Agenda der Rechten

Die Wochenzeitung. AntifaschistInnen durchsuchen das Auto des Holocaust- leugners Bernhard Schaub. Sie finden rassistisches Propagandamaterial, ein Handy, Notizen und Adressen.

Von Hans Stutz

Am 9. August 2003 wollte die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) im Kanton Bern ihren Parteitag abhalten. Doch als sie am Besammlungsort, dem Bahnhof Hasle-Rüegsau, ankamen, erhielten die Rechtsextremisten ebenso überraschenden wie unfreundlichen Besuch von AntifaschistInnen. Sie rempelten die PNOS-Anhänger an, sodass sich die Braunen eilig aus dem Staube machten.

Noch am gleichen Tag meldete die Antifa Bern den «lieben Medienschaffenden», sie habe das Auto von Bernhard Schaub, Holocaustleugner (vgl. Kasten), «auf rassistische und neonationalsozialistisches Propagandamaterial untersucht» und sei mehr als fündig geworden: sein privates Adressbuch mit 339 Adressen, ein Handy mit über 250 gespeicherten Telefonnummern, ebenso Schaubs Agenda 2003, weiter auch eine «CD der Marschmusik der Waffen-SS», das Liederbuch des Freibundes, Propagandamaterial der NAPO (Nationale Ausserparlamentarische Opposition) sowie «unzählige Broschüren von Schaubs «Reich Europa»». Das Material würde beweisen, so die Antifa, «dass die PNOS engen Kontakt zu Nationalräten (vor allem Bernhard Hess, Nationalrat Schweizer Demokraten BE) und rechtsextremen Parteien und Organisationen aus dem Ausland» pflege.

Einige Tage später liegen im Postfach des WOZ-Journalisten drei eingeschriebene Briefe, sie enthalten Kopien von Schaubs Unterlagen. Und in jenen Tagen findet der Journalist auch eine Kopie der PNOS-Parteizeitung «Zeitgeist», Ausgabe «05. 2003» in der Post. Auch die bestellte CD («Unser Schwur einst zur Waffe wird») der Luzerner Skinhead-Band Dissens erreicht ihr Ziel, und dann trifft noch ein Couvert mit einem Flugblatt der SS Schweiz ein.

Zuerst sticht dem Journalisten der CD-Umschlag der Luzerner Hammerskin-Band Dissens ins Auge, das Luzerner Löwendenkmal, ein feudalistisch-reaktionäres Monument gegen die Französische Revolution und damit auch gegen die Menschenrechte. Dem Tonträger ist ein Textbüchlein beigelegt – darin kann man lesen: «Sämtliche Texte wurden juristisch geprüft.» Wer dies getan hat, wird nicht erwähnt. Und das ist wohl auch besser so, denn zumindest ein Lied dürfte gegen das Antirassismusgesetz verstossen. Jüdinnen und Juden wird im Lied «Mammon» nachgesungen: «Vom Euphrat bis zum Nil / streckt ihr eure Klauen aus / den Völkern, die dort leben / zerstört ihr Hof und Haus / hörst du den Schrei des Kindes / dass (sic!) du auf der Strasse erschiesst / bist du so pervers / dass du dies noch geniesst.» Diese Worte schmettert der Dissens-Sänger Gery Carlo Albisser. Der heute 33-Jährige war zu Beginn der neunziger Jahre Mitbegründer der Schweizer Sektion der Hammerskin-Nation und ist auch im Adressbuch von Bernhard Schaub verzeichnet.

Die Dissens-Leute, erreichbar über eine Postfachadresse im luzernischen Malters, grüssen mit ihrem Tonträger auch mehrere Organisationen, darunter die Standarte Solothurn, die Boot Boys Olten, eine Initiative Vaterland sowie eine NFO Helvetia und Nordisch Zürich. Alles Gruppierungen, die bis anhin nicht in die Öffentlichkeit getreten sind. In Schaubs Unterlagen findet sich immerhin ein Hinweis, dass die Standarte Solothurn Mitte August einen Freilicht-«Filmabend» organisierte.

Pubertär oder politisch?

Das zugesandte Flugblatt der SS Schweiz lässt den Journalisten vorerst unschlüssig. Ist es ein internes Papier, oder handelt es sich nur um einen pubertären Erguss? Oder doch um ein politisches Projekt? Oder um den schlechten Scherz eines Pubertären? «SS Schweiz. Bedingungen. Wen irgendwelche vorkommen passieren gilt es sofort dem Führer, oder dem Obersturmgruppenführer mit zu teilen. Es muss von jeder Schlägerei ein bericht geschrieben werden und dieser bericht bekommt dan der Führer» (Orthografie gemäss Original). Unterschrieben «Der Führer Simon I.». Eine Internet-Site «SS Schweiz» allerdings gibt es, wenn auch zurzeit unvollständig. Anfang Juli publizierte der «Bote der Urschweiz» einen Artikel über diese Gruppierung aus dem Talkessel von Schwyz und deren grobschlächtig rassistische Texte. Die Zeitung berichtete, dass die Kantonspolizei Schwyz gegen die Site-Betreiber ermittle, und folglich nahmen diese ihre Site vorübergehend vom Netz. Inzwischen höhnt SS Schweiz auf ihrer Homepage: «Was für die Polizei und Medien. Eure versuche uns zu erwischen sind wohl alle fehlgeschlagen, auch die Homepage zu löschen» (Orthografie gemäss Original). Nur: Auf dem Flugblatt hat «Führer Simon I.» seine Natelnummer angegeben. Der Journalist wird der Sache wohl bald einmal nachgehen müssen.

