Yara Buol: «Rassismus ist nicht zuletzt auf fehlende Bildung zurückzuführen»

Südostschweiz. Die Bündner Tiktokerin Yara Buol wird permanent mit rassistischen Äusserungen konfrontiert. Diese lässt sie jedoch nicht auf sich sitzen.

Yara Buol wird im November 25 Jahre alt, wohnt in der Region Viamala und befindet sich in der Ausbildung zum energetischen Coach. In ihrer Freizeit produziert sie regelmässig Content, also Bilder und Videos für die Social-Media-Plattformen Instagram und Tiktok. Immer wieder muss sich Buol dort mit rassistischen Äusserungen auseinandersetzen. In einem kürzlich veröffentlichten Video nimmt sie Stellung zu einem Kommentar, in welchem sie massiv rassistisch angegangen wurde.

Yara Buol, in deinen Videos nimmst du deine Zuschauer mit in deinen Alltag. Immer wieder reagieren Zuschauerinnen und Zuschauer sehr aggressiv auf deine Videos. Beispielsweise, als du Fufu, ein Gericht aus der west- und zentralafrikanischen Küche, gegessen hast. Dieses Video schlug ein. Wieso denkst du, triggerte dieses Video deine Zuschauer so sehr?

Yara Buol: Ich esse viel Fufu zu Hause. Da lag es auf der Hand, dass ich dies mit meinen Followern teile. Niemals hätte ich mir ausmalen können, was ein solches Video auslösen würde. Über eine Million Menschen hat sich das Video angeschaut. Ich vermute, dass das Gericht vielen Menschen in der Schweiz unbekannt ist. Dazu kommt, dass man Fufu nicht mit Besteck, sondern mit den Händen isst. Viele empfinden dies als nicht normal.

Das kann doch nicht der Grund sein, Sandwiches, Burger, Pommes … hierzulande wird oft mit den Händen gegessen.

Es ist die Konsistenz. Fufu ist ähnlich wie Polenta oder Kartoffelstock, und es wird zusammen mit Sauce und Gemüse gegessen. So was isst man in der Schweiz nur mit Besteck.

Was ging dir durch den Kopf, als du realisiert hast, wie viele Menschen dieses Video geschaut haben?

Einerseits fand ich das ziemlich schön, dass ich diese Kultur mit meinen Mitmenschen teilen konnte. Andererseits haben mich die vielen schlimmen Kommentare sehr traurig gemacht. Ich habe es schlicht nicht verstanden – ich habe ja nichts Schlimmes oder Verbotenes gemacht. Ich habe nur gegessen. Es ist schade, wenn man Menschen nur wegen ihrer Kultur angreift.

Kannst du erzählen, welche Kommentare auf dieses Video folgten?

Mir wurde beispielsweise gesagt, dass es respektlos sei, mit den Händen zu essen, und dass ich mich anzupassen hätte, wenn ich schon in der Schweiz wohnen dürfe.

Deine Mama kommt aus Angola und du zeigst sie regelmässig in deinen Videos. Hast du mit ihr über diese Kommentare gesprochen?

Meine Mutter hat die Kommentare gelesen. Sie fühlte sich sehr angegriffen. Es ging dabei um ihre Heimat. Wenn sie sieht, wie viele Menschen sie und ihre Kultur nicht akzeptieren, hat sie grosse Mühe. Ich probiere ihr dann zu erklären, dass sie nicht hinhören soll. Ich sage ihr auch immer wieder, dass alle Menschen, die im Internet ein loses Mundwerk haben, kaum den Mut hätten, uns persönlich so zu beleidigen.

Vor ein paar Tagen hast du in einem Video auf einen Kommentar geantwortet, in welchem stand, dass du immer eine Fremde bleiben würdest. Weshalb hast du dich entschieden, auf diesen anonymen Kommentar einzugehen?

Ich hatte diesen einen Kommentar schon lange im Auge und mir stark überlegt, was und ob ich darauf antworten soll. Es ist halt nicht das erste Mal, dass mir gesagt wird, ich sei keine Schweizerin. Wenn ich dann antworte, dass ich hier geboren sei und den Schweizerpass habe, folgt darauf immer «aber du bist halt keine Eidgenossin». Auch im Ausgang.

Das wird dir regelmässig ins Gesicht gesagt?

Ja klar! Die Menschen sagen mir oft, ich solle dahin zurückgehen, wo ich hergekommen sei. Dass ich hier in der Schweiz nicht willkommen sei und dass ich nicht schweizerisch genug aussehe. Das passiert nicht nur mir. Ich weiss, dass ich nicht schweizerisch aussehe. Und mir war es wichtig, dass diese Menschen, denen das auch passiert, sehen, dass ich mich wehre.

Hast du diese Anfeindungen auf offener Strasse schon als Kind erlebt?

Ich weiss nicht mehr viel von meiner Kindheit. Mit 16 hat es aber bestimmt begonnen. Wildfremde Männer oder Jungs kamen auf mich zu und haben mir gesagt, dass man mich hier nicht haben will. Oft passieren solche Zwischenfälle auch, wenn ich mit meiner Mama unterwegs bin. Im Sommer wollten meine Mama und ich in einem Restaurant in Interlaken essen gehen, man wollte uns aber erst keinen Tisch im Freien geben. Einem anderen, schweizerischen Ehepaar, wies man aber ohne Umschweife einen solchen zu. Wir hätten dann im Innern essen sollen. Ich bestand dann aber darauf, dass wir in diesem Restaurant überhaupt nicht einkehren.

