Haider und Hasch

Der Bund

SVP-«talk» / Franco Cavalli, neuer SP-Fraktionsführer im Bundeshaus, hat sich «in dieHöhle des Löwen locken» lassen – als Gast des «Bärn-Talks» der Sektion Innenstadt/Kirchenfeld der SVP Stadt Bern.

Autor: rudolf gafner

«Fragen Sie ungeniert alles, was Sie wollen – ich bin nicht dünnhäutig», forderte Franco Cavalli, Tessiner SP-Nationalrat, am MittwochAbend sein rund 25-köpfiges Publikum dazu auf, auch angriffige Fragen nicht zu scheuen. Cavalli hatte nicht zu viel versprochen: Dennquasi zur Feuerprobe wurde ihm eine Frage gestellt, die ihm als pointiert linkem Politiker ebenso wie als Arzt wie ein unsäglicher Affrontvorkommen musste – der er sich indes ganz ruhig und gelassen stellte. «Ist es richtig, Aids-Kranke auf Krankenkassenkosten zu pflegen?»wollte ein betagter Zuhörer wissen. Es sei dies nämlich «nicht einzusehen» – denn «sie (die Aids-Kranken, die Red.) sind doch selberschuld». «Das ist eine sehr gefährliche Diskussion», gab Cavalli nur leise zu bedenken; diese Frage erinnere an gewisse Sichtweisen, die«50 Jahre zurückreichen».

Damit war der Übergang zu einem aktuell heftig erörterten Thema geschaffen: Vor 55 Jahren gabs den gebürtigen Österreicher AdolfHitler, heute gibt der Österreicher Jörg Haider zu reden. «Ich verstehe euch Linke und die EU einfach nicht», sagte ein Fragesteller; «wiekommt ihr dazu, einfach zu sagen, die Freiheitlichen hätten nichts zu suchen?» Mit «Hüftschüssen» von EU-Seite werde arg in dieSouveränität eines Kleinstaats eingegriffen, obwohl der neuen österreichischen Regierung konkret ja bisher gar nichts zur Last zu legensei.

«In Österreich fand überhaupt keine Vergangenheitsbewältigung statt», antwortete Cavalli. Bereits der Gründer von Haiders FPÖ sei «einNazi» gewesen, und nun habe Wolfgang Schüssels ÖVP «einen Rechtsextremisten salon- und regierungsfähig gemacht». Dies wiegeschwer für ein geeintes Europa, zu dessen Lehren aus dem Dritten Reich es gehöre, «Stärke gegen Faschismus und Rassismus» zu zeigen- die böse Erfahrung «sitzt irgendwo in den Genen der europäischen Einigung», sagte Cavalli.

«Rechtsextreme ausgrenzen»
«Rechtsextreme müssen ausgegrenzt werden», forderte Cavalli – und er wurde dabei unterstützt von SVP-Bern-Vorstandsmitglied WernerStaudacher, der als gebürtiger Deutscher mit Jahrgang 1942 bemerkte: «Wehret den Anfängen! Die EU hat da richtig gehandelt.»

Indes, was ist «rechtsextrem» – in einer Zeit, in der etwa auch die SVP Schweiz im Zusammenhang mit Rechtsextremismus genannt wird?Laufen nicht gerade Linke, wo sie Macht haben, Gefahr, allerlei Rechte in letztlich wenig demokratischer Art als Extremisten zudiskriminieren – so wie im Kalten Krieg «nette» Linke als angebliche Extremisten ausgegrenzt wurden, samt Berufsverboten undStaatsschutzgängelei? «Nein», so Cavalli auf entsprechende «Bund»-Frage: «Auch ich wurde fichiert, zwei Jahre lang wurde das Telefonabgehört, wurde meine Post kontrolliert» – er lehne solches ab und sei etwa für die Abschaffung der politischen Polizei. Rechter Gefahrsei «mit den Mitteln der Politik» zu begegnen, nicht mit Gesinnungskriminalisierung oder Verboten.

A propos Verbot: Ein weiteres, die SVP-Zuhörer interessierendes Thema war die anstehende Revision des Betäubungsmittelgesetzes.Cavalli hatte griffigere Massnahmen gegen die Tabaksucht, Werbeverbote sowie «deutlich höhere Zigarettenpreise» gefordert – wasJSVP-Stadtrat Thomas Fuchs «widersprüchlich» fand, weil anderseits «die SP Haschisch freigeben will». Er sei hierzu «nicht ideologischeingestellt», erklärte Cavalli; er stelle bloss nüchtern fest, dass Tabak jährlich 10 000 Tote in der Schweiz koste, Cannabis aber eine «nichtgefährliche» Droge sei.

So sah es SVP-Stadträtin Margrit Thomet gar nicht – und plauderte aus eigener Schule: Zwei ihrer vier Kinder hätten nämlich leider «auchgehascht» und sie verkehrten in Reitschul-Kreisen, wo der Hang auch zu Alkohol und zu stärkeren Drogen vorhanden sei. «Haschisch isttrotz allem – auch wenn es bestritten wird – eine Einstiegsdroge», beklagte Thomet.

«Ich will nicht verharmlosen», so Cavalli. Er habe sieben Kinder, «kenne das Problem auch», und er selber habe «es als 25-jähriger inden USA zwei-, dreimal probiert», doch sei ihm stets übel geworden, weshalb er es habe sein lassen. Er finde einfach nur, man müsse«aktiv bekämpfen, was gefährlich ist» – dazu gehöre Cannabis nicht, der legale Tabak hingegen sehr wohl.

Franco Cavalli bewies, dass er «nicht dünnhäutig» ist. hut