Der Zusender des SS-Schweiz-Flugblattes hatte den Journalisten Mitte August telefonisch schon auf eine Rechtsextremisten-Demonstration aufmerksam gemacht, die am 6. September in St. Gallen stattfinden sollte. In der Tat hat auch Schaub für diesen Tag eine «Demo St. Gallen» in seine Agenda eingetragen, und in den Unterlagen findet sich die Visitenkarte eines St. Galler Gewerbepolizisten samt einigen Notizen. Schaub war also unter jenen, die um eine Demobewilligung nachsuchten. Ende August hat der St. Galler Stadtrat die Rechtsextremisten-Demo untersagt. Für den 25. Oktober hat Schaub aber in seine Agenda erneut eine «Demo St. Gallen» eingetragen. Auch daraus wird wohl nichts werden.

Und wie steht es mit Bernhard Schaubs sonstigen Aktivitäten, ausser dass er bei rechtsextremistischen Demonstrationen – wie am 1. August in Brunnen – immer wieder als Redner auftritt? Oder wenn er nicht bei lokalen Skin-Gruppierungen mittels Vorträgen für seine NAPO agitiert, wie beispielsweise am letzten Juliwochenende, wo sich gemäss einer Polizeimeldung rund dreissig Naziskins in Mels SG trafen. In seinem Notizblock hat Schaub in Stichworten seinen Vortrag vor der «Rheintalfront» in Mels skizziert: «Die Lage ist so ernst wie noch nie. Aber sie ist auch aussichtsreich: Das System scheint in die Krise zu kommen. Deswegen Zusammenschluss der nationalen Kräfte – europaweit.» Und auch vor der bis anhin unbekannten Organisation Nordisch Zürich hat Schaub am 30. Juli in Rämismühle gesprochen, und zwar über «Wer sind die Germanen – woher kommen sie? Götter und Runen».

Krudes Weltbild

Schaubs NAPO war es bisher gelungen, sich der öffentlichen Aufmerksamkeit weitgehend zu entziehen. Die nun vorliegenden «Leitsätze» belegen das rassistische Weltbild der NAPO, die «kinderreiche weisse Familien» anstrebt und «Kulturfremde und Fremdrassige» als «Zivilbesatzer» betrachtet, welche «regulären Soldaten von Besatzungsarmeen» gleichen würden. Die NAPO fordert deren «Rückführung» in ihre «Heimat», also ihre Vertreibung aus der Schweiz. Die NAPO will allerdings «keine Partei», sondern die «Sammelbewegung für den echten nationalen Widerstand in der Schweiz» sein.

Die «Leitsätze» liegen als Broschüre vor und werden von Schaub in seinem Verlag WotansWort vertrieben. Im Verlag mit Sitz in Kreuzlingen erscheine, so eine Ankündigung des Unternehmens, unter anderem «eine Schriftenreihe, die der nationalen, völkischen und europäischen Wiedergeburt» dienen solle. Für dieses Ziel will WotansWort künftig auch ältere Schriften publizieren, die entweder «ungebrochen gültig» seien oder «hohes geschichtliches Interesse» hätten. Dazu zählt der Verlag etwa die «Schriftenreihe der Nationalen Front». Genauere Informationen liefert die Parteizeitung «Zeitgeist»: Die «aktuellen Bücher» von WotansWort sind drei Schriften des Verlegers Schaub (neben «Reich Europa» noch «Der Volksstaat der Zukunft. Politische Grundsatzschrift» und «Schweizer Geschichte. Von Willi bis heute»), dazu ein NSDAP-Werk, herausgegeben von der «Reichsstudentenführung», nämlich «Europa im Lebenskampf. Europäer aus verschiedenen Ländern auf dem Frontkämpfertreffen in Dresden 1942».

Schaubs Materialien bieten noch mehr neue Detailkenntnisse über die Schweizer Braunen. Eines bieten die Materialien nicht: Schaubs «enge Kontakte zu Nationalräten» – von denen die AntifaschistInnen sprachen -, vor allem auch zu Bernhard Hess, lassen sich zumindest mit den vorliegenden Unterlagen nicht beweisen.

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Bernhard Schaub veröffentlichte 1992 das Buch «Adler und Rose», in dem er den Genozid an den Juden im Zweiten Weltkrieg leugnet. Bis 1993 arbeitet er an der Rudolf-Steiner-Schule in Adliswil als Lehrer für Geschichte und Deutsch. Danach ist er für die Migros-Klubschule in Frauenfeld tätig. 1998 erklärt die Klubschule intern, sie habe Schaub entlassen, nachdem sie von seinen Holocaust leugnenden Publikationen erfahren habe. Ein Jahr später wird bekannt, dass er in der Klubschule immer noch für die Betreuung von Kursleitern zuständig ist; erst danach wird er definitv entlassen. Schaub sass eine Zeit lang im Vorstand der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) und tritt heute noch regelmässig an deren Veranstaltungen als Redner auf. Ebenso referiert er öfter in Deutschland, zum Beispiel an Veranstaltungen der NPD und der völkisch-heidnischen Artgemeinschaft. http://www.idgr.de