Stadt Winterthur

Tagesanzeiger 7.2.00

Nazi-Treff in WinterthurAm Sonntag versammelten sich in einem Winterthurer Restaurant etwa 40 Rechts- radikale aus der Deutschschweiz. Unter ihnen warenAlt-Nazis und Skinheads.Autor: Von Andreas MösliEigentlich gilt der Sonntag im Restaurant „Reitweg“ als Ruhetag. Auch gestern Nachmittag war die rustikale Beiz im Wildbachquartieroffiziell geschlossen – aber nicht für alle. Ab zirka 15 Uhr herrschte emsiges Treiben. Doch nur wer eine Einladung vorweisen konnte,durfte an der geselligen Runde teilnehmen.Das hatte seinen Grund: Die geschlossene Gesellschaft war offensichtlich ein Treffen der rechtsextremen Szene aus der ganzenDeutschschweiz, wie ein Augenschein vor Ort zeigte. Unter den Alt-Nazis, Skinheads und jungen Männern mit Anzug und Krawattewaren auch einige Frauen zu sehen. Auf dem Parkplatz standen zahlreiche Autos mit Kennzeichen aus Zürich, Bern, St. Gallen, Basel,Thurgau und der Innerschweiz. Und ein eifriger älterer Mann mit Cowboyhut erklärte einem anderen Herrn im Anzug auf einer Landkarteden Grenzverlauf des Dritten Reiches. Insgesamt dürften etwa 40 Personen am Treffen teilgenommen haben.Wirt: „Der Koch hats organisiert“Besorgte Anwohner, die das Treiben beobachtet hatten, riefen bei der Stadtpolizei an. Man habe darauf zwar einen Streifenwagenlosgeschickt, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage. Doch unternommen worden sei nichts, da es ein privater Anlass gewesen sei und eskeine Gesetzesverstösse gegeben habe.Dieser Meinung ist auch „Reitweg“-Wirt Bruno Flachsmann: „Das ist eine private Versammlung, das geht niemanden was an“, sagte er amSonntagabend am Telefon. Das Restaurant gemietet habe ein Verein namens PJW für einen Vortrag über die Globalisierung. Wie derRedner hiess und was er erzählte, weiss der Wirt laut eigenen Angaben nicht. „Ich hab nicht gross zugehört, ich musste ja arbeiten.“ Aufdie Frage, ob er denn wisse, wer da in seinem Lokal verkehre, antwortete er ausweichend mit „keine Ahnung, aber die Leute sind schoneher rechtsorientiert“. Und: Nein, er selber habe nicht unbedingt das gleiche Gedankengut. Schliesslich gab Flachsmann an, sein Kochhabe den Anlass organisiert. Und dem vertraue er.Patriotische Jugend WinterthurDer junge Koch, der in der Winterthurer Szene bekannt ist als Rechtsradikaler, konnte oder wollte am Telefon keine Stellung nehmen. EinHerr namens Meier sprach stattdessen für ihn, sagte aber nichts über den sonntäglichen Anlass. PJW? Das heisse so viel wie PolnischerJassklub Winterthur. Tatsächlich dürfte PJW aber Patriotische Jugend Winterthur heissen – ein Name, der im Zusammenhang mitrechtsextremer Gewalt in Winterthur auch schon aufgetaucht ist.