Verhafteter Reichsbürger sieht für Schweizer Kinder tödliche Gefahr

Tages-Anzeiger. Der ehemalige Bundeswehr-Offizier Maximilian Eder behauptet, Mädchen und Buben würden in der Schweiz über ein Tunnelsystem entführt und dann gefoltert.

«Deutschland geht kaputt. Gehst du mit?», steht auf einer Tafel auf der Bühne. Doch der Mann hinter der Tafel spricht nicht nur über seine angeblich verlotterte Heimat. Er warnt auch vor dem Nachbarland Schweiz: Dort werde ein geheimes Tunnelsystem gebaut, um Kinder zu entführen, zu verstecken und zu foltern: «Wenn Sie von Erdbeben in der Schweiz oder im Schwarzwald hören, dann wissen Sie, dass wieder solche Gänge gebaut werden.» Die Spitzen aus Politik, Justiz und Wirtschaft seien an den Entführungen beteiligt. Wer das aber aufdecken wolle, der werde eliminiert. 

Der seltsame Auftritt fand im Mai 2022 in Baden-Baden statt. Der Mitschnitt ist bis heute über das bei Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern besonders beliebte Videoportal «Bitchute» abrufbar. Auf der Bühne stand damals der ehemalige Oberst der Bundeswehr Maximilian Eder.

Diese Woche wurde der pensionierte Offizier Eder im Zuge einer Grossrazzia gegen die Reichsbürger im italienischen Perugia verhaftet. Er gilt als einer der Köpfe eines geplanten Umsturzes in Deutschland. Offenbar arbeitete er eng mit dem als «Staatsoberhaupt» vorgesehenen Heinrich XIII. Prinz Reuss zusammen. Reuss, Eder und 23 weitere Personen wurden am Mittwochmorgen festgenommen. Bei den gleichzeitigen Razzien in elf Bundesländern waren insgesamt 3000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz.

Eder befehligte ein Panzergrenadierbataillon, war auch in Kosovo im Einsatz. Dann aber glitt er immer mehr in die Querdenker-Szene ab. In seiner Rede im Mai in Baden-Baden sagt er stolz, dass er schon längst «eine rote Linie überschritten» habe, und kündigt wiederholt dramatische Ereignisse an. In derselben Rede gibt der ehemalige Offizier aber auch zu, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz die Justiz gegen ihn ermittelt. Die angefragten Staatsanwaltschaften wollten sich nicht zu mutmasslichen Verfahren äussern. 

Angebliche Verschwörung von Satanisten

Eder spricht von «zwei Familien», die er beschützen müsse. Ein Fall wurde in der ganzen Schweiz bekannt: Das Solothurner Mädchen Nathalie und ihre Mutter behaupteten 2019, dass die damals 7-Jährige von ihrem Vater missbraucht worden sei. Behörden in der Schweiz und Deutschland ermittelten, kamen Anfang Mai 2022 jedoch zum Schluss, dass die Vorwürfe erfunden waren.  

Die Querdenker-Szene in der Schweiz, Österreich und Deutschland griff den Fall Nathalie dennoch auf und konstruierte daraus eine angebliche Verschwörung von Satanisten, die kleine Kinder rituell schlachteten. Daran beteiligt seien «korrupte Beamte» aus Justiz, Polizei und Politik. Drei Wochen nach Einstellungen aller Ermittlungen gegen den Vater griff Maximilian Eder die Schweizer Justiz frontal an: Wenn dem Mädchen nun was passiere, «dann ist klar, wer verantwortlich ist».

Der Auftritt von Maximilian Eder fand im Mai 2022 in Baden-Baden statt. Der Mitschnitt ist bis heute über das bei Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern besonders beliebte Videoportal «Bitchute» abrufbar.

Im zweiten Fall beliess es der nun verhaftete Eder nicht bei rhetorischen Drohungen. Er handelte und brachte – wie er in seiner Rede selbst sagt – im Herbst 2021 einen damals 5-jährigen Jungen aus der Region Basel gemeinsam mit seiner Mutter über die Grenze in sein Haus im bayerischen Wald. Der Grund sei angeblich auch in diesem Fall der Vorwurf, dass der Vater das Kind sexuell missbraucht habe. Die Polizei fand dafür keinen Hinweis. Der Schweizer Vater erstritt das Sorgerecht, das Kind und sein mutmasslicher Entführer wurden von Interpol gesucht und nach über einem Monat in Bayern gefunden.

In seinen Reden vor der Querdenker-Szene berief sich der deutsche Ex-Soldat auch gern auf eine Schweizerin mit dem Pseudonym «Chantal Frei». Die Frau, die angeblich aus der Westschweiz stammt und die bei ihren Youtube-Auftritten nie ihr Gesicht zeigt, behauptet, sie sei seit ihrem sechsten Lebensjahr immer wieder Opfer von rituellen Folterungen geworden, durchgeführt von Staatsoberhäuptern und Prominenten. So sei sie unter anderem in London in Anwesenheit der Queen auf eine Streckbank gelegt worden.

Maximilian Eder hält das für «Realität»: vor allem in der Schweiz, denn da gebe es Tausende Bunker. «Da werden junge Frauen und Kinder festgehalten, an denen Politiker dann satanische Rituale begehen», behauptete er in seiner Rede im Mai. Schon damals kündigte er Aktionen gegen die Regierung an, gemeinsam mit «Kameraden mit militärischer Vorbildung». In seinem neuesten Video von Anfang Dezember verspricht Eder, noch vor Weihnachten zahlreiche «Beweise» für die angebliche Verschwörung der Eliten zu liefern. Seit Mittwochmorgen sitzt der Möchtegern-Putschist nun in Untersuchungshaft. Es gilt die Unschuldsvermutung.