Spring klagte vierzig Jahre zu spät

Der Bund

BUNDESGERICHT / Jetzt liegt die schriftliche Urteilsbegründung zur Abweisung der Klage des ehemaligen jüdischen Flüchtlings Joseph Spring vor. Kein Argument führe daran vorbei, dass er seine Ansprüche verspätet geltend gemacht habe, findet das Bundesgericht.

sda. Um allenfalls Erfolg zu haben, hätte Joseph Spring seine Klage mehr als 40 Jahre früher einreichen müssen. Gründe, weshalb die im Verantwortlichkeitsgesetz vorgesehene absolute Verwirkungsfrist von 10 Jahren keine Anwendung finden sollte, waren für das Bundesgericht nicht ersichtlich. Der Einwand von Joseph Spring, seine Ansprüche gegen die Eidgenossenschaft seien unverjährbar, weil die Schweizer Behörden mit ihrer Flüchtlings- und Asylpolitik im Zweiten Weltkrieg Beihilfe zu Genozid und Kriegsverbrechen der Deutschen geleistet hätten, ist gemäss Bundesgericht nicht berechtigt.

Hart, aber erklärbar
Eine entsprechende Absicht bezüglich der damaligen Flüchtlings- und Asylpolitik sei nicht ersichtlich. Sie könne zwar als hart, aus heutiger Sicht sogar als unmenschlich bezeichnet werden, sei aber aus der damaligen Situation der Schweiz zu erklären. Auch beim handelnden Grenzbeamten selber lasse sich keine solche Absicht nachweisen. In diesem Zusammenhang hielt das Bundesgericht weiter fest, dass es nicht völkerrechtswidrig sei, wenn der Bundesrat ab August 1939 auf Basis des sogenannten Vollmachtenbeschlusses die Flüchtlings- und Asylpolitik der Schweiz gestaltet habe. Gestützt auf eine vom Bundesrat erlassene Weisung war Joseph Spring bei seinem zweiten Einreiseversuch den Deutschen übergeben worden. Zudem habe ein Recht auf Asyl seinerzeit grundsätzlich nicht bestanden. Auch das Rückschiebeverbot, wonach kein Flüchtling in ein Land ausgewiesen werden darf, wo er an Leib und Leben gefährdet ist, habe noch keine Geltung gehabt.

Signal der Menschlichkeit
Das Bundesgericht begründete weiter sein ungewöhnliches Vorgehen, Joseph Spring trotz vollständigem Unterliegen eine hohe Parteientschädigung zuzusprechen. Es machte von dieser Möglichkeit Gebrauch, um «damit der menschlichen Tragik nicht nur in Worten Rechnung zu tragen» und weil der Kläger sich in guten Treuen zur Prozessführung habe veranlasst sehen können. Bei der Bemessung fiel unter anderem ins Gewicht, dass Joseph Spring im weit entfernten Australien lebt und er keine Aussicht auf eine Entschädigung aus dem amerikanischen Sammelklageverfahren hat. Das Bundesgericht hatte am vergangenen 21. Januar Joseph Springs Genugtuungsforderung gegen die Schweiz in der Höhe von 100 000 Franken abgewiesen. Im Sinne einer «kreativen» Lösung sprach es ihm aber den gleichen Betrag als Parteientschädigung zu. Joseph Spring versuchte im November 1943 zusammen mit zwei Cousins in die Schweiz zu flüchten. Beim zweiten Grenzübertritt wurden sie von den Schweizer Behörden den deutschen Grenzorganen übergeben. Nach Darstellung Springs händigten die Schweizer Grenzbeamten dabei nicht nur ihre falschen Papiere aus, sondern auch die echten, aus denen die jüdische Abstammung hervorging. Im Dezember 1943 wurden sie nach Auschwitz deportiert, wo Springs Cousins umgebracht wurden. Spring überlebte Auschwitz und andere Lager und emigrierte nach dem Krieg nach Australien.