Der Holocaust-Lügner sprach in Muri

BEZIRK MURI · Die Projektgruppe «Miteinander gegen Gewalt» zeigt die Notwendigkeit ihrer Arbeit

Der Holocaust-Lügner Bernhard Schaub trat am 26. Oktober bei der «Partei national orientierter Schweizer» in der Waldhütte in Muri auf. Damit gab die rechtsextreme Szene im Freiamt, die lange nicht mehr sichtbar war, ein Zeichen, dass es sie noch immer gibt.

Jörg Baumann

Der Kantonspolizist Thomas Isler, Postenchef in Sins, enthüllte die Nachricht vom Auftritt des Holocaust-Lügners Bernhard Schaub an einer Informationsveranstaltung der Projektgruppe «Miteinander gegen Gewalt» in Merenschwand. Eine junge Frau habe die Waldhütte gemietet, wo Schaub seine rechtsextremen Sprüche loswerden konnte, und gab nachher zum Besten, in der Hütte habe ein «Familienfest» stattgefunden. Die Polizei sei auf dem Platz gewesen, teilte Isler mit. Strafrechtliche Konsequenzen gab es weder für den einschlägig vorbestraften Schaub noch für die Veranstaltungsteilnehmer. «Denn rechtsextreme Plakate fanden wir in der Waldhütte nicht.»

Informationen breit gestreut

Beim Projekt «Miteinander gegen Gewalt» im Bezirk Muri machen elf der dreizehn politischen Gemeinden, aber auch Kirchgemeinden und Schulen mit. Der Bund subventionierte das Projekt mit 12 000 Franken, wie die Projektleiterin Susanne Frei, Merenschwand, mitteilte. Die Anlaufstelle habe die Informationen über ihre Anliegen inzwischen breit streuen können, sagte Frei.

Das Ausmass der psychischen und physischen Gewalt, der Jugendliche im Bezirk Muri ausgesetzt sind, sei beträchtlich. Schweizer Jugendliche, die sich nicht nach rechts orientierten oder mit anderen politischen Auffassungen aufträten und Migrantinnen und Migranten würden eingeschüchtert, bedroht oder angegriffen. Viele Delikte blieben aber ungeahndet, weil die Betroffenen aus Angst vor weiteren Repressalien nicht zur Behörde oder zur Polizei gingen, stellt die Projektgruppe in ihrem Rechenschaftsbericht fest.

Briefkästen für Betroffene aufstellen?

Unerwartet schlecht benützten die Betroffenen das von der Anlaufstelle eingerichtete Notfalltelefon. Offensichtlich getrauten sich viele Jugendliche nicht, ihre Sorgen einer unbekannten Person zu erzählen, erklärte Angelo Botti, Sekundarlehrer in Merenschwand. Er schlug deshalb vor, ergänzend zum Notfalltelefon in oder bei den Schulhäusern Briefkästen aufzustellen, in denen die Jugendlichen ihre Aussagen deponieren könnten. In Merenschwand soll demnächst ein solcher Briefkasten aufgestellt werden. Damit seien auch schon an der Schule in Buttwil Versuche gemacht worden, erfuhr man an der Veranstaltung.

Schlüsselwort «Verantwortung»

Die Projektgruppe «Miteinander gegen Gewalt» definierte für sich, dass die Gewaltprävention nur dort gelingt, wo Eltern, Schul- und Gemeindebehörden, Polizei und Jugendarbeit, Kirchen und Vereine zusammenspannen. «Die Jugendgewalt» gibt es nach ihrer Ansicht nicht. Die meisten Menschen seien schon als Zeuge, Täter oder Opfer von verschiedenen Formen der Gewalt betroffen gewesen. «Jugendliche sind nicht anders, sie benutzen nur andere Gewaltformen», heisst es im Bericht. Die Opfer brauchten Schutz, die Täter aber Beratung. «Die Gewalt wird immer roher ausgeübt. Es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob es die Projektgruppe noch braucht, sondern wie wir die Problematik anders angehen können», sagte Susanne Frei. Sie gebe deshalb den Ball zurück an die Schulen, um von ihnen zu erfahren, welche Lösungsansätze diese von der Projektgruppe und der Anlaufstelle erwarten.

Für Angelo Botti heisst das Schlüsselwort «Verantwortung». Die Jugendlichen sollten die Kontrolle über sich selbst übernehmen und erkennen, dass sie für ihr Leben selbst verantwortlich sind. Wer den Jugendlichen Vertrauen schenke, der helfe mit, die Probleme mit der Gewalt zu verkleinern. Die Jugendlichen müssten wieder nach einem altbewährten, aber offensichtlich vergessenen Rezept dazu gebracht werden, ihr Taschengeld selber zu verdienen. Damit hat der von Angelo Botti mitunterstützte «Schülerladen» in Zürich-Höngg Erfolg, in dem die Jugendlichen Dienstleistungen wie die Aufgabenhilfe für Schulkolleginnen und -kollegen oder das Babysitting anbieten. Offensichtlich freuen sich die Jugendlichen nicht nur am Taschengeld, sondern auch darüber, dass sie soziale Verantwortung übernehmen dürfen, ohne dass ihnen die Erwachsenen immer dreinreden. Das Projekt «Miteinander gegen Gewalt» laufe nach zwei Jahren im Mai 2004 aus, teilte Susanne Frei mit. Wie es weitergeht, ist noch offen.


Schlimm: Einladung zum «Schweizerischen Asylantenschiessen»

RECHTSEXTREMISMUS · In den Bezirken Muri und Bremgarten überdurchschnittlich viele Auswüchse

Gewalt hat viele Gesichter. In den Schlagzeilen sind die häusliche Gewalt und die Gewalt, die von rechtsextremen Gruppierungen ausgeübt wird. Rita Wismann, Leiterin der Opferhilfestelle Aargau-Solothurn, erklärte, dass die häusliche Gewalt schwer zu bekämpfen sei, weil die Betroffenen sich meistens scheuten, Hilfe zu holen. Opfer seien oft auch Kinder, die unseren Schutz bräuchten. «Die Wahrung der Rechte der Kinder ist der Ausgangspunkt für eine bessere Welt», sagte Rita Wismann. Der Kantonspolizist Thomas Isler lieferte Zahlen. Im Kanton Aargau erstellte die Kantonspolizei letztes Jahr 539 Rapporte zum Tatbestand der häuslichen Gewalt. Diese führten zu 177 Anzeigen. Die Ausländer sind an den Gewalttaten überproportional vertreten. In die Hälfte der Vorfälle sind Ehepaare involviert. Bei einem Drittel der Fälle gab es Verletzte.

Liegt der Bezirk Muri bei der häuslichen Gewalt im kantonalen Durchschnitt, sind dieser und der Bezirk Bremgarten bei den rechtsextremen Auswüchsen eindeutig darüber. Der durchschnittliche Rechtsextreme kommt aus ländlichen oder kleinstädtischen Verhältnissen, ist zwischen 15 und 22 Jahren alt und meistens Lehrling. In rechtsextremen Kreisen bewegen sich ausserordentlich wenige Studenten oder Arbeitslose. Im Aargau hat die Polizei 390 Rechtsextreme in verschiedenen Gruppierungen im Visier. Die Zahl verdreifachte sich gegenüber 2000. 58 Personen waren es Ende 2002 im Bezirk Bremgarten, 57 Personen im Bezirk Muri. Die zukünftigen Rechtsextremen werden systematisch an Oberstufen- und Berufsschulen angeworben. Bekannt ist, dass die Rechtsextremen durch eine scheussliche Sprachregelung auffallen. Das Flugblatt, das zu einem «Schweizerischen Asylantenschiessen» eingeladen habe, habe leider auch bei uns kursiert, sagte Thomas Isler. (ba)