Brian K. wurde «rassistisch und ungerecht» behandelt

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Eine Uno-Expertengruppe für Menschenrechte kritisiert die Schweiz. Rassistische Überzeugungen und Stereotypen prägten die Behördenarbeit sowie alle Lebensbereiche.

Darum gehts

  • Eine Uno-Expertengruppe für Menschenrechte kritisiert Rassismus und Polizeigewalt in der Schweiz. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden am Mittwochnachmittag in Bern vorgestellt.
  • Speziell äusserten sich die Mitglieder der Gruppe zum Fall Brian K., bekannt geworden als «Fall Carlos». Der Fall sei geprägt von Rassismus und Ungerechtigkeit, so die Expertengruppe.
  • Allgemein orten die Experten in der Schweiz Probleme, nachdem sie im Auftrag des Bundes die menschenrechtliche Situation von afrikanischstämmigen Personen sowie allgemein systematische Rassendiskriminierung untersucht haben.

Der Rassismus gegenüber afrikanischen Leuten habe in der Schweiz «äusserst besorgniserregende» Zustände angenommen. Zu diesem Schluss kommt eine UN-Expertengruppe für Menschenrechte, die auf Einladung des Bundes die menschenrechtliche Situation afrikanischstämmiger Menschen und generell People of Color in der Schweiz untersuchte.

Am Mittwochnachmittag stellten sie in Bern ihre Ergebnisse vor. Betroffene würden in allen Bereichen ihres Lebens, sei es bei der Arbeit, beim Arzt oder in der Schule, diskriminiert, sagte Dominique Day, Chefin der Expertengruppe.

Die Expertengruppe befasste sich zudem intensiv mit Brian K., auch bekannt als «Fall Carlos». Er sei «ein krasses Beispiel für systemischen Rassismus in der Schweiz», so die Experten.

«Brian die Kindheit gestohlen»

Nach einem persönlichen Gespräch mit Brian K. und einer genauen Untersuchung des Falles kommt die Expertengruppe zu einer klaren Erkenntnis: «Rassendiskriminierung und Ungerechtigkeit sind in jedem Stadium des Falls offensichtlich.» Man habe Brian «die Kindheit gestohlen», als man ihn bereits im Kindesalter extremen Haftstrafen unterzogen habe und ihm den Zugang zu Bildung und seiner Familie verwehrt habe.

Diese und viele weitere Aspekte deuteten daraufhin, dass die Behörden in der Schweiz stark geprägt seien von «Rassenstereotypen und rassistischen Überzeugungen», so die Expertengruppe. Brians Grundrechte seien wiederholt und tiefgreifend verletzt worden, sagt Day. Sie verwiesen zudem auf den UN-Sonderberichterstatter für Folter sowie die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung, die ebenfalls Bedenken zum Fall Carlos geäussert hätten.

«Schockierende Polizeigewalt»

Ganz allgemein kritisiert die Expertengruppe die Zustände im Polizeiwesen heftig: Es würden überwiegend junge schwarze Männer Polizeikontrollen unterzogen. Dabei komme es oft zu Racial Profiling, das heisst: Die kontrollierte Person wird in solchen Fällen ausschliesslich aufgrund ihres Aussehens beziehungsweise ihrer Herkunft kontrolliert. Die Expertengruppe sei zudem über die weit verbreitete «Polizeigewalt schockiert».

Weil Racial Profiling nicht im Gesetz geregelt sei, hätten Betroffene kaum Chancen, sich vor Gericht zu wehren. Laut der Expertengruppe verhindere die «Nähe von Staatsanwaltschaft, Polizei und Justiz» unabhängige Untersuchungen von polizeilichem Fehlverhalten.

«Weniger medizinische Fürsorge»

Weitere schockierende Erkenntnisse habe man bei der Behandlung von afrikanisch stämmigen Personen im Gesundheitssystem gemacht, so die Expertengruppe. So würden diese oft «Vernachlässigung und Missachtung» vom medizinischen Personal erfahren. In verschiedenen Kantonen hätten Frauen afrikanischer Abstammung beispielsweise davon berichtet, dass sie während der Geburt weniger Fürsorge und Schmerzmittel erhalten hätten, weil sie laut dem medizinischen Personal «überdramatisch» seien und mehr Schmerzen aushalten könnten.