Am 26. Juli 2025 organisierten identitäre Gruppen aus dem deutschsprachigen Raum ihre jährliche «Remigrations-Demo» in Wien. Wie bereits 2024 waren auch dieses Jahr mehrere Schweizer:innen vor Ort – einige davon aktiv in die Organisation eingebunden. Die Kundgebung selbst vermochte allerdings kaum über das eigene Milieu hinaus zu mobilisieren: Trotz grossspurigem Aufruf versammelten sich weniger als 500 Neonazis in der österreichischen Hauptstadt.
Remigration: Kampfbegriff der neuen Rechten
„Remigration“ ist ein ideologischer Begriff der neuen Rechten. Gemeint ist die zwangsweise Rückführung aller als «fremd» verstandenen Menschen in ihre Herkunftsländer. Hinter dem harmlos klingenden Begriff verbirgt sich eine rassistische Politik, die versucht, bürgerliche Milieus mit völkischem Gedankengut anzusprechen. In Deutschland machte Martin Sellner auf einer Konferenz in Potsdam deutlich, worum es wirklich geht: Er forderte die Deportation von Millionen Menschen in eine sogenannte «Sicherheitszone» in Afrika.
Der Begriff „Remigration“ wurde inzwischen von vielen rechtspopulistischen und rechtskonservativen Parteien in Europa übernommen. Auch in der Schweiz ist er mittlerweile zunehmend salonfähig. Exponent:innen der Jungen SVP fordern Massenabschiebungen unter diesem Schlagwort und auch Vertreter:innen der Mutterpartei beteiligen sich an diesem Diskurs und pushen ihn in die gesellschaftliche Mitte. Die FPÖ in Österreich und die AfD in Deutschland blasen ins gleiche Horn – mit der impliziten Vision eines «ethnisch reinen», weissen Europas.
Wiener Demo: Szene bleibt unter sich
Die Demo in Wien versteht sich als jährlicher Kulminationspunkt dieser sogenannten Remigrationsbewegung. Doch auch in diesem Jahr wurden die hohen Erwartungen nicht erfüllt. Teilgenommen haben vor allem die üblichen Verdächtigen: rechte Jugendgruppen, schlagende Verbindungen, sogenannte „Trad Wives“ sowie rechte Influencer:innen. Die erhoffte Massenmobilisierung blieb aus, und auch rechtsbürgerliche Politiker:innen waren, wenn überhaupt, nur am Rande präsent. Die Szene blieb erneut unter sich. Die Veranstaltung bot damit einen Einblick in die Vernetzung und Mobilisierungskraft der deutschsprachigen identitaeren Szene, aber auch deren Grenzen.
Starke Schweizer Präsenz
Aus der Schweiz waren Vertreter:innen der Jungen Tat (JT) und von Mass-Voll anwesend. Dies erstaunt nicht. So ist es neben der Jungen SVP gerade die Junge Tat, welche mit medienwirksamen Aktionen versucht, Remigration auf die politische Agenda zu setzen. Zuletzt diesen Juni mit einer Aktion am SVP-Fraktionsausflug auf dem Rütli. In Wien war die Junge Tat aktiv an der Organisation der Demo und des am Vorabend stattfindenden Kampfstportevents im Keller der Identitären Bewegung beteiligt:




- Während Tobias Lingg und Colin Schaffner am Freitagabend kämpften, versuchten Aleksej Čajić und weitere Mitglieder der «Swiss Boys», wie Lars Brändlin, die angemeldete Kampfsportveranstaltung mit aufgespannten Schirmen vor der Presse abzuschirmen
- Am Samstag waren auffällig viele Schweizer:innen in die Orga-Strukturen der Demonstration eingebunden:

- Tobias Lingg trat als Anheizer am Megafon auf.
- Colin Schaffner und Marc Schweizer trugen das Fronttransparent und waren auch als Ordner im Einsatz.

- Selina Dienemann war mit ihrem Partner Sebastian Stefan vor Ort, auch sie war wie die wenigen anderen Frauen am Fronttransparent präsent.


- Manuel Corchia war – zusammen mit Florian Stimpfle – an beiden Tagen als Kameramann unterwegs. Am Samstag hielt Corchia zudem eine Rede

- Marlon Buser, ehemals dem Mass-Voll-Kernteam angehörend, scheint den Wechsel in die JT vollzogen zu haben – er trug sowohl deren Hose als auch Shirt und war am Freitag wie auch am Samstag mit dieser Gruppe unterwegs. An seiner Seite Lea Moll auch ehemals Mass-Voll.


Von Mass-Voll waren neben Nicolas Rimoldi noch Oliver Höfler, Lars Ziegler sowie Nicolas Meyer aus Zürich anwesend. Letzterer fiel, wie im Vorjahr, als Fotograf auf. Im Unterschied zur Jungen Tat trat Mass-Voll weniger als Organisation in Erscheinung – es wirkte eher wie ein privater Auftritt Rimoldis mit seinen Getreuen. Allerdings durfte auch Rimoldi erneut eine Rede vom Lautsprecherwagen aus halten.
Vernetzung mit Europas Rechten
Dass beide Organisationen europaweit in der Neonazi-Szene mitmischen, ist schon länger bekannt. Martin Sellner ist ein gern gesehener Gast bei der Jungen Tat, und auch Rimoldi sucht immer wieder dessen Nähe. Beide Organisationen nahmen auch am sogenannten Remigrationskongress letzten Mai in Mailand teil, wo in exklusivem Rahmen über die «Rückführung» Geflüchteter in Kriegsgebiete referiert wurde. Neben diesem Kernthema verbinden die Gruppen auch ihre Kampfsportaffinität sowie persönliche Beziehungen.
Die identitäre Szene in der Deutschschweiz bleibt weiterhin überschaubar. Dank prominenter Vertreter, die auch öffentlich in Erscheinung treten, ihrer guten Vernetzung in der neurechten Szene sowie ihren Verbindungen zur SVP gelingt es ihnen, über ihr direktes Umfeld hinaus an Einfluss zu gewinnen. Gerade die Junge SVP hat ihre Berührungsängste zu rechtsextremen Begriffen und Konzepten mittlerweile verloren. Durch mediale Inszenierung schafft es dabei vor allem die JT, puntkuell in den öffentlichen Fokus zu gelangen und ihre menschenverachtende Ideologie einer breiteren Bevölkerung vorzustellen.
Bildquellen
Stand: 29.8.2025