«Geschlossene Gesellschaft»

Schaffhauser AZ.

Party, aber nicht für alle: Sind beim Einlass in den Club Orient Hautfarbe und Herkunft entscheidend? 

Es ist ein Freitagabend Ende Dezember, Marc* will mit seinen Freunden feiern gehen. Sie sind zu fünft unterwegs. Die andern sind alle weiss, Marc ist als Einziger dunkelhäutig.
Die Jungs steuern das Orient in der Stadthausgasse an. Sie stellen sich beim Einlass an, zeigen ihr Zertifikat und ihre ID. Marcs Freunde kommen alle problemlos rein. Nur er nicht. Noch bevor er sein Portemonnaie hervorgeholt oder den Mund aufgemacht hat, weist ihn der Türsteher ab. Er komme heute nicht rein: «Geschlossene Gesellschaft». Was das bedeutet, sagte der Türsteher nicht. Geschlossene Gesellschaft offenbar nur für Marc.
So erzählen Marc und seine Freunde die Geschichte. «Ich dachte erst, das sei ein Scherz», sagt Marc. War es nicht. Ob er erst einen eingeschriebenen Brief brauche?, habe ihn der Türsteher gefragt, als Marc nachhakte. Er sei wie der Bundesrat, habe der Türsteher gesagt. Dies sei ein Privatclub und er müsse sich nicht erklären. Marc solle verschwinden. 
Auch eine Freundin, die später am Abend Clubbetreiber Bruno Meier nach draussen bat, habe nichts ausrichten können: Meier soll nur gesagt haben, er könne nichts machen, wenn die Türsteher so entschieden hätten. Später, erzählt Marc, hätten er und seine Freunde auf der Gasse noch vier weitere dunkelhäutige Bekannte getroffen, denen der Einlass ebenfalls verwehrt worden sei.
Wieso sich das so abgespielt hat, kann sich niemand von den jungen Leuten erklären. Marc habe noch nie Probleme im Orient gehabt, weder beim Einlass noch im Club. Er habe sich auch an jenem Abend respektvoll benommen, sei weder berauscht noch anders gekleidet gewesen. Das Einzige, was ihn von den andern unterschieden habe: die Hautfarbe. 

«Kann das nicht mehr hören»

Die Freunde von Marc wollten das nicht auf sich sitzen lassen. Sie fanden den Vorfall diskriminierend und wandten sich in einem Leserbrief an die Medien.
Als sich die Schaffhauser Nachrichten beim Orient-Betreiber Bruno Meier meldeten,  zeigte dieser wenig Gehör. Der Rassismusvorwurf sei «eine alte Leier und völlig unbegründet», liess er verlauten. «Wenn sie nicht verstehen, wieso sie nicht in den Klub dürfen, greifen Menschen immer wieder zum Rassismusvorwurf. Ich kann das nicht mehr hören», so Meier weiter. 
Doch ist die Sache damit einfach gegessen?

Rambazamba

Seit der Club in der Stadthausgasse im September 2021 neu eröffnete, ist wieder gehörig was los. Party-Tausendsassa Bruno Meier, der Mann mit dem Vollbart und der herzhaft dröhnenden Stimme, hat neu das Sagen: Zusammen mit Geschäftspartner Henry Abderhalden hat er den Club pachtweise von Metin Demiral übernommen. 
Seither ist das Orient ein anderer Ort. Party­löwe Meier setzt den Fokus nicht mehr auf das Musikprogramm, sondern auf Halli-Galli und buntgemischte Fete, so wie es sich auch in seiner Bar Meiers Pool in der Unterstadt bewährt hat. 
Das sagt natürlich nicht mehr allen Gästen der alten Garde zu. Aber es ist auch Bruno Meiers Ruf, der ihm vorauseilt: der Ruf etwa, ein sehr klares Weltbild zu haben und nicht gerade zimperlich zu sein. Zwei dunkelhäutige Menschen, schon einiges über das Jugendalter hinaus, sagen gegenüber der AZ unabhängig voneinander, sie und ihr Umfeld würden das Orient seit der Neueröffnung deshalb meiden. 
Ins Orient gehen neu gerne Leute, die auch im Meiers Pool verkehren, sowie ein Publikum von Jugendlichen, das gerade den Ausgang für sich erobert. Die Partys im neu eröffneten Club sind attraktiv für die Jungen, viele wollen hin, gerade jetzt, wo sonst wenig veranstaltet wird.

Ratlos und ernüchtert

Wer an einer Party reinkommt und wer nicht, darf das Orient grundsätzlich selbst entscheiden: Ein privater Club darf Personen grundsätzlich ohne Angabe von Gründen abweisen, wie die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) auf Anfrage sagt. 
Wird an der Tür aber offen oder versteckt nach ethnischen Kriterien aussortiert, dann ist das nicht legal. Menschen einzig oder überwiegend auf Grund ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder regionalen Herkunft, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion den Einlass zu verweigern, verstösst gegen das Rassendiskriminierungsverbot und ist strafbar. Zudem verstösst es gegen den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz.
Dass das Kriterium «Herkunft» oder «Hautfarbe» beim Einlass ins Orient in letzter Zeit in einigen Fällen eine Rolle gespielt haben könnte, hört man von mehreren Seiten. 
Neben Marc, der an jenem Freitagabend im Gegensatz zu seinen weissen Freunden nicht ins Orient eingelassen wurde, äussern sich zwei weitere junge, dunkelhäutige Party­gänger gegenüber der AZ: Auch Luis* und Jonas* haben an der Tür in jüngerer Zeit schlechte Erfahrungen gemacht und wurden einmal respektive zweimal ohne Begründung abgewiesen. «Ich trinke nicht viel Alkohol und bin mir immer im Klaren, was ich mache», sagt Luis. Er wie auch Jonas klingt ratlos und ernüchtert. 
An einem der Abende, von denen sie berichten, waren sie zusammen unterwegs. Da seien sie von Mitpächter Henry Abderhalden dann schliesslich doch noch in den Club reingeholt worden. 

