Unbedingt für Holocaust-Leugner

BaslerZeitung



Baden. ght. Im bisher grössten Schweizer Anti-Rassismus-Prozess hat das Bezirksgericht Baden (AG) gestern harte Strafen gegen zwei Holocaust-Leugner ausgesprochen. Der Basler Autor Jürgen Graf bekam 15 Monate Gefängnis unbedingt, der Verleger Gerhard Förster 12 Monate. Die Urteile werden an die nächste Instanz weitergezogen.

Das Bezirksgericht Baden fand in einem einstimmig gefällten Urteil den 47jährigen Jürgen Graf der «mehrfachen Rassendiskriminierung» für schuldig. Graf ist Lehrer an einer Privatschule in Basel. An den Verhandlungen vor dem Gericht am letzten Donnerstag hatte er an seinen Auffassungen festgehalten und keinerlei Einsicht gezeigt (BaZ vom 17. Juli).
Gerichtspräsidentin Andrea Staubli wies bei der Begründung des Urteils in Baden gestern nachmittag darauf hin, Graf sei auch bestraft worden, weil er Computerdisketten mit zwei Texten lieferte, um via Kanada und Schweden weltweit im Internet präsent zu sein. Neben der unbedingten Gefängnisstrafe wurde Graf zur Zahlung eines Pauschalbetrags von 10’000 Franken sowie zur Übernahme von drei Fünfteln der Verfahrenskosten verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hatte für den notorischen Holocaust-Leugner eine unbedingte Gefängnisstrafe von 18 Monaten sowie eine Geldstrafe von 27’700 Franken gefordert. Der Ankläger hatte von «pseudowissenschaftlichen Kommentierungen» gesprochen. Graf habe «öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind».
Der Pflichtverteidiger, dem sein Amt schwer fiel, hatte einen Freispruch verlangt. Graf schien das harte Urteil wenig zu beschäftigen. Es entspreche seinen Vorstellungen, sagte Graf in einer ersten Reaktion und bezeichnete die Mitglieder des Bezirksgerichtes sowie den Staatsanwalt als «Marionetten». Er wünsche sich eine «öffentliche Debatte» über seine Ansichten. Graf will das Urteil ans Obergericht des Kantons Aargau weiterziehen.
Der Autor und Revisionist hatte vor Gericht behauptet, für den Holocaust und die Vernichtung der Juden in Gaskammern gebe es «weder Sach- noch Dokumentenbeweise». Graf hatte seinen Auftritt vor dem Gericht und seine eifrig vorgetragenen Erläuterungen genossen. Die auch in Deutschland und Österreich verbreiteten Bücher erreichen nach Grafs Angaben Auflagen von bis zu 10’000 Exemplaren. Er habe die Bücher geschrieben, «um bewusst mein Gedankengut zu verbreiten», hatte er zu Protokoll gegeben.

Verleger als Mittäter

Hart packte das fünfköpfige Bezirksgericht Baden auch den 78jährigen Verleger Gerhard Förster aus Würenlos an. Der eingebürgerte Schweizer und ehemalige Angehörige der Deutschen Wehrmacht wurde zu 12 Monaten unbedingt und einer Geldstrafe von 8000 Franken verurteilt Das Bezirksgericht hält Förster ebenfalls der «mehrfachen Rassendiskriminierung» für schuldig. Er hat sich an den Verfahrenskosten zu beteiligen. Mehr als 700 beschlagnahmte Bücher mit einschlägigem Inhalt werden gerichtlich eingezogen. Zudem muss Förster 45’500 Franken aus dem Verkaufserlös abliefern. Die Staatsanwaltschaft hatte 17 Monate Gefängnis unbedingt und eine Geldstrafe von 22’200 Franken beantragt; die Verteidigung wollte einen Freispruch. Auch Förster will das Urteil beim Obergericht anfechten.

Schweres Verschulden

Für das Gericht sei Förster «verantwortlicher Verleger», betonte Staubli. «Förster tritt als Mittäter auf.» Der hochdeutsch sprechende Förster ist Geschäftsführer des Verlages «Neue Visionen GmbH». Er hatte der Justiz schon im voraus vorgeworfen, einen «klassischen politischen Schauprozess» zu veranstalten. Während der Bekanntgabe des Urteils sass er im Rollstuhl und machte einen nachdenklichen Eindruck. Ob Förster aus gesundheitlichen Gründen die Gefängnisstrafe antreten kann, werden die Ärzte und nicht das Gericht entscheiden.
Das Bezirksgericht Baden wertete das Verschulden der beiden Holocaust-Leugner als schwer. «Beide Angeklagten suchten die Öffentlichkeit», sagte Staubli. Die Strafnorm des Anti-Rassismus-Gesetzes, die am 1. Januar 1995 in Kraft trat, könne zwar nicht rückwirkend angewendet werden. Aber die Angeklagten hätten die Auswirkungen der neuen, vom Schweizervolk in einer Referendumsabstimmung gutgeheissenen Strafnorm gekannt, machte die Gerichtspräsidentin in ihren Ausführungen deutlich. Die «kriminelle Energie» der Verurteilten sei «beachtlich», sagte die Gerichtspräsidentin.
Sie sprach den Büchern, in denen der Holocaust und die millionenfache Judenvernichtung in Frage gestellt wird, jede Wissenschaftlichkeit ab. Es seien «keine schützenswerten Meinungsäusserungen». Das Gericht warf den Angeklagten auch vor, uneinsichtig zu sein. Aus diesem Grund wurden unbedingte Strafen verhängt. Es könne keine «günstige Prognose» gestellt werden, merkte Staubli an. Graf und Förster hatten bei den Verhandlungen klar gemacht, dass sie weiterhin Bücher schreiben, herausgegeben und vertreiben wollen.

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen

Die Bekanntgabe der Urteile fand gestern unter erhöhten Sicherheitsmassnahmen statt. Im Publikum sassen wie schon während des Prozesses Anhänger der beiden Holocaust-Leugner. Die Aargauer Kantonspolizei markierte in der Badener Altstadt erhöhte Präsenz und zog vor dem Eingang zum «Roten Haus», wo der Prozess ausnahmsweise stattfand, eine Personenkontrolle auf.
Diese Vorkehrungen kommen nicht von ungefähr: Gerichtspräsidentin Staubli berichtete zu Beginn der Urteilsbegründung davon, das Gericht sei «massiven Einschüchterungen» von Sympathisanten der Angeklagten ausgesetzt gewesen. Sie hätten versucht, Einfluss auf die Beratungen zu nehmen. Es sei ein Tonfall gewählt worden, sagte Staubli, an den sich das Gericht nicht gewöhnen wolle.

Thomas Gerber