Jährlich gedenken Rechtsextreme dem verstorbenen Gründer des militanten Musiknetzwerkes Blood and Honour und Sänger der Band Skrewdriver, Ian Stuart Donaldson. An ISD Memorial-Konzerten wird der Vorreiter des Rechtsrock als Held gefeiert. Lokale Ableger organisieren die Memorial-Konzerte jährlich woanders – dieses Jahr in Italien mit Konzerten von Ultima Ratio, Stahlkappenglanz und Obled-Konkwista.

2005 fand das ISD-Memorial in Gamsen VS statt, organisiert von der Division Blood and Honour Schweiz. 500 Neonazis feierten in der Disco Crazy Palace an Konzerten mehrerer Neonazi-Bands. Damals im Oberwallis hatte die Zürcher Band Amok ihren ersten grossen Auftritt – heute berichten wir euch aber von ihrem letzten Konzert.1Â
Am 15. und 16. August 2025 fand in Budapest das dritte Nordic Sun-Festival mit Konzerten neonazistischer Bands statt. Mit dabei, die Schweizer Neonazi-Band Amok des Musik-Netzwerks Blood and Honour B&H Zürich.

Es ist dunkel und die Szene schummerig, als Amok am Samstagabend in Budapest die Bühne betritt. Seit 21 Jahren spielt die Band um Kevin Gutmann Musik für Blut und Ehre, an diesem Abend einmal mehr in neuer Besetzung. Für den Schlagzeuger Oliver Rothacher und den Gitarristen Newil Bleiker ist es der erste Aufritt. Die Bühnenlichter gehen an und los gehts.Â
Kevin Gutmann gründete die Band Amok 2004 im zürcherischen Hombrechtikon. Zu diesem Zeitpunkt ist Gutmann bereits tief in die rechte Szene eingetaucht und mischt bei der Ortsgruppe von Blood and Honour in Zürich mit. Zusammen mit Marc Weiersmüller (Bass), Nathanael Fischer (Schlagzeug) und Thomas Mächler (Gitarre) rockt Gutmann die Bühnen der extremen Rechten – beispielsweise 2005 im Crazy Palace in Gamsen (VS)2.
2007 folgt die erste Platte «Verbotene Wahrheit», 2008 «Kraft aus dem Herzen». Die Songtexte sind direkt, brutal und unzimperlich – der Sound mittelmässig. Das Weltbild ist klar NS-verherrlichend: In einem Lied wird der Holocaust geleugnet, im nächsten damit gedroht, politische Gegner*innen zu erstechen.
Amok veröffentlichte noch drei weitere Alben: «Lauf gegen das System» (2015), «Das Lumpenpack von Bern» (2015) und «Teeren & Federn» (2019). 2023 erschien ein Amok-Song auf einem Szene-Release, ausserdem wurde eine Split-CD mit der deutschen Musikneonazigrösse Uwe Menzel aka Uwocaust produziert.
Gutmann betritt die Bühne und greift sich das Mikrofon. Er liebt die Aufmerksamkeit, er lebt Blood and Honour und die Texte widerspiegeln seine Sicht der Welt.
In Budapest mit von der Partie ist Jürg Steiner (GL) an der Gitarre. Auch er ein alter Hase, der spätestens seit dem Rocktoberfest 2016 in der Band spielt. Das Event in Budapest mit 333 limitierten Tickets ist nicht die grosse Bühne. Der Auftritt am Rocktoberfest damals in Unterwasser (SG), das waren andere Zeiten. 5000 Neonazis auf heimischem Boden im Toggenburg, das war eine Machtdemonstration. Die Behörden machtlos, die Stimmung am Kochen und ein unglaubliches Wir-Gefühl. Das Rocktoberfest lohnte sich auch finanziell für die Szene, geschätzte 150’000 Euro wurden umgesetzt und flossen in die Strukturen von B&H3.Â

Heute ist alles anders. Die Rhetorik der Jungnazis ist dezenter, man nennt sich identitär, fordert Remigration und hört Rap. Zumindest gegen aussen. Aber Gutmann weiss, dass das alles nur Mode ist und sie alle eigentlich dasselbe Ziel vereint. Das jüngste Mitglied von Amok, Olivier Rothacher4, illustriert dies anschaulich. War er anfänglich in der Nationalistischen Jugend Schweiz NJS und bei der Jungen Tat JT organisiert, gehört auch er mittlerweile zum Umfeld von B&H. Ja, man streitet sich mit der JT über den «Führungsanspruch», den Stil, aber nicht um den Kern der Ideologie.
Newil Bleiker übernimmt an diesem Abend die zweite Gitarre. Auch er neu in der Band, aber nicht neu in der Szene. Wie Rothacher zählt er zum jüngeren Umfeld von B&H und war vorher mit der Jungen Tat demonstrieren und wandern5. Im Januar 2025 wurde Bleiker für die Organisation eines Konzertes im Juni 2022 mit der deutschen C18-Band Oidoxie verurteilt. Die Nachbarschaft des Pfadiheims in Rüti (ZH) wurde durch Sieg-Heil Rufe aufgeschreckt, die Polizei löste das Konzert schliesslich auf.6
Am Schlagzeug zählt Rothacher den Takt an und Amok legt los.