Das neue Orient

Das Orient sei heute nicht mehr der Club von einst, rechtfertigt sich Chef Bruno Meier. Der Club sei früher problembehafteter gewesen, davon wolle man wegkommen. Dass demnach auch an der Tür eine etwas härtere Schiene gefahren werde und neue Regeln gelten, könnten nicht alle Gäste verstehen. Er habe seine Kundschaft vom Meiers Pool mitgenommen und Leute, die früher immer ins Orient reinkamen, müssten heute auch mal ein Nein akzeptieren. Man weise allerdings nicht massenweise Leute ab, 99 Prozent der Leute kämen ins Orient rein. 
Aber wer sind diese 99 Prozent?
«Leute, die gute Stimmung suchen und keine Probleme machen», so Clubchef Meier. Das alleine sei an der Tür entscheidend. Dass manchmal auch die Hautfarbe oder die Herkunft den Ausschlag gebe, verneint Meier. «Mit Rassismus hat das absolut nichts zu tun. Wenn prozentual mehr Leute als früher abgewiesen werden, sind es gesamthaft halt auch mehr Dunkelhäutige. Die Leute fallen schnell in eine Opferrolle und schieben das Problem auf das Offensichtlichste: eben beispielsweise darauf, dass sie schwarz sind.» 
Meier scheint nicht sehr sensibel zu sein für die Thematik, er gesteht allerdings ein, dass es an der Tür auch mal dumm laufen könne: «Türsteher sind auch nur Menschen.» Und bei jenem Vorfall im Dezember sei sicher auch das Problem gewesen, dass sein Geschäftspartner Henry Abderhalden nicht vor Ort und er, Meier selbst, zu wenig gebrieft gewesen sei. Er sei daran, den Vorfall mit seinen Türstehern zu besprechen. 
Rausgekommen ist dabei laut Meier aber nichts.
Die Türsteher arbeiten noch nicht lange für das Orient, Bruno Meier hat sie über die Firma engagiert, mit der er auch für seine Bar Meiers Pool zusammenarbeitet und der er vertraut. «Aber natürlich weiss man nie, wie es im Innern eines Menschen aussieht.»
Bruno Meier macht keinen Hehl daraus, dass er die Vorfälle, welche die AZ beschreibt, für aufgebauscht hält. 
Entsprechende Mails seiner Kundschaft, die sich über Rassismus beklagen, lässt er auch mal unbeantwortet. Wie jene eines Vaters, der sich erkundigte, ob sein Sohn beim Orient nicht eingelassen worden sei, weil er dunkelhäutig ist. 
Als der betroffene junge Mann ein andermal dann doch ins Orient reinkam, sich auf dem Weg nach drinnen aber über rassistische Tendenzen der Türsteher beschwert habe, habe man ihn gleich wieder rausgeworfen, gibt Meier selbst an. «Ich will mir den ­Rassismus-Vorwurf einfach nicht gefallen lassen und da bin auch relativ selbstbewusst. Ich bin halt ein Schlaatemer, ein Typ vom Land, und obendrein bin ich privater Unternehmer. Und wenn ich mich für jeden Entscheid rechtfertigen muss, kann ich bald mal zumachen», dröhnt Bruno Meier.

Boykott als Zeichen der Solidarität

Am neuen, jungen Publikum des Clubs gehen solche Entscheidungen und Ansichten allerdings nicht spurlos vorbei. Die Betroffenen, die in der AZ zu Wort kamen, sagen alle, ihnen sei die Lust vergangen, ins Orient zu gehen. 
Das Thema lässt sich nicht einfach abwürgen, wie es aussieht: Eine Freundin eines der Betroffenen hat einen erneuten Leserbrief an die Schaffhauser Medien geschrieben: Sie sei schockiert von dem Vorfall an jenem Freitagabend im Dezember und dem Bericht dazu in den SN, in welchem Bruno Meier seine Statements abgab. Sie und ihr Umfeld hätten deshalb beschlossen, das Orient vorerst nicht mehr zu besuchen. «Dies auch als Zeichen der Solidarität und aus Boykott.»

* Namen geändert

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Rassismus im Ausgang
Das Thema ist nicht neu in Schaffhausen. Vor gut vier Jahren machte die AZ einen Türsteher-Test und begleitete eine Gruppe von sechs jungen dunkelhäutigen Männern durchs Nachtleben: An vier Türen wurden sie abgewiesen, teils aus diskriminierenden Gründen. Auch beim Orient (damals noch unter alter Führung) kamen sie nicht rein. Nachzulesen in der AZ vom 30. November 2017 auf ­epaper.shaz.ch.