Lagebericht des Nachrichtendienstes: Extremistische Gruppen nutzten Corona-Proteste für sich

Der Bund. Die Pandemie hat die Sicherheitspolitik der Schweiz nachhaltig beeinflusst: Neben der Gewalt aus links- und rechtsextremen Kreisen beschäftigt den Nachrichtendienst die steigende Gefahr von Cyberangriffen.

Die Covid-19-Pandemie hat das sicherheitspolitische Umfeld der Schweiz im vergangenen Jahr mitgeprägt. Durch den Digitalisierungsdruck erhöhte sich etwa die Angriffsfläche für Cyberangriffe. Weiterhin hoch bleibt die «dschihadistische Bedrohung», wie der Lagebericht 2021 des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) festhält.

Covid-19 werde die Sicherheitspolitik der Schweiz nachhaltig beeinflussen, stellt Verteidigungsministerin Viola Amherd im Jahresbericht des Nachrichtendienstes des Bundes fest. Eine Haupterkenntnis aus der Pandemie sei, dass es eine krisenresistente Versorgung mit kritischen, lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen brauche.

Der Bericht stellt weiter fest, dass gerade in langwierigen oder sich verschärfenden Krisen wie der Covid-19-Pandemie gewalttätige Rechts- und Linksextreme versuchen, das Protestpotenzial in der Gesellschaft für sich zu nutzen. Die Pandemie habe insbesondere die gewalttätige linksextreme Szene der Schweiz beschäftigt.


Gewalttaten von Extremisten

Pandemie-Massnahmen seien von ihr grösstenteils als notwendige Einschränkungen akzeptiert worden. Kritisiert worden seien aber insbesondere das Demonstrationsverbot während des Lockdowns ab März 2020 und die als ungenügend erachteten Schutzmassnahmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

2020 hat der NDB laut dem Jahresbericht 208 Ereignisse im Bereich Links- und 21 im Bereich Rechtsextremismus beobachtet. Während sich beim Rechtsextremismus die Anzahl weiter verringert hat, blieb sie beim Linksextremismus stabil. Die Anzahl Gewalttaten belief sich beim Linksextremismus auf 107.

Beim Rechtsextremismus wurde ein mit Gewalt verbundenes Ereignis festgestellt. Bisher sei das Gewaltpotenzial der rechtsextremen Szene zwar vorhanden, aber es habe die Motivation gefehlt, Gewalttaten zu verüben, heisst es im Bericht.

Durch die Reisebeschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie hätten sich die internationalen Kontakte sowohl für die gewalttätige links- wie auch für die gewalttätige rechtsextreme Szene der Schweiz reduziert. Ein Grossteil der Kontakte zu ausländischen Gewaltextremisten dürfte sich in den virtuellen Raum verlagert haben.


Cyberangriffe nehmen zu

Im Bericht wird weiter festgestellt, dass der durch die Pandemie verstärkte Digitalisierungsdruck die Angriffsfläche für Cyberangriffe vergrössert habe. Die «zahlreichen Schweizer Unternehmen, die Zubehör und Dienstleistungen für die Betreiber kritischer Infrastrukturen im In- und Ausland anbieten» seien auch für «Akteure mit staatlichem Hintergrund interessante Ziele».

Ausländische Akteure versuchen laut dem NDB weiterhin, in der Schweiz Material und Spitzentechnologie zugunsten von Massenvernichtungswaffen-Programmen oder zur Herstellung von Trägersystemen zu beschaffen. Digitalisierung und Vernetzung ermöglichten eine starke Zunahme von Spionage im Cyberraum.

Die Ziele ausländischer Spionage sind laut dem NDB unverändert. Genf bleibe ein Brennpunkt wegen der Präsenz der internationalen Organisationen und einer Vielzahl diplomatischer Vertretungen in der Rhonestadt.


«Dschihadistische Bedrohung»

Die Terrorbedrohung in der Schweiz bleibt nach Ansicht des NDB erhöht. Sie gehe hauptsächlich von dschihadistischen Akteuren aus, in erster Linie von autonom agierenden Einzeltätern.

Von der dschihadistischen Bewegung inspiriert waren laut dem Nachrichtendienst das Tötungsdelikt in Morges VD im September 2020 und der Anschlag in Lugano TI im November 2020. Bei beiden Gewalttaten spielten die belastende persönliche Lebenssituation und psychische Probleme des Täters beziehungsweise der Täterin eine Rolle.

Anschläge wie diese könnten sich an einem beliebigen Ort in der Schweiz wiederholen, stellt der NDB fest. Die Sicherheitsbehörden von Bund und Kantonen stünden in dauerndem, engem Austausch untereinander und mit Einrichtungen, die radikalisierte Personen betreuten.

Weiterhin befinden sich laut dem NDB dschihadistisch motivierte Reisende aus der Schweiz im Konfliktgebiet Syrien und Irak. Von den erfassten seien bislang 16 in die Schweiz zurückgekehrt. Mit wenigen Ausnahmen verhielten sich die zurückgekehrten Personen unauffällig.

SDA/ij