«Wem Unrecht geschieht, soll sich wehren dürfen»

Der Bund

EINBÜRGERUNG / Jetzt erst recht:Nach den umstrittenen Einbürgerungsentscheiden von Emmen und Schwyz erhält die Forderung nach einem Beschwerderecht Auftrieb.

* JÜRG SOHM

Wieder Emmen und wieder Schwyz: Die Stimmberechtigten der beiden Gemeinden haben am Wochenende einmal mehr für Empörung gesorgt, indem sie – mit einer Ausnahme – sämtliche Einbürgerungsgesuche von balkanstämmigen Personen ablehnten. Doch Emmen und Schwyz sind nicht allein. Wo über Einbürgerungen an der Urne oder an Gemeindeversammlungen entschieden wird, fallen immer wieder Gesuchsteller ausschliesslich aufgrund ihrer Herkunft durch. Am Wochenende beispielsweise auch im sanktgallischen St. Margrethen und im appenzellischen Oberegg. Dass es in der Schweiz «bessere und schlechtere Flecken» für Einbürgerungswillige gibt, wie dies eine Studie belegt, ist für Fachleute seit langem ein unhaltbarer Zustand. Er verstösst gegen das Willkürverbot in der Bundesverfassung. Nun hat sich die Politik eingeschaltet:Nächste Woche entscheidet der Nationalrat darüber, im Bürgerrecht ein Beschwerderecht zu verankern. Konkret sollenPersonen, deren Gesuche abgewiesen worden sind, bei einem kantonalen Gericht wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Schutz vor Willkür und Diskriminierung) Beschwerde führen dürfen. In letzter Instanz soll das Bundesgericht angerufen werden können. Für die Berner SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot geht es darum, die Grundrechte der betroffenen Menschen zu sichern. «Wem Unrecht geschieht, soll sich dagegen wehren dürfen.» Das sieht die Ausserrhoder Freisinnige Dorle Vallender nicht anders: «Das Volk hat kein Recht, willkürlich zu handeln.» Und der Walliser CVP-Vertreter Jean-Michel Cina hebt das «rechtsstaatliche Prinzip» hervor, Entscheide müssten begründet sein.

«Demokratieabbau»

Auf der andern Seite streitet der Zürcher SVP-Mann Hans Fehr rundheraus ab, Entscheide wie jene in Emmen und Schwyz würden das Willkürverbot verletzen: «Die Einbürgerung unterliegt dem Willkürverbot nicht», sagt er und schiebt nach, bei demokratischen Entscheiden gebe es «grundsätzlich keine Willkür». Sein Zürcher SVP-Kollege Toni Bortoluzzi ergänzt, es gehe nicht an, «die direkte Demokratie abzubauen, nur weil einem demokratisch gefällte Entscheide nicht passen». Dorle Vallender hält entgegen, auch das Volk müsse sich an die Leitplanken der Verfassung halten, die es sich notabene selber gegeben habe. Weder werde ein Anspruch auf Einbürgerung geschaffen, noch würden Volksrechte beschnitten; auch mit Beschwerderecht seien Entscheide an der Urne oder an Gemeindeversammlungen weiterhin möglich. «Das Volk hat tausendfach bewiesen, dass es willkürfrei entscheiden kann.» Nur die Auswüchse seien auszumerzen. Ihr schwebt denn auch nicht vor, das Einbürgerungswesen zu verrechtlichen, wie dies Fehr und Bortoluzzi anprangern. Vielmehr erhofft sie sich vom Beschwerderecht einen «präventiven Denkprozess», der Willkür von vornherein unterbindet.