Szenen rüsten sich zum Kräftemessen

SolothurnerZeitung

Linke sprayen Kampfansage an Neonazis auf Hausfassade an BurgdorferBahnhofstrasse

Rechtsextreme haben Ende Juni ihre Randale an der Solätte Burgdorf mündlichangekündigt und dann munter dreingeschlagen. Die Linken greifen zur Spraydoseund formulieren ihre Antwort in meterhohen Lettern über dem Kino Rex: «FuckNazis». Austragungsort des Machtkampfes soll das Gassenfest im August werden.

Gerti Binz

BURGDORF. Die Botschaft ist nicht zu übersehen, denn die frustrierten Gegner derrechtsextremen Schlägertruppen von der Solätte 2000 haben sich die grösste undmarkanteste Betonfassade von Burgdorf für ihre Botschaft ausgesucht. Über demBetonvordach – über den Geschäften und dem Kino Rex – prangt in über einem Meterhohen Buchstaben die zweimalige Botschaft «Fuck Nazis» und dann der allerdingsnicht für alle erkenntliche Urheber des «Kunstwerkes», der zeichnet «by redcapIncognito L». Ein drittes «Fuck» prangt seitlich an der Fassade.

Mit dem Gebäude oder den Besitzern der Liegenschaft habe die Botschaft nichts zutun. Es sei einfach die beste Werbefläche für eine Fassadenbotschaft gewesen, wirdin jugendlichen Kreisen von Burgdorf betont. Und da Linke und Rechte ins Kinogehen, werde die «Wandzeitung» und die darin enthaltene Botschaft auf alle Fällebeachtet.

Vermummte Sprayer
Die sorgfältig und fachgerecht ausgeführte Arbeit sei übrigens kein Kunststückgewesen, heisst es. Das schlechte Wetter habe verhindert, dass nachts vielePassanten in der Bahnhofstrasse unterwegs seien. Und auf das Dach kämensportliche Sprayer problemlos mit einem Klimmzug. Einer ist beim Coop«Schmiere» gestanden, andere sind vermummt aufs Vordach geklettert. Alserstmals gegen 2 Uhr morgens ein Mieter wach wird, denkt er an vorübergehendePassanten. Nachdem später andere Mieter erwachen und nachsehen, flüchten dieSprayer. Zu diesem Zeitpunkt ist das Werk fast fertig.

Die Liegenschaftsbesitzerin findet die Schmierereien «scheusslich, unverständlich».Die Entfernung dürfte mit beträchtlichen Kosten verbunden sein.

Andrea Probst, OK-Präsident des vom 9.-11. August angesagten Gassenfestes inder Burgdorfer Oberstadt, hat von dieser Zeitung von der drohenden Konfrontationlinker und rechter Kreise am Gassenfest erfahren.

Dispositiv verstärken
«Insgeheim habe ich mit einem solchen Szenario gerechnet», räumt er ein. Schonunmittelbar nach den Solätte-Ausschreitungen von Ende Juni, als Rechtsextremeeine Schlägerei mit Verletzten bei der Gebrüder-Schnell-Terrasse angezettelt haben,habe man im Gassenfest-OK eine Fortsetzung der Zusammenstösse im Augustgefürchtet.

«Wir sind im OK übereingekommen, uns mit keinem Wort zu diesem Thema zuäussern, um nicht zusätzlich Öl ins Feuer zu giessen», erläutert OK-PräsidentProbst. Man habe gehofft, das Fest ginge problemlos über die Bühne res-pektivedurch die Gassen. Ein Dispositiv betreffend mögliche Ausschreitungen liege vor; dasmüsse unter den gegebenen Umständen verstärkt werden. An der nächstenOK-Sitzung werde man weitersehen und dann mit Behörden und Polizei das weitereVorgehen koordinieren.

Keinenfalls absagen
Auch wenn Links und Rechts für das Gassenfest die nächste Auseinandersetzungins Auge fassen, werde sich das OK Gassenfest nicht einschüchtern lassen, betontProbst. «Wir werden das Fest niemals absagen oder in reduziertem Umfangdurchführen.» Er ist überzeugt, dass genügend freiwillige Helfer mit breiten Schulternund entsprechender Körpergrösse dafür besorgt sein werden, dass rechtsextremeSchläger am Gassenfest keine Chance haben.

Vor einigen Jahren sei ein Kadettenanlass mit rund 1500 Personen kurz nach einerausgearteten Solätte problemlos durchgeführt worden. «Die rechten Gruppenwussten, dass sie von den Offiziellen und Helfern grausam Schläge beziehenwürden, wenn sie die Kadetten zu stören versuchen», erinnert sich Probst. DerAnlass verlief seinerzeit ohne die geringste Störung.

Linke und eine Menge unbeteiligter Jugendlicher haben sich nach den gewalttätigenAusschreitungen der Skinheads in der Solätte-Nacht enttäuscht über Behörden undPolizei geäussert. Vor allem die Äusserung von Polizeichefin Romy Kieliger, notfallswerde 2001 aus Sicherheitsgründen das Rahmenprogramm für Junge amSolätte-Abend gestrichen, gibt in Burgdorf nach wie vor Anlass zu hitzigenDiskussionen.

Da am Solätte-Nachmittag bereits während der Mädchen-Reigen auf derSchützematt mit Flugblättern auf drohende Gefahren aufmerksam gemacht wordenist und zusätzliche Warnungen vorliegen, «herrscht in den vergangenen drei Wochenbei den Jungen echt Frust», wie diese Zeitung im Gespräch wiederholt erfahrenmusste. «Auch in Burgdorf sind Nazis keine Seltenheit mehr. Es entwickelt sichsogar immer mehr zu einem Treffpunkt der rechtsextremen Szene», hat dielinksorientierte Gruppe Antifa Burgdorf auf ihren Flugblättern gewarnt.

Am Donnerstag gegen zwei Uhr morgens früh sprayen vermummte Gegner derrechten Schlägertrupps vom Solätte-Abend ihre Kampfansage gegen die Skinheadsauf die Fassade des Kinos Rex im Burgdorfer Bahnhofquartier.