Wie nur kam das Neonazi-Emblem ins amtliche „Wochenblatt“?

Onlinereports.ch Auf einer Leserfoto des Anzeigers für das Birseck und das Dorneck ist ein „Heil Hitler!“-Code abgebildet

Was wie ein publikumsdienliches Leserbild in „Wochenblatt“ erschien, hat einen unappetitlichen politischen Nebengeschmack: Ein Neonazi-Tattoo, das den Grussformel-Code für „Heil Hitler“ zeigt. Die Redaktion erkannte die rassistische Bedeutung nicht. Jetzt entschuldigt sich der CH Media-Verlag.

Es war die Ausgabe vom 23. Februar des „Amtlichen Anzeigers für das Birseck und das Dorneck“, Seite 11, die oben rechts eine durchaus interessante Bild-Meldung enthielt. Unter der Spitzmarke „Giftköder“ der Titel „Kürbis mit Zahnstochern gespickt“.

„Wochenblatt“-Leserin S. W., so der redaktionelle Begleit-Text, habe bei den Schrebergärten in Richtung Erlenhof einen „beunruhigenden Fund“ gemacht. Ein Kürbisstück sei mit einer „roten Flüssigkeit“ und „zahlreichen Zahnstochern präpariert und ausgelegt“ worden. Sie und ihre Begleitung hätten den Köder anschliessend entsorgt.

Die „giftige Botschaft“

Was vordergründig als hilfreiche Leser-Information erscheint, zeigt beim Betrachten eine fragwürdige Fratze: Auf dem linken Arm, der den „Giftköder“ hält, ist unzweideutig die Tätowierung einer Doppel-Acht in Frakturschrift zu erkennen. Die Zahl „88“ wird unter Neonazi als Zahlen-Code für den Hitler-Gruss („Heil Hitler!“) benützt, da der Buchstabe „H“ der achte des Alphabets ist.

Das Ehepaar Nelly und Albrecht Rau aus Pfeffingen störte sich daran, dass erst die „88“ die „giftige Botschaft dieses ekligen Bildes“ komplettiert. In einem – nicht veröffentlichten – Leserbrief an das „Wochenblatt“ stellt es die Frage, „in welcher Absicht dieses hässliche Foto entstanden ist“.

Die zuständige Redaktionsleiterin Fabia Maieroni, eine ausgebildete Historikerin, sagte gegenüber OnlineReports, das Tattoo auf dem Leserbild sei der Redaktion „nicht aufgefallen“ und die Foto sei noch „kurz vor Druck“ in die Zeitung reingerutscht. Für weitere Informationen verwies sie an die Unternehmenskommunikation der „CH Media“, der das Wochenblatt gehört.

Die Entschuldigung von CH Media

Auch deren Leiter Stefan Heini meinte, es sei „in der Eile der Produktion“ nicht aufgefallen, dass das Bild aufgrund der Tätowierung „nicht hätte verwendet werden dürfen“. Heini wörtlich: „Dies ist ein klarer Fauxpas unsererseits, der nicht hätte passieren dürfen und für den wir um Entschuldigung bitten.“ Es sei „zu keinem Zeitpunkt unsere Intention, solchen Gruppierungen eine Plattform zu bieten“.

Der Fauxpas war in den kommenden Ausgaben jedoch kein Gegenstand einer redaktionellen Stellungnahme. Laut Stefan Heini sei eine öffentliche Thematisierung zwar besprochen worden, doch die Redaktion habe davon abgesehen, „um Neonazis nicht eine erneute Plattform zu bieten“.

In Deutschland unter Strafe

Verbreitet ist die „88“ in der rechtsextremen politischen und musikalischen Szene. In der Bundesrepublik Deutschland stehen rassistische Codes unter Strafe.

Nicht so in der Schweiz. „Rassistische oder nationalsozialistische Symbole sind nach schweizerischem Strafrecht nicht per se strafbar, sondern nur dann, wenn damit für eine rassistische Ideologie geworben wird.“ Dies sagt Giulia Reimann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, von OnlineReports mit dem fraglichen Bild konfrontiert.

Ob dies vorliegend bejaht werden könnte, müsste eine Strafverfolgungs-Behörde abschliessend entscheiden. „So oder so ist es aber problematisch, wenn eine Zeitung ein offensichtlich nationalsozialistisches Symbol abdruckt.“

Unwissender Gökhan Inler

Um eine Einschätzung auf lokaler Ebene zu erhalten, wurde OnlineReports durch die Baselbieter Ombudsstelle an die „Beratungsstelle beider Basel gegen Rassismus und Diskriminierung“ in Pratteln verwiesen. Dort wurde das Telefon erst nur durch einen „Hütedienst“ bedient. Ein erbetener Rückruf erfolgte nicht. Ein weiterer Telefonanruf tags darauf wurde nicht einmal abgenommen.

Dabei wäre öffentliches Wissen über die Bedeutung versteckter rassistischer Codes von Bedeutung. Dies betrifft auch nichtwissende Träger solcher Symbole wie den Fussballer Gökhan Inler, der sich im Udinese-Dress mit der Nummer 88 gezeigt hatte. Sein Berater habe ihm zu dieser Nummer geraten, weil die klassische Inler-Nummer „8“ schon vergeben gewesen sei.

Verbots-Begehren hängig

Hängig ist eine Parlamentarische Initiative der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen, die in einem Spezialgesetz „die Grundlagen für ein Verbot des öffentlichen Verwendens und Verbreitens von nationalsozialistischen Symbolen oder Abwandlungen“ schaffen will.

Diese Lösung hätte laut der Kommission den Vorteil, dass das Verbot und seine Ausnahmen – allenfalls mit einer Verordnung – „genauer beschrieben werden könnte als in einer Norm des Strafgesetzbuches“. Damit wäre auch der Weg für die Anwendung des Ordnungsbussen-Verfahrens geebnet.

Ralph Lewin, der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, begrüsst ein gesetzliches Verbot – allerdings in erster Linie von Nazi-Symbolen wie etwa Hakenkreuz, SS-Runen und Hitlergruss, „die in der Bevölkerung breit verstanden werden“. Ob dazu auch die „88“ gehöre, müsste in einer Feinjustierung ermittelt werden. „Die Zahl 88 ist als solches Symbol in der Schweiz nicht allgemein bekannt und gehört in einer ersten Runde somit aus unserer Sicht nicht auf eine Liste der verbotenen Symbole“, meinte Lewin.

Fachleute wollen dabei verhindern, dass rassistische Embleme gerade durch einen detaillierten Katalog öffentliche Verbreitung finden.