Thun verarbeitet Antifa-Demo

Der Bund

Polizei und Politiker wollen wegen Interpellationen Konsequenzen ziehen

Mireille GuggenbÜhler

Womit Bern Erfahrung hat, damit schlägt sich Thun in zeitlicher Verzögerung nun auch herum: mit der politischen Auf- und Verarbeitung einer eskalierten Demonstration. Sie liegt zwar bereits vier Monate zurück, die Antifa-Demo vom 17. Mai, doch die Interpellationen und die über die Antworten «enttäuschten» Parteien zeigen, dass das Thema alleweil noch nicht erledigt ist («Bund» vom Freitag).

Thuns Polizeichef Erwin Rohrbach hat sowohl vergangene Woche im Thuner Stadtrat wie gegenüber dem «Bund» ausgeführt, am 17. Mai «Fehler gemacht zu haben». Der bedeutendste Fehler, so Rohrbach, sei gewesen, dass man die Antifa-Demonstranten damals nicht daran gehindert habe, beim Restaurant «Fulehung» die Scheiben einzuschlagen. Der «Fulehung» gilt bei den Antifa-Leuten als ein Treffpunkt Rechtsradikaler. «Der Gruppenführer der Polizei hätte in diesem Moment Verstärkung holen sollen», so Rohrbach, weil das Eingreifen mit den damals vor Ort anwesenden Polizistinnen und Polizisten kaum zum Erfolg geführt hätte. Nicht, weil diese nicht ausgebildet, sondern von der Zahl her zu wenige gewesen seien, sich dadurch selber gefährdet hätten. Ein Gruppenführer müsse deshalb immer vor Ort entscheiden, wie stark er seine Leute gefährden wolle.

Kein grösserer Personalpool

Sollte es zu einem dritten antifaschistischen Abendspaziergang kommen, «werden wir deswegen nicht mit einem grösseren Personalpool fahren». Den Personaleinsatz, so Rohrbach, müsse man immer von der «Bedrohungslage» abhängig machen. «Was wir jedoch tun können ist, sie gar nicht losmarschieren zu lassen, wenn gewisse Bedingungen, die wir ihnen gestellt haben, nicht eingehalten werden.» Die SVP hatte letzte Woche an der Stadtratssitzung etwa die Bedingung gestellt, keine Vermummten mehr an einer Demo teilnehmen zu lassen – die Stadt solle das Vermummungsverbot durchsetzen. Für Rohrbach ist deshalb klar: «Wenn wir das Vermummungsverbot durchsetzen müssen und die Demo eskaliert, dann muss der Stadtrat die politische Verantwortung tragen.»

Trotzdem, man werde sich in Zukunft sicher bemühen, dass die Auflagen besser eingehalten würden. Dafür müsse man aber noch besser in Kontakt treten mit den Organisatoren einer Antifa-Demo. Dies wiederum sei schwierig, da sich «Antifas nur anonym äussern, aus Angst vor der Gegenszene, den Rechtsradikalen». Rohrbach kann sich deshalb vorstellen, in Zukunft enger mit den Verantwortlichen der städtischen Jugendarbeit zusammenzuarbeiten. «Jugendarbeiter kennen die Szene meistens besser und wissen, wer wer ist.»

Eventuell Vorstösse lancieren

«Wäre der Gesamtgemeinderat für die Bewilligung zuständig gewesen, dann hätte er die Demo auch bewilligt», meint Rohrbach. «Alle Fünf wären dann die Buhmänner gewesen.» Nichtsdestotrotz will SVP-Stadtrat Carlo Kilchherr «eventuell einen Vorstoss» lancieren und den Gemeinderat auffordern, zukünftig gemeinsam Bewilligungen für Demos zu erteilen – dies forderte er bereits an der Stadtratssitzung, «um damit einen Entscheid breiter abzustützen». Ebenfalls als Vorstoss lancieren will Kilchherr eine Entschädigungsformel für «betroffene Gewerbler». Es schwebe ihm vor, dass die Stadt etwa Leute in einem Einsatzprogramm nach einer Demo beauftragte, sämtliche Sprayereien wegzuputzen – auf Kosten der Stadt.