Konsequenzen wird der Auftritt in Budapest keine haben. Bei «Onkel Orban» sind Neonazis gern gesehene Freunde. Anders in der Schweiz und in Deutschland. Gutmann sass bereits im Gefängnis und musste mehrfach vor Gericht antraben. Unter anderem wegen einem Angriff auf einen orthodoxen Juden in Zürich-Wiedikon 2015, wegen Angriffen auf JUSOs 2007 in Glarus oder wegen einem Verstoss gegen das Waffengesetz. Auch sein musikalisches Schaffen hatte Konsequenzen. Amok wurde für ihr Debütalbum verklagt und 2009 rechtsgültig verurteilt.7Â


Kevin Gutmann ist aber nicht nur Leadsänger bei Amok, er ist es auch bei der Neonaziband Mordkommando. Ist Amok bereits deftig, dann ist Mordkommando reinste NS-Rhetorik. Das Projekt hat denn auch nicht den Anspruch, Menschen zu politisieren, sondern Überzeugungstäter*innen zu motivieren. Und dafür ging Gutmann 2021 in den Bau8. Vor Gericht beteuerte er zwar immer wieder, sich von der Szene abgewandt zu haben; auf der Bühne in Budapest hingegen, dass sich Überzeugungstäter niemals abwenden.Â

Mordkommando ist wahrscheinlich sowieso nur ein Projekt unter vielen: Ein Sänger der Band Erschiessungskommando hört sich verdächtig nach Kevin Gutmann an, und die Band wird gegen aussen als «Schweizer Produktion» vermarktet. Offiziell sind deren Mitglieder unbekannt und Untersuchungen in der Schweiz und Deutschland verliefen bisher im Sande9. Auch Erschiessungskommando richtet sich an sogenannte Überzeugungstäter*innen und kommt aus dem B&H-Netzwerk; ihre Tonträger wurden erstmals am Rocktoberfest in Unterwasser verkauft.

Als weitere Mitglieder der Band werden übrigens die Thüringer Thomas Wagner und Mario Kelch vermutet, gute Freunde von Gutmann und in die Konzertorganisation von Unterwasser eingebunden10.Â
Sitzt Kevin Gutmann im Knast oder ist er alleine zu Hause, verfolgt er seine Solo-Karriere. 2021 veröffentlicht er mit dem Sänger der deutschen Neonaziband «Kategorie C» eine Ballade. 2022 folgt unter dem Namen «Koma» – ein Anagramm des Bandnamens Amok – die CD «Blackout Blues». Am Inhalt hat Gutmann nichts geändert. Das Ganze wurde nur mit Corona-Schwurblerei angereichert.
Das Licht auf der Bühne in Budapest geht aus: Applaus. Einige Rufe nach Zugabe, aber kein Begeisterungssturm.
Für Amok Alltagsgeschäft. Pro Jahr absolviert die Band einige solcher Auftritte, teilweise öffentlich angekündigt, mehrheitlich aber konspirativ beworben. Organisiert werden die Konzerte und Festivals durch das B&H-Netzwerk.
B&H, die Musik für den Kampf
Blood and Honour hat seine Wurzeln in der Skinheadbewegung der 1980er-Jahre in Grossbritannien und wurde eigentlich als politisches Musiklabel gegründet. Aus dem Label wurde ein Musik-Netzwerk, das heute über Ableger in mehreren europäischen Ländern sowie den Vereinigten Staaten und in Australien verfügt. In einigen Ländern ist die Gruppierung verboten, so in Deutschland oder Spanien, und kann nur im Verdeckten agieren. In der Schweiz ist B&H seit Ende der 1990er-Jahre aktiv. Präsent ist die Struktur heute noch rund um den Zürichsee – dem Stammland von Amok.
In den 1990er-Jahren organisierte sich Combat 18 (C18) als bewaffneter Flügel von B&H. Es gab und gibt teilweise bis heute innerhalb von B&H Konflikte zwischen dem eher musikalisch ausgerichteten Flügel und dem C18-Flügel. Man nimmt jedoch zusammen an Demos teil oder fährt nach Berlin zum Rudolf Hess Gedenkmarsch. Die Musik von Gutmann repräsentiert diesen Anspruch: Mit der Band Mordkommando zeigt man klare Kante für Adolf Hitler und fordert zum bewaffneten Kampf auf.

