Antifa – von libertär bis liberal

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Antifa – von libertär bis liberal

Berns Antifa-Autonome laden mit Themenausstellung im Kornhaus erstmals die breite Öffentlichkeit ein

rudolf gafner

Kornhausforum-Galerie, Bern: Die Adresse ist renommiert, und nicht minder gesellschaftsfähig nimmt sich die Vernissage bei Weisswein, Brötlihäppchen und Apérogebäck aus. Viele sind gekommen, um der Eröffnung der von Berner Antifa-Engagierten gestalteten Themenausstellung «Brennpunkt Faschismus – Aspekte eines Themas» beizuwohnen. Eine bunte Schar ist es, die sich da am Mittwochabend ein Stelldichein gibt, wobei das übliche linke Szene-Stammpublikum augenscheinlich in der Minderheit ist. Vielmehr sind auffallend viele «bürgerlich» Aussehende da, gerade auch viele Alte, zumal Hochbetagte, die junge Zeitzeugen waren, als Nazis und Faschisten in Europa Macht hatten und Krieg brachten.

«Bataillone der Antifaschistischen Aktion: heraus zum Massenangriff! Entfacht Massenaktionen und Streiks gegen die faschistische Konterrevolution!» So stehts auf einem Anti-Hitler-Aufruf deutscher Antifas der frühen 1930er-Jahre. In der Tat ist «Antifaschistische Aktion», kurz «Antifa», beileibe keine Begriffsschöpfung von heute, sondern war auch bereits am Ende der Weimarer Republik geläufig. Und auch das Signet heutiger Antifas in Bern war schon damals in Berlin zu sehen, so etwa auf einem KPD-Plakat von 1932 – kleiner Unterschied: 1932 waren beide Antifa-Fahnen kommunistisch rot, 2006 nur noch eine, das andere, und zwar das prominent im Vordergrund wehende Banner, ist anarchistisch schwarz.

Umfassend und differenzierend…

Solche Parallelen dokumentiert Berns Ausstellung nicht von ungefähr: Auf historische Kontinuität legen Berner Antifas Wert, in dieser Tradition sehen sie sich selber. So wie in den 1930er-Jahren linksradikale und in Spanien auch libertär-anarchistische Fraktionen die Antifa-Avantgarden gestellt hätten, so betont auch Berns autonome Antifa ihre Verankerung im «linken Kuchen». Selbstredend ist die Ausstellung politisch nicht unparteiisch, linke Schlagseite ist unverkennbar. Und doch liefert sie keine einseitig verzerrende Agitprop, sondern ist um umfassende, differenzierende Vertiefung bemüht, und um wohlweisliche Zurückhaltung mit Räsonnieren und Rechthaben; weder wird verherrlicht, noch verteufelt.

Nur ganz am Rand bedient wird übrigens auch die glorifizierende Ästhetik vermummter Strassenmilitanz, wie sie der Propaganda der Organisatoren der «Antifa-Abendspaziergänge» bisweilen eigen ist. So trägt die Ausstellung erkennbar die Handschrift der Gruppe Antifaschistische Aktion Bern, einst die Kerngruppe des «Bündnisses Alle gegen Rechts». 2004 setzte sich die Gruppe vom Bündnis ab, warf dem Abendspaziergang-OK «engstirnige Haltung» vor – und widmet sich seither vorab der «Aufklärung und Recherchearbeit». Mit der Ausstellung wird erstmals mit einem grossen Publikumsanlass die breite Öffentlichkeit direkt angesprochen.

…und mitunter auch unbequem

Für den Aufstieg von Nazis und Faschisten vor 70, 80 Jahren «gibt es keine einfache Erklärung», wird im Ausstellungsblock «Faschismustheorien» vor Kurzschlussdenken gewarnt. Und so verzichtet die Antifa denn auch darauf, verlockend simple linke Thesen wiederzukäuen, wonach der Kapitalismus sich der Nazis bedient habe, um die bedrohliche Linke totzukriegen. Im Gegenteil sogar, auch für Linke unbequeme Fakten werden benannt: etwa dass Kommunisten mit Nazis in Deutschland vereinzelt gar zusammenarbeiteten, mithin vereint die Republik in die Zange nahmen.

Nicht minder differenziert wird der damalige antifaschistische Widerstand erläutert – ob religiös Beherzte, politisch Bewegte, ob linke Libertäre oder bürgerliche Liberale, gewürdigt wird die Bewegung in ihrer ganzen Breite. Besondere Beachtung gibt die Ausstellung dem so genannten Jugendwiderstand im Dritten Reich. Wie ja auch Berns Antifa heute primär in Jugendszenen verankert ist – eine Bewegung übrigens, die seit Mitte der 1990er-Jahre auch deshalb so stark geworden sei, weil «Behörden tendenziell neonazistisch motivierte rassistische Ãœbergriffe klein redeten», so die Ausstellungsmacher dazu.

«Brennpunkt faschismus»

Kornhausforum, Galerie. Offen bis Ende August: Di-Fr 10-19 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa bis 16 Uhr. Eintritt frei.