Er drohte mit Anschlägen auf Moscheen – nun wurde er in Kroatien verhaftet

Der Bund. Die Behörden halten den 20-Jährigen für den ersten Rechtsterroristen der Schweiz. Vom Exil aus beteuerte er öffentlich seine Unschuld – nun sitzt er in Untersuchungshaft. Die Hintergründe.

Seit Oktober 2020 war Miran S. (Name geändert) auf der Flucht. Der Mann, den die Behörden für den ersten Rechtsterroristen der Schweiz halten, war international zur Verhaftung ausgeschrieben. Doch wirklich versteckt hielt er sich nicht. Stattdessen gab der Ostschweizer dieser Zeitung ein Interview, trat danach auch im Schweizer Fernsehen auf. Und führte die Strafverfolger so öffentlich vor.

Damit ist nun Schluss. Die kroatischen Behörden haben Miran S. verhaftet, wie Recherchen dieser Zeitung und des Schweizer Fernsehens belegen. Das Bundesamt für Justiz will sich auf Anfrage nicht zur Festnahme äussern. In Kroatien jedoch bestätigt die zuständige Staatsanwaltschaft: «Der Beschuldigte wurde am 1. März 2022 verhaftet, nachdem mehrmonatige Ermittlungen durchgeführt worden waren.»

Neue Vorwürfe in Kroatien

Miran S. befinde sich in Untersuchungshaft. Der lokale Staatsanwalt ermittelt nun einerseits zum laufenden Verfahren in der Schweiz, unter anderem wegen Verdachts auf öffentlichen Aufruf zu Terrorismus. Hinzu kommen laut Angabe der Behörden aber auch verschiedene mutmassliche Delikte, die der heute 20-Jährige während seiner Flucht in Kroatien begangen haben soll – nämlich unerlaubter Besitz, Herstellung und Erwerb von Waffen und Sprengstoffen, schwerer Diebstahl sowie Vorwürfe wegen Drogen.

Verurteilt wurde der Beschuldigte bisher noch nie. Er bestritt in der Vergangenheit öffentlich, dass er je einen Anschlag verüben wollte, gab aber andere Delikte zu.

Sicher ist, dass die Liste der Anschuldigungen somit noch länger wird, als sie ohnehin schon war. Denn Miran S. geriet bereits als Teenager auf die schiefe Bahn.

«Es muss davon ausgegangen werden, dass er direkt Menschenleben beeinträchtigen will.»

Aus einem Bericht des Nachrichtendiensts des Bundes über Miran S.

Da war einerseits seine Faszination für Sprengstoffe. Der Elektrikerlehrling experimentierte anfangs mit Feuerwerk, baute irgendwann auch kleinere Sprengkörper, die er in einem Wald explodieren liess. Auf der anderen Seite driftete der Jugendliche online in rechtsextreme Gruppen ab. Chats zeigen, wie er gegen Muslime hetzte und mit Anschlägen drohte. «Werde ein paar Gebetshallen zusammenschiessen», schrieb er auf Englisch. Oder: «Geh ein paar Muslime töten.»

Noch konkreter wurde es nach dem Attentat von Christchurch. Im März 2019 ermordete ein Rassist in der neuseeländischen Stadt Dutzende Muslime. Er filmte sich mit einer Helmkamera und übertrug das Massaker direkt ins Internet. Es waren verstörende Aufnahmen. Doch Miran S. haben sie offenbar inspiriert. Er lud einen Ausschnitt des Videos auf Instagram hoch und schrieb dazu: «Irgendwann werde ich das Gleiche tun.» Jemand fragte nach: «Wo?» Die Antwort: «Irgendwo in der Schweiz.»

Der Beitrag gelangte zum amerikanischen FBI, ging an die Schweizer Bundesbehörden und landete schliesslich bei der kantonalen Jugendanwaltschaft. Denn Miran S. war damals erst 17 Jahre alt. Er sass danach eine Woche in Haft.

Ein Fall für den Bundesrat

Wieder in Freiheit, bestellte sich der Jugendliche in einer Online-Drogerie kiloweise Chemikalien, die zur Herstellung eines hochexplosiven Sprengstoffs verwendet werden können. Es folgte die zweite Verhaftung. Der Nachrichtendienst des Bundes stufte den Jugendlichen mittlerweile als «gefährlich» ein. Das Risiko eines rechtsextrem motivierten Terroranschlages sei hoch, heisst es in einem Bericht von damals. «Es muss davon ausgegangen werden, dass er direkt Menschenleben beeinträchtigen will.»

Trotzdem kam der Verdächtige nach knapp zwei Wochen erneut frei. Nun versuchte er, bei einem Waffenhändler eine Schusswaffe und zwei Handgranaten zu kaufen. Die Behörden werteten dies als mögliche Vorbereitung einer Gewalttat. Sie verhafteten den Ostschweizer zum dritten Mal und wollten nun durchgreifen. Also entschied sich der Jugendanwalt für eine geschlossene Schutzmassnahme.

In der Folge wurde Miran S. zu einer nationalen Figur. Bundesrätin Karin Keller-Sutter weibelte mit seiner Geschichte, als es im Frühling 2021 um das Anti-Terror-Gesetz ging. Was sie nicht sagte: Der Verdächtige war zu jenem Zeitpunkt auf der Flucht. Er war aus dem Massnahmenzentrum Uitikon im Kanton Zürich getürmt. Und wandte sich später im Gespräch mit dieser Zeitung an die Öffentlichkeit.

Verschiedene Vorwürfe gestand er dabei ein. Zum Beispiel, dass er im Wald kleinere Bomben gezündet habe. Dass er versuchte, eine Pistole und Handgranaten zu kaufen. Oder mehrere Kilogramm Chemikalien bestellte, mit denen man Sprengstoffe herstellen kann. Er bestritt auch nicht, gegen Muslime gehetzt zu haben. Und dass er mehrmals ein Attentat auf Moscheen angekündigt hatte.

Jedoch verneinte Miran S. vehement, dass er wirklich einen Anschlag planen und durchführen wollte. «Nie. Nie. Nie. Ich wäre nicht fähig dazu», sagte er damals. Er habe «viele, sehr viele Fehler» gemacht. «Ich bereue wirklich, verdammt fest.» Von Rechtsextremismus distanzierte er sich im Gespräch. «Ich möchte das eigentlich am liebsten alles vergessen.»

Diesen März trat Miran S. erneut öffentlich auf. Nach wie vor auf der Flucht, gab er auch gegenüber dem Schweizer Fernsehen ein Interview. Man sah den Doppelbürger, wie er in seiner zweiten Heimat Kroatien auf dem Bau arbeitet, scheinbar unbehelligt von den Behörden. Er versuche, «zurück in die Normalität zu finden», sagte er. Kurz nach den Aufnahmen erfolgte die vierte Verhaftung.