Das Veranstalten von Konzerten und Produzieren von Musik ist ein zentraler Teil der Struktur und dient seit jeher nebst der Vernetzung auch einem finanziellen Zweck. Denn mit den Veranstaltungen und dem Musikhandel wird einiges an Geld erwirtschaftet.
Um von Behördenseite nicht indiziert zu werden und Strafverfahren vorzubeugen, werden Texte, der über grösseren Rechtsrock-Labels veröffentlichten Songs, im Vorfeld juristisch abgeklärt. Tonträger mit der «interessanteren» Musik sind darum nur unter dem Ladentisch erhältlich und Veranstaltungen nur für Eingeweihte zugänglich. Limitierte Auflagen und Sonderpressungen von Platten nutzen diesen Effekt, um die Preise in die Höhe zu treiben.
So veröffentlichte Amok 2023 eine limitierte Nachpressung ihrer LP «Verbotene Wahrheiten»; 40 Pressungen waren mit Cover mit direktem Bezug zum NS-Regime erhältlich. Auch vom Album «Teeren und Federn» produzierte Amok eine «Spezialausgabe». Die Tonträger von Mordkommando und Erschiessungskommando sind unter Sammler*innen ebenfalls sehr gesucht und erzielen Spitzenpreise.

Dreht man auf dem Festivalgelände in Budapest seine Runde und schaut beim Merchandise-Stand von «Nordic Sun Records» vorbei, liegt neben den Scheiben von Amok eine weitere Schweizer Band in der Auslage.
Als «New Arrival» gibts die Platte «Vorwärts» der Hardcore-Band Antagonist. Im Schatten von Amok hat sich eine neue Schweizer B&H-Band gegründet, die nicht mit Rechtsrock, sondern mit nationalsozialistischem Hardcore begeistern will. Ihre erste Veröffentlichung beim B&H-Label Opos-Records ist eine Mischung aus schlechten Texten und schneller Musik.

Es gibt starke Indizien, dass es zwischen den beiden Bands Überschneidungen gibt. So präsentiert beispielsweise Newil Bleiker von Amok seinen trainierten Oberkörper für den Instagram-Auftritt von Antagonist.

Mit Glück traf man die Bandmitglieder auf dem Festival auch persönlich. Laut Social Media-Beiträgen waren die Mitglieder von Antagonist am Nordic Sun Festival anwesend. Auch dies ein Indiz dafür, dass es zwischen Amok und Antagonist personelle Überschneidungen gibt.
Es ist spät geworden und die letzte Band des Abends betritt die Bühne. Pugilato aus Spanien spielt Hardcore und das Publikum ist in Stimmung. Ein Youtube-Video zeigt eine Gruppe von Männern vor der Bühne am Abhitlern. Für die Amok-Crew ein gelungener Abschluss des Festivals.
Auch finanziell scheint sich die Reise nach Budapest für die Bandmitglieder und ihre Freunde gelohnt zu haben. Am Verkaufstand waren die Amok Tonträger jedenfalls schon vor Ende des Konzerts ausverkauft.
- https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/prozess-gegen-neonazis?urn=urn:srf:video:40aeaa78-e2a7-4732-8761-ff4741f16dc9 ↩︎
- https://www.antifa.ch/lblut-muss-fliessen-knueppelhageldickr/ ↩︎
- https://www.antifa.ch/rocktoberfest-als-solidaritatsanlass-fur-thuringer-schlagernazis/ ↩︎
- https://nazifrei.org/post/altes-outing-oliver/ ↩︎
- https://nazifrei.org/post/outing-11-newil/ ↩︎
- https://www.nzz.ch/zuerich/rechtsextreme-in-schweiz-der-mann-hinter-einem-der-groessten-neonazi-konzerte-ld.1864957 ↩︎
- https://www.antifa.ch/geldstrafen-fuer-neonazi-musiker/ ↩︎
- https://www.tagesanzeiger.ch/neonazi-kevin-g-wegen-hassliedern-von-mordkommando-verurteilt-756852573400 ↩︎
- https://www.tagesanzeiger.ch/woran-die-untersuchung-gegen-eine-neonazi-band-scheiterte-103881097353 ↩︎
- https://dontcallitmusic.noblogs.org/post/2017/12/15/treueorden-seit-wann-liegt-thuringen-in-der-schweiz/ ↩︎