Militär ist keine Privatsache

Aargauer Zeitung

Rassendiskriminierung Untersuchungsrichter wollte das Verfahren einstellen

Ein Untersuchungsrichter der Armee empfahl ein Verfahren gegen vier Wehrmänner wegen Rassendiskriminierung in der Kaserne von Isone einzustellen. Jetzt reagiert der Schulkommandant, er will den Fall genauer untersuchen lassen.

Flurina Valsecchi

Der Fall ereignete sich im August 2005 im Tessin: Zwei Unteroffiziere und zwei Rekruten der Grenadier-Rekrutenschule in Isone begegneten sich mit dem Hitlergruss und machten untereinander und auf Märschen rassistische und rechtsextreme Sprüche. Kameraden tolerierten dies nicht und meldeten die Vorfälle. Darauf wurde ein Verfahren eingeleitet, und die vier Männer wurden nach Hause geschickt.

Nun hat der Untersuchungsrichter des Militärgerichts 2 nach der Beweisaufnahme empfohlen, das Verfahren wegen Rassendiskriminierung einzustellen, die vier Männer sollten jedoch disziplinarisch bestraft werden. Der Untersuchungsrichter argumentierte in seinem Schlussbericht, dass diese Äusserungen immer nur innerhalb eines engen Personenkreises gefallen seien, wie Martin Immenhauser, Sprecher des Oberauditors, gestern ergänzte. Die Beschuldigten sowie jene Armeeangehörigen, welche Anzeige erstattet hatten, hätten sich gekannt. Deshalb habe der Untersuchungsrichter entschieden, dass keine Öffentlichkeit im Sinne des Gesetzes bestehe. Zudem habe nicht nachgewiesen werden können, dass ein Vorsatz zur Rassendiskriminierung vorhanden gewesen sei.

Doch der Kommandant der Rekrutenschule, Oberst Zeno Odermatt, will der Empfehlung des Untersuchungsrichters nicht folgen. Deshalb werde Odermatt eine Voruntersuchung durch die Miltiärjustiz anordnen, sagte Felix Endrich, Sprecher der Armee. Obwohl das Verfahren damit noch nicht abgeschlossen ist, kritisieren Fachleute das Vorgehen der Armee stark. Als einen «Fehlentscheid» bezeichnet der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli die Empfehlung. Das Argument, es habe in Isone keine Öffentlichkeit bestanden, sei falsch. «Dies würde bedeuten, dass die Armee eine Privatsache ist.» Tatsächlich aber würden sich in einer Rekrutenschule Menschen aufhalten, die sich zuvor nicht kannten und die sich nicht freiwillig getroffen hätten. Deshalb könne kein Vertrauensverhältnis vorausgesetzt werden.

Rassismus «bagatellisiert»

Völlig unverständlich ist die Empfehlung des Untersuchungsrichters aus der Sicht von Antirassismus-Organisationen. Der Fall zeige einmal mehr, dass Rassismus in der Schweiz noch immer bagatellisiert werde, sagte Ronnie Bernheim, Präsident der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Cécile Bühlmann, Vizepräsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, ist froh darüber, dass Schulkommandant Obermatt den Fall nun genauer untersuchen lassen will. Denn für sie ist klar, dass die Armee kein privater Freundeskreis, sondern eine Zwangsgemeinschaft und damit auch ein Teil der Öffentlichkeit sei. Auch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund reagierte «mit grossem Unverständnis». Er könne nicht nachvollziehen, dass gerade in der Armee der Antirassismusartikel nicht im Sinne des Bundesgerichts interpretiert werde, heisst es in einer Medienmitteilung.

Vermutlich wird der Fall aus Isone auch Doudou Diène, UNO-Sonderberichterstatter über Rassismus, zu Ohren kommen. Er ist diese Woche in der Schweiz zu Besuch und hat sich gestern mit den Bundesräten Christoph Blocher und Pascal Couchepin getroffen.