Extreme Rechte streut erneut anonymes Flugblatt

Liechtensteiner Vaterland vom 18.10.2010

«Der Nationale Sozialismus zeigt einen dritten Weg jenseits der verstaubten Ideologien auf», wirbt die extreme Rechte erneut in einem anonymen Flugblatt für ihre «Weltanschauung und Lebenshaltung».

Günther Fritz

«Nationaler Sozialismus – Bürgerinformation für Liechtenstein» – so heisst es im Titelkopf des neuerlichen anonymen Pamphlets, das farblich im «Schwarz-Rot-Gold» der deutschen Bundesflagge gehalten ist. Aufmachung und Diktion erinnern an das in der Nacht auf Samstag, 14. November 2009, verteilte Flugblatt der ausländerkritischen «Völkischen Erneuerungsbewegung Liechtenstein», das als inhaltliche Fortsetzung anonymer Flugblätter aus den Jahren 2006 und 2007 eingestuft werden konnte. Dem wahrscheinlich erneut aus der rechtsextremen Szene stammenden Flugblatt, das am vergangenen Wochenende in vielen liechtensteinischen Briefkästen und auch vor Haustüren zu finden war, fehlt ebenso ein Impressum. 

Nicht mit der «Liewo» verteilt

Zum Teil wurde die vierseitige Schrift am Sonntagmorgen zusammen mit der «Liewo» aus den Briefkästen entnommen. Daniel Quaderer, Verlagsleiter der die «Liewo» herausgebenden Vaduzer Medienhaus AG, hält auf Anfrage ausdrücklich fest, dass die Verteilung des Flugblatts in keinem Zusammenhang mit der Distribution der liechtensteinischen Sonntagszeitung stehe. Das Vaduzer Medienhaus würde ein solches Flugblatt nie einem seiner Produkte beilegen oder separat verteilen. Wie Recherchen des «Liechtensteiner Vaterlands» ergaben, sind dem «Liewo»-Austräger in der Gemeinde Mauren am frühen Sonntagmorgen zwischen 1 und 2.30 Uhr auf seinem Weg zu den Haushalten auffallend viele Jugendliche begegnet. Als der «Liewo»-Austräger die Briefkästen bediente, steckte das anonyme Flugblatt oft schon drinnen. Seine Beobachtung hat der «Liewo»-Austräger noch in derselben Nacht einem Wachdienstmitarbeiter des Sicherheitsdienstes Argus gemeldet.

Die Landespolizei ermittelt

Wie Stabschef Uwe Langenbahn am Sonntagabend auf Anfrage des «Vaterlands» erklärte, habe die Landespolizei Kenntnis vom anonymen Flugblatt erhalten. Am Montag werde die Schrift dem Spezialdienst übergeben und die entsprechenden Ermittlungen würden aufgenommen. Zur Frage, ob das aktuelle Pamphlet der gleichen Urheberschaft wie bei dem vor einem Jahr verteilten Flugblatt mit ausländerkritischem Inhalt zuzuordnen ist, wollte sich Langenbahn ohne aufgenommene Untersuchung noch nicht äussern. 

Das Vokubalur des ohne Impressum herausgegebenen «Infoblatts 1/2010» lässt aber zweifellos auf den gleichen Urheberkreis schliessen, der diesmal den Versuch unternimmt, sich vom Image der «Ewiggestrigen» zu verabschieden: «Wenn wir heute vom Nationalen Sozialismus hören, ist uns vermeintlich klar, um was es geht. Ewiggestrige, welche Ausländer und andere Minderheiten hassen und sich nichts mehr wünschen, als die Wiederauferstehung des Dritten Reiches. Der Nationale Sozialismus hat jedoch nicht die Wiederherstellung vergangener Zustände zum Ziel, sondern die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft in natürlichen Verhältnissen.»

Die unverkennbare Nähe des «Nationalen Sozialismus» zum Begriff «Nationalsozialismus» ist ganz offensichtlich gewollt und ruft die Terminologie des Dritten Reiches wieder wach, obschon die Formulierungen auch diesmal wieder ausgesprochen vorsichtig gewählt sind, sodass es wie beim letzten Flugblatt schwierig sein dürfte, den Verfassern einen Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm nachzuweisen. Wahrscheinlich wird es auch im aktuellen Fall wegen des fehlenden Impressums bei einer Anzeige wegen Verstosses gegen das Mediengesetz bleiben. Wegen diesem Vergehen wurden im Fall des anonymen Flugblatts vom November 2009 nach langwierigen Ermittlungen schliesslich zehn rechtsradikale Personen angezeigt, welche die ausländerfeindliche Schrift verteilt hatten.