Das klingt ganz furchtbar.

Wir sind es uns gewohnt. Gehe ich mit meiner Mama einkaufen, sprechen die Menschen aus Prinzip nur Schriftsprache mit uns. Auch wenn ich die Menschen darauf hinweise, dass wir kein Problem mit Schweizerdeutsch haben, sie sprechen weiter in Schriftsprache.

Das ist auch eine Form von Rassismus. Halt etwas subtiler.

Frauen zeigen ihren Rassismus weniger stark. Während ich eher von Männern verbal beleidigt werde, ist es bei den Frauen meist ihr Verhalten, welches Abneigung ausdrückt.

Wie verarbeitest du diesen alltäglichen Rassismus?

Früher habe ich mich stark hinterfragt. Bin ich wirklich anders? Werde ich hier nie hingehören? Haben diese Menschen recht? Man muss selber stark genug sein, um sich immer wieder sagen zu können, dass man gut genug ist und diese Menschen falschliegen. Kann man das nicht, ist es wirklich schlimm.

Nicht jede Person ist aber von Grund auf so resilient.

Ich versuche meinen Freundinnen und Freunden, welche ebenfalls mit Rassismus konfrontiert sind, immer wieder zu erklären, dass jeder Mensch irgendwo fremd ist. Wir sind alle verschieden und das ist gut so. Wichtig ist, dass man zu seinem eigenen Charakter stehen kann.

Rassismus ist in der Schweiz strafbar. Findest du, die Schweizer Politik unternimmt genug, um den Rassismus zu bekämpfen?

Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Man macht ein Drama wegen der Bezeichnung «Mohrenkopf». Damit fördert man rassistisches Verhalten. Mit solchen Aktionen bekämpft man den Rassismus nicht, das ist nur Kosmetik. Es wird an der Oberfläche gekratzt und dann klopft man sich selber auf die Schulter und ist zufrieden. Ob dieses Gebäck heisst, wie es heisst, oder ob auf der Uncle-Bens-Packung ein schwarzer Mann abgebildet ist oder nicht, ist unter dem Strich egal. Das sind keine Rassismusauslöser.

«Die meisten Menschen wissen ja noch nicht mal, dass Afrika ein Kontinent und nicht etwa ein Land ist.»

Yara Buol, Bündner Tiktokerin

Was löst in deinen Augen Rassismus aus?

Das Internet spielt definitiv eine Rolle. Dazu kommt, dass viele Menschen nicht fähig sind, zu akzeptieren, dass es nebst ihrer eigenen noch andere Kulturen gibt. Der Blick geht nicht über den eigenen Tellerrand hinaus. Wortwörtlich – ich muss nur Fufu essen, schon drehen alle durch.

Asiatisches Essen birgt weniger Konfliktpotenzial. Weshalb denkst du, haben es Kulturen aus den Ländern Afrikas so viel schwerer hierzulande?

Die Länder Afrikas werden noch immer als Drittweltländer bezeichnet. Das ist Quatsch. Afrikas Länder sind reich an Rohstoffen. Sie wurden halt einfach von den anderen Kontinenten ausgebeutet. Dazu kommt die teilweise sehr dunkle Hautfarbe. Aber die meisten Menschen wissen ja noch nicht mal, dass Afrika ein Kontinent und nicht etwa ein Land ist. Rassismus ist nicht zuletzt auf fehlende Bildung zurückzuführen. Wer sich korrekt bildet und informiert, lässt keinen rassistischen Stuss raus.

Haben es Menschen mit dunkler Hautfarbe in der Schweiz schwieriger als beispielsweise geflüchtete Personen aus der Ukraine?

Ich habe viel über diese Situation nachgedacht und mit Freunden und Familie darüber diskutiert. Es ist schon Wahnsinn, wie schnell für die Menschen aus der Ukraine ein spezieller Schutzstatus geschaffen wurde und wie viele Familien privat ukrainische Hilfesuchende bei sich aufgenommen haben. Währenddessen warten Menschen aus Syrien und anderen Kriegsländern zu siebt auf zwölf Quadratmetern im Asylantenheim auf ihre Zukunft. Dabei sollten doch alle Personen, die aus ihrem Land flüchten mussten, gleich behandelt werden.

Was denkst du, kann man gegen diese Missstände tun?

Ich würde gerne mit jenen Menschen, die solche politischen Entscheidungen treffen, ein Asylheim besuchen. Damit ihnen klar wird, welche Zustände dort herrschen. Ich war schon öfters in solchen Unterkünften zu Besuch. Natürlich gibt es viele Asylanten in der Schweiz, die es nicht genügend zu schätzen wissen, dass sie vorläufig aufgenommen wurden. Das hat aber absolut nichts mit ihrem Herkunftsland zu tun, es ist schlicht eine Charakterfrage. Man muss halt einfach aufhören, alle über einen Kamm zu scheren.