Nach drei Jahren endlich der Prozess

Der Bund

Am 15. März 2004 beginnt der Prozess gegen drei Angeklagte, die im Januar 2001 in Unterseen ihren «Ordens-Kameraden» Marcel von Allmen töteten

«Orden der arischen Ritter» nannte sich die Gruppe teils rechtsextremistischer Jugendlicher, die sich vor drei Jahren auf dem Bödeli bei Interlaken gebildet hatte. Im Januar 2001 brachten sie einen der Ihren um: den 19-jährigen Marcel von Allmen. Im März kommt es zum Prozess.

Christine Brand

«Der Prozess ist nötig, damit wir verarbeiten und abschliessen können», sagte Simon Margot, Gemeindepräsident von Unterseen, ein Jahr nach der Tat. Seither sind weitere zwei Jahre vergangen. Zu lange musste laut Staatsanwalt Hans Peter Schürch auf die psychiatrischen Gutachten über die Täter gewartet werden. Doch am 15. März 2004 wird es nun so weit sein: Voraussichtlich in Bern statt in Interlaken beginnt der Prozess gegen drei der vier jungen Täter, die in der Nacht auf den 26. Januar 2001 dem 19-jährigen Marcel von Allmen brutal das Leben genommen hatten. Das Urteil wird am 29. März erfolgen. Der jüngste der Angeschuldigten ist bereits vor zwei Jahren vom Jugendgericht wegen Mordes schuldig gesprochen worden.

Marcel von Allmen, Vöni genannt, war Mitglied einer Gruppe, die sich «Orden der arischen Ritter» nannte. Zumindest einige der Mitglieder pflegten ein rechtsextremistisches Gedankengut. Es war auf dem Bödeli auch hin und wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Schweizern und Ausländern gekommen. Vönis Clique, der geheime Orden, sah sich auch als Beschützer der Mädchen vor den ausländischen Pöblern. Doch Marcel von Allmen hatte einen Fehler gemacht: Er hat offenbar zu viel geplaudert, vom geheimen Orden erzählt, hat das «Schweigegelübde» gebrochen. Die vier anderen Ordensmitglieder, seine «Kameraden», lockten ihn in der folgenschweren Nacht zum Schulhaus, fuhren mit ihm zur Ruine Weissenau. Dort schlugen sie Marcel von Allmen brutal zu Tode, mit einem Metallrohr. Danach warfen sie ihn mit einem Gewicht versehen in den Thunersee. Die drei, zum Tatzeitpunkt erwachsenen, Angeklagten müssen sich wegen «unvollendeten versuchten und vollendeten Mordes» verantworten. Bereits eine Nacht früher hatten sie beabsichtigt, von Allmen zu töten. Zuvor hatten sie auch schon andere Tötungsdelikte geplant.

Die Tat hatte ganz Unterseen, die ganze Region erschüttert. Man kannte sich. Täter wie auch Opfer sind zum Teil bei Gemeindepräsident Margot zur Schule gegangen. Dass sich eine rechtsextreme Gruppierung gebildet hatte, wollte man nicht gemerkt haben. Heute, sagt Margot, habe der Alltag längst wieder Einzug gehalten. Auch wenn die Tat nicht vergessen werden könne. «Wir, die alles hautnah miterlebt haben, uns wird das Vorgefallene für immer prägen», sagt Margot. Überhaupt denkt er, etliche seien auf dem Bödeli sensibler geworden. «Zwei oder drei Mal wurde mir auch etwas gemeldet.» Weil man eben hin- und nicht mehr wegschauen wolle. Es nicht zulassen wolle, dass so etwas noch einmal passieren könnte. Extremistische Szenen hat Margot in Unterseen indes nicht mehr beobachtet. Einmal sei jemand verprügelt worden – und dieser habe sich nicht getraut, Anzeige zu erstatten. Aber das seien Zwischenfälle, wie sie in der heutigen Gesellschaft wohl einfach passierten.

«Gang»-artige Cliquen

«Wie in den meisten Gemeinden sind auf dem Bödeli nach wie vor Spannungen zwischen schweizerischen und ausländischen Gruppen vorhanden», sagt Sabina Stör, Mitglied der Gruppe «Brücke», die nach der Tat gegründet wurde und seither mit verschiedenen Aktionen und Anlässen aktiv Gewaltprävention betrieben hat. Es sei aber keine Gruppierung wahrzunehmen, die gegen aussen Rechtsextremismus manifestiere. «Es wurden in letzter Zeit auch keine Gewaltvorfälle in diesem Bereich registriert.» Die grössten Spannungen gibt es gemäss der Gruppe «Brücke» derzeit zwischen «Gang»-artig organisierten Cliquen, «wobei es sich nicht um politisch motivierte Vorfälle handelt». Dass es nun nach über drei Jahren zum Prozess kommt, wird sowohl von der Gruppe «Brücke» wie auch von Simon Margot begrüsst. Auch wenn vieles wieder hochkommen wird. «Der Prozess stellt für viele Leute das Ende der öffentlichen Diskussion um den Mordfall dar», sagt Sabina Stör. «Es werden insbesondere Antworten auf noch offene Fragen bezüglich Vorgeschichte und Tatmotive erwartet.» Man begreife einfach nicht, wie das Ganze habe passieren können, sagt Simon Margot. Der Prozess solle helfen, besser verstehen zu können. «Es braucht ihn einfach.» Vor allem aber solle mit dem Prozess endlich ein Schlussstrich gezogen werden. Margot: «Damit wir dieses Dossier bündeln und in eine Schublade versorgen können – wir werden dabei aber immer wissen, wo es ist und was darin ist.»