Judensterne an Corona-Demos Bundesrat will Nazi-Symbole nicht verbieten!

Blick.

Hakenkreuze oder «Ungeimpft»-Aufkleber im Design eines Juden-Sterns: Gerade an Corona-Demos sind immer wieder Nazi-Symbole zu sehen. Der Bundesrat aber erkennt keinen Handlungsbedarf. Er ist gegen ein Verbot.

Die Corona-Krise treibt viele von uns an ihre Grenzen. Manche vergreifen sich dabei im Ton. Regelmässig werden die Schutzmassnahmen mit der Verfolgung von Juden im Nationalsozialismus auf eine Stufe gestellt. Rechtsextreme fühlen sich davon angezogen.

So sorgte im vergangenen Herbst eine Demo für Aufsehen, weil ein Mann den Hitler-Gruss zeigte. Kurz darauf erschien auf Telegram-Kanälen ein Aufruf für eine Kundgebung, auf der ein Hakenkreuz prangte. Und Mitte Januar setzten sich vermummte Neonazis in Bern erstmals in der Schweiz an die Spitze einer Corona-Demo.

Im Parlament wird ein Verbot gefordert

Dagegen wehrt sich Mitte-Nationalrätin Marianne Binder (63). «Im Dritten Reich mussten jüdische Menschen Judensterne tragen und wurden in Konzentrationslagern ermordet», erklärt sie. «Heute tragen Leute einen Judenstern mit dem Aufdruck ‹ungeimpft›, weil sie nicht in ein Restaurant dürfen.» Das sei unerträglich und inakzeptabel.

Per Motion fordert Binder ein neues Gesetz: Die Verwendung von Nazi-Symbolen im öffentlichen Raum soll verboten werden. Gesten, Parolen, Zeichen oder Fahnen – wenn es mit Nazis zu tun hat, soll es unter Strafe gestellt werden, sowohl im digitalen Raum als auch an Kundgebungen.

Für Regierung läuft das unter Meinungsfreiheit

Doch nun die Überraschung: Der Bundesrat ist gegen ein Verbot von Nazi-Symbolen in der Öffentlichkeit! Zwar sei «unbestritten, dass das Zur-Schau-Stellen und Instrumentalisieren von Kennzeichen des Nationalsozialismus schockierend und sehr belastend sein kann». Und das gerade für Opfer des Holocaust, ihre Angehörigen oder Nachkommen.

Mit der Meinungsfreiheit sei es hinzunehmen, «dass auch stossende Ansichten vertreten werden, selbst wenn sie für die Mehrheit unhaltbar sind».

So sei es zwar verboten, Propaganda für Ideologien zu betreiben, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung gerichtet sind. «Allein die Tatsache, öffentlich seine Sympathien für eine diskriminierende Ideologie zu bekunden oder sich auf diese im Kontext, auch auf zynische Weise, zu beziehen, stellt noch keine Propaganda dar», argumentiert der Bundesrat.

Gleichzeitig weist der Bundesrat darauf hin, dass auch das Parlament es 2015 und 2016 abgelehnt habe, den Hitlergruss unter Strafe zu stellen. Und: Bei neueren Anläufen habe er «keine Notwendigkeit erkannt, weitergehende Strafbestimmungen gegen den Gebrauch bestimmter Symbole zu erlassen».

Lieber Prävention als Verbote

Damit nicht genug: Der Bundesrat argumentiert zudem damit, dass Nazi-Symbole nicht nur von Rechtsextremen verwendet würden. Sie sollten auch weiterhin bei der Aufarbeitung in einem historischen, erzieherischen, journalistischen oder künstlerischen Kontext verwendet werden können. Der Bundesrat ist deshalb nach wie vor überzeugt, dass Prävention besser geeignet sei als Verbote und Strafen.

Nationalrätin Binder aber sieht das anders: «In der Öffentlichkeit bekannte Nazi-Symbole und Nazi-Gesten im realen und im digitalen Raum fallen nicht unter die Meinungsäusserungsfreiheit.» In Zeiten des verstärkt ausgelebten Antisemitismus sei zudem Handlungsbedarf geboten. «Die Relativierung des Holocaust darf nicht toleriert werden.» (dba)