Das militante Netzwerk der Judenhasser

SonntagsZeitung: Illegaler Waffendeal: Deutsche Justiz ermittelt gegen Ersatzbassisten der Neonazi-Band Amok

Zürich Es war ein Polterabend voller Hass und Gewalt. Anfang Juli griffen 20 Rechtsextreme einen orthodoxen Juden in Zürich-Wiedikon an. Fotos zeigen die Männer kurz vor der Tat, den Arm zum Hitlergruss ausgestreckt. Auf ihren T-Shirts prangt das Logo C 18, der Szene-Code für Combat 18. Kampftruppe Adolf Hitler.

C 18 wurde in den Neunzigerjahren als bewaffneter Arm der in Deutschland verbotenen Gruppierung Blood and Honour gegründet und ist bis heute aktiv – auch in der Schweiz. Die Anhänger bilden ein loses Netzwerk von mehreren Hundert Militanten. Zu ihnen gehört Kevin G., 27, Sänger der Rechtsrockband Amok. Er soll den Juden in Wiedikon attackiert und bespuckt haben, die Polizei ermittelt.

G. lebt in Rüti ZH und pflegt engen Kontakt zu ausländischen Rechtsextremisten. Besonders intensiv sind seine Beziehungen nach Thüringen. Jener malerischen ­Region in Ostdeutschland, wo sich das Mördertrio des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) formiert hat.

Erinnerungen an die Morde der NSU werden geweckt

Als Bindeglied zwischen der Schweizer und der deutschen Szene agiert der Thüringer Alex G., 33. Er organisiert geheime Hasskonzerte von Frankreich bis Ungarn und arbeitet eng mit Amok zusammen. In den letzten Jahren soll er mehrmals als Ersatzbassist für die Band eingesprungen sein. Bis vor kurzem wohnte Alex G. in einer Wohnung in Zürich – zusammen mit dem ebenfalls aus Thüringen stammenden C-18-Exponenten Marcus R. Die beiden Neonazis jobbten als Bühnenbauer in der Schweiz.

Mittlerweile zog Alex G. zurück nach Deutschland, zu seiner Freundin in Augsburg. Dort fuhr am vergangenen Dienstag die Polizei ein. Ermittler durchsuchten die Wohnung und beschlagnahmten Computer und Mobiltelefone. Grund: Der Amok-Vertraute soll sich kürzlich auf illegalem Weg zwei Waffen und die dazugehörige Munition beschafft haben. Der zuständige Staatsanwalt Götz Wied bestätigt: «Wir führen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Schusswaffen.»

Die Fäden des Verfahrens laufen bei einem weiteren prominenten Aktivisten zusammen: Michel F., 30, gewalttätiger Extremist und Mitglied des Rockerclubs ­Bandidos. Seine Gesinnung trägt er in Form eines Tattoos auf der Brust: «Mögen sie uns hassen, solange sie uns fürchten» – der Leitspruch von Combat 18.

F. soll dem Aushilfsbassisten von Amok die Waffen verkauft haben. Die Ermittler kamen den beiden auf die Spur, nachdem eine ­antifaschistische Website den Mailverkehr zwischen den zwei Neonazis publik gemacht hatte. Demnach bot Michel F. seinem ­Kameraden zwei Parabellum-Pistolen, Kaliber 9 mm, samt Munition an. Preis: 1600 Euro. Alex G. griff zu. Am 25. Juli schrieb er: «Geld geht Moin raus.»

Bewaffnete Neonazigruppen, die vor Gewalt nicht zurückschrecken – das weckt Erinnerungen an die Morde des NSU. Das Terrortrio um Beate Zschäpe formierte sich in den Neunzigerjahren aus rechtsextremen Kameradschaften in Thüringen und soll Verbindungen in die Schweiz gehabt haben.

Mehrere Extremisten aus dem Umfeld von Amok sympathisieren bis heute offen mit den Mördern. Marcus R., der in Zürich mit dem deutschen Ersatzbassisten der Band gewohnt hat, verwendete als Facebook-Profilbild das Foto des NSU-Mörders Uwe Böhnhardt.

Ein weiterer enger Freund des Amok-Sängers posierte auf einem Foto bewaffnet zusammen mit neun anderen Rechtsextremen. Einer der Männer schrieb in einem Kommentar unter dem Foto: «Der neue NSU aus Thüringen», ein anderer doppelte nach: «NSU Reloaded!». Mehrere Facebook-Freunde der Amok-Musiker verwenden zudem Profilbilder mit der Aufschrift «Freiheit für Wolle». Gemeint ist der inhaftierte Ralf Wohlleben, der den NSU bei seinen Morden unterstützt haben soll.

Schweizer Nachrichtendienst beobachtet die Szene mit Sorge

Der Schweizer Nachrichtendienst (NDB) ist sich der Gefahr vom rechten Rand bewusst. Im aktuellen Jahresbericht warnt er vor rechtsextremen Waffennarren: «Es ist aufgrund von Erkenntnissen aus Hausdurchsuchungen anzunehmen, dass in der Szene vielfach grössere Sammlungen funktionstüchtiger Waffen bestehen.» Laut den Antiterrorspezialisten werden Schusswaffen «gesammelt, gehandelt und möglicherweise auch über die Grenze geschmuggelt». Der NDB kommt zum Schluss, dass die Militanten «mitgeführte Waffen gegebenenfalls auch einsetzen können».

«Taten statt Worte» war das Motto des NSU. In der rechten Szene gilt dies vielen bis heute.