätten ihren Beruf «sorgfältig und gewissenhaft» auszuüben. Genau das nimmt Kettiger für sich in Anspruch. Sein Job sei es, seine Mandanten bestmöglich zu vertreten – das habe er auch im vorliegenden Fall getan.

Unterstützung hat Kettiger vom bernischen Anwaltsverband erhalten. Ulrich Hirt, Präsident der Standeskommission, hat Kapo-Kommandant Blättler einen geharnischten Brief geschickt. «Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, das Verhalten eines Anwalts zu beurteilen und öffentlich zu kommentieren», sagt Hirt